Vier Wochen können in der Politik eine kleine Ewigkeit sein. Vor allem dann, wenn Krisenmanagement gefragt ist. Seit vier Wochen tobt in der...

Vier Wochen können in der Politik eine kleine Ewigkeit sein. Vor allem dann, wenn Krisenmanagement gefragt ist. Seit vier Wochen tobt in der Eimsbüttler SPD eine erbitterte Personalfehde, die längst den gesamten Landesverband erfasst hat und zunehmend lähmt.

Wo bleibt angesichts des immer stärkeren Säbelrasselns der innerparteilichen Kontrahenten die ordnende Hand des Landesvorsitzenden? "Es bringt nichts, in operative Hektik zu verfallen", sagte SPD-Chef Ingo Egloff in dieser Woche dem Abendblatt. Er führe viele Gespräche. Eines muss man Egloff lassen: Der Mann hat Nerven. Andere sehen die Sache weniger gelassen - in der SPD macht das Wort vom Machtvakuum die Runde.

Die aktuelle Krise der Hamburger SPD begann vor vier Wochen: Juso-Chef Danial Ilkhanipour, bis dahin ein Nobody in der SPD, erklärte seinen verblüfften Parteifreunden, dass er den Bundestagsabgeordneten und prominenten Partei-Linken Niels Annen bei der Bewerbung um die Bundestags-Direktkandidatur 2009 herausfordern wolle. Nicht die Tatsache der Gegenkandidatur, sondern ihre Umstände haben den Konflikt ausgelöst.

Es waren robuste Methoden, mit denen der vermeintliche Politik-Anfänger Ilkhanipour und seine Freunde zu Werke gingen: Ganz im Stillen sorgte der Juso-Chef dafür, dass etliche seiner Gefolgsleute in den SPD-Distrikten zu Delegierten der Wahlkreiskonferenz gewählt wurden, die über den Direktkandidaten entscheidet. Erst als alle Delegierten bestimmt waren - viele in dem Glauben, es gäbe mit Annen nur einen Kandidaten - warf Ilkhanipour seinen Hut in den Ring. Das Partei-Establishment tobte: Der Eimsbüttler SPD-Chef Jan Pörksen warf dem Ober-Juso eine "gezielte Unterwanderungskampagne" vor.

Es brennt lichterloh in Eimsbüttel Es half nichts: Rechtlich war und ist Ilkhanipour nichts vorzuwerfen. Er hätte sogar erst in der Wahlkreiskonferenz seine Bewerbung abgeben können. So sieht es das deutsche Wahlrecht vor. Vor zwei Wochen dann die Sensation: Ilkhanipour setzt sich mit einer Stimme Mehrheit gegen Annen durch. Drei Tage später wirft der SPD-Chef Pörksen hin. Sein Nachfolger wird Milan Pein, bis dahin Schatzmeister.

Seitdem brennt es in Eimsbüttel lichterloh. Das Annen-Lager erweist sich als schlechter Verlierer. Reihenweise drohen Sozialdemokraten damit, Ilkhanipour im Bundestags-wahlkampf nicht zu unterstützen. Und es gibt Versuche, die Entscheidung für Ilkhanipour auf formalem Weg zu kippen. Jetzt, im Nachhinein, wird eine Mitgliederbefragung für Eimsbüttel gefordert. Die Hoffnung der Annen-Seite: Die Partei-Basis gibt Annen den Vorzug und erhöht damit den Druck auf Ilkhanipour, von seiner Kandidatur zurückzutreten. Doch was ist das für ein Demokratieverständnis, wenn eine demokratische Wahl auf diese Art konterkariert werden soll?

Ebenfalls in dieser Woche wurde der Versuch bekannt, die Wahl Ilkhanipours doch noch rechtlich anzufechten. Drei der 99 Delegierten der Wahlkreiskonferenz sollen weniger als ein Jahr Mitglied der SPD sein. Laut Parteisatzung dürfen diese Jungmitglieder keine Ämter übernehmen. Doch das Willy-Brandt-Haus, die SPD-Parteizentrale in Berlin, hat schon abgewinkt. Delegierter einer Wahlkreiskonferenz zu sein sei kein Parteiamt. Die Bestimmung der Satzung gelte im vorliegenden Fall also nicht.

Der Kern des Konflikts und etwas Begleitmusik Das juristische Hickhack zeigt nur eines: Eine politische Lösung ist dringend gefragt. Womit wieder Parteichef Ingo Egloff ins Spiel kommt. Je länger die Auseinandersetzung in Eimsbüttel dauert, desto schwerer ist der Schaden für die gesamte SPD. Schon früh hatte sich Parteichef Franz Müntefering bei Egloff erkundigt, was da in Hamburg eigentlich los sei.

Ja, was ist bloß los in der einstigen Dauerregierungspartei, wenn eine relativ überschaubare Entscheidung solche Grabenkämpfe auslöst? Viel spricht dafür, dass die Genossen von einer internen Machterosion erfasst werden, die für Oppositionsparteien typisch ist. Sicher: Der Konflikt Annen/Ilkhanipour ist ein bisschen auch ein Rechts-links-Konflikt. Annen ist ein Vorzeige-Linker, während Ilkhanipour dem Mitte-rechts-Lager angehört. Doch das Links-rechts-Schema ist mehr Begleitmusik als Kern des Konflikts. Ilkhanipour hat seine Kandidatur nicht in erster Linie in politischer Abgrenzung zu Annen begründet, sondern etwa mit mehr Basisnähe.

Auch bei dem letzten großen SPD-Konflikt spielten Inhalte eine untergeordnete Rolle: Rechte wie linke Spitzengenossen installierten 2007 gegen Landeschef Mathias Petersen im Rennen um die Bürgermeisterkandidatur Dorothee Stapelfeldt. Am Ende der Mitgliederbefragung stand der bis heute nicht aufgeklärte Stimmenklau, der Petersen um den sicheren Sieg brachte - und die Partei wochenlang ins Chaos stürzte. Damals wie heute erweist sich die Parteispitze als unfähig, die Heckenschützen im Zaum zu halten und für eine Befriedung zu sorgen.

Während der Jahrzehnte, als die SPD den Bürgermeister stellte, wurden solche Konflikte schneller beendet. Damals einte die Genossen letztlich immer das Interesse am Machterhalt. Und Machtvakuum war ein Fremdwort.