Die Woche im Rathaus

Eines muss man den Abgeordneten des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zum geschlossenen Heim Feuerbergstraße lassen: Sie legen sich bis zuletzt mächtig ins Zeug. Allein in dieser Woche, der Abschlusswoche nach 30 Monaten Aufklärungsarbeit, saßen die PUA-Parlamentarier noch einmal gut zehn Stunden im Raum 151 des Rathauses zusammen. Jede Formulierung des 500 Seiten starken Abschlussberichts zu Rechtsverstößen in dem Heim war heiß umkämpft.

Wie in der Politik üblich, gingen die Akteure dabei nicht mit dem Florett vor, sondern kreuzten mit den derben Säbeln die Klingen. "Manipulation", warf die GALierin Christiane Blömeke der allein regierenden CDU vor. "Unverfrorene Behauptung", konterte CDU-PUA-Obmann Kai Voet van Vormizeele. Und weil der Christdemokrat das Gesamt-ergebnis des PUA als "mager" bezeichnet hatte, attestierte ihm sein SPD-Gegenspieler Thomas Böwer einen "ideologisch bedingten Tunnelblick".

Das öffentliche Interesse ist geschwunden

Also alles so wie immer? Keineswegs. Das öffentliche Interesse an dem PUA ist stark geschwunden. Leicht zugespitzt lässt sich sagen: Die Abgeordneten tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das "schärfste Schwert der Demokratie" − der Untersuchungsausschuss − hat sich in diesem Fall als zunehmend stumpf erwiesen. Für die Opposition von SPD und GAL ist das ein trauriger Befund. Idealerweise versuchen die Nichtregierenden einen PUA möglichst dicht an einen Wahltermin heranzuziehen, um aus dem Fehlverhalten der Regierenden Kapital für ihre Kampagne zu ziehen. Warum ist das beim Heim Feuerbergstraße offenbar nicht gelungen?

"Es ist nahezu unmöglich, den Spannungsbogen über zweieinhalb Jahre zu halten", räumt SPD-Obmann Böwer ein, zugleich Kampagnen erfahrener Wahlkämpfer. Außerdem sei es falsch gewesen, aus dem PUA nach der Protokoll- Affäre einen zweiten PUA herauszutrennen. Seit sich die Bürgerschaft von April 2006 an zwei Untersuchungsausschüsse leistete, wurde die Lage immer unübersichtlicher, und der erste PUA zur Feuerbergstraße geriet mehr und mehr aus dem Blick. Dabei hatten die Ereignisse im März 2006 den größten "Erfolg" für die Opposition gebracht: Bürgermeister Ole von Beust entließ Sozialstaatsrat Klaus Meister und bald darauf seinen Justizsenator Roger Kusch. Dabei bot Kuschs aufmüpfiges Verhalten in der Affäre für von Beust nur den willkommenen Anlass, sich von seinem Senator zu trennen. Darin war Kuschs Schicksal dem der TV-Moderatorin Eva Herman ähnlich . . .

Die Protokoll-Affäre selbst war − bei Licht betrachtet − eher ein Affärchen: Es ging darum, dass vertrauliche PUA-Protokolle unter anderem mit Zeugenbefragungen rechtswidrig in die Sozial- und Justizbehörde gelangt waren. Ihre Fallhöhe entwickelte die Affäre weniger aus der Vorwurfslage, sondern aus der (Über-)Reaktion des Bürgermeisters, der in der Krise Nerven zeigte. Doch seitdem hat das Interesse an den PUAs immer stärker nachgelassen. Das große Ziel von SPD und GAL − der Sturz der für die Feuerbergstraße politisch verantwortlichen Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) − blieb unerreicht. Die Zweite Bürgermeisterin wackelte zwar, aber sie fiel nicht. "Es ist nicht gelungen, die Henne vom Misthaufen zu holen. Das wurmt", sagt Böwer ebenso despektierlich wie frustriert. Der Schwung ist weg. Es geht auch anders. Rückblende 2001: Damals konnte die CDU vor dem Regierungswechsel von den Ergebnissen des PUA "roter Filz" durchaus profitieren. Zwei Jahre lang hatte der Ausschuss die personellen Verstrickungen zwischen der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der SPD, vor allem der SPD Nord, untersucht.

"Wenig harte Beweise, dafür aber Indizien"

Der damalige Oppositionschef Ole von Beust attestierte dem PUA, "ein gigantisches Netz illegaler Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen Verwaltung und Regierungspartei aufgedeckt" zu haben. Arbeitsstab- Leiter Ulf-Henning Möker sah es nüchterner: "Es gab wenig harte Beweise, dafür aber Indizien für die Existenz von Filz." Der rote Filz war zwar nicht das zentrale Thema des Wahlkampfes 2001. Aber der PUA trug mit zur Wechselstimmung nach 44 Jahren SPD-Regierung bei. Was ist heute anders? Beim PUA Feuerbergstraße steht nicht das ganze "System" auf dem Prüfstand wie beim PUA Filz. Es geht letztlich nur um ein Heim mit wenigen Mitarbeitern und noch weniger jugendlichen Insassen. Und die Opposition ist sich nicht einig: Die SPD hat anders als die GAL im Prinzip nichts gegen geschlossene Heime. Böwer glaubt trotz allem an eine Langzeitwirkung des Ausschusses: "Wenn Kusch mit seiner Partei nur 1,2 Prozent holt, fehlen die nicht uns, sondern Ole von Beust." Politik, so lernt man, ist das Bohren dicker Bretter.