Klimaschutz - kaum ein Wort wird in Hamburg derzeit so inflationär verwendet wie dieses. Das Thema, das einst lediglich in Hinterräumen, auf Basisversammlungen der Grünen bei Matetee und Strickübungen diskutiert wurde, ist nicht nur salonfähig geworden, sondern zur echten Modeerscheinung avanciert. Selbst diejenigen, die die überzeugten Umweltschützer noch vor wenigen Jahren als Körnerfresser oder Bio-Spinner verspottet haben, überbieten sich heute bei der Aufzählung ihrer guten Taten gegen den Wandel des Klimas.

Das ist im Rathaus nicht anders als im Rest der Stadt. Und so vergeht kein Tag, an dem sich nicht mindestens eine der Parteien zum Klimawandel äußert.

Mal gucken, wie es die anderen so machen . . .

Da war zum Beispiel der Bürgerschaftsantrag der GAL-Fraktion mit dem wohlklingenden Namen "Für einen umwelt- und stadtverträglichen Verkehr. Entspannt mobil das Klima schützen!". Anders als von vielen erwartet, lehnte die CDU diesen nicht ab, sondern überwies ihn zur Debatte in den Umweltausschuss. Ob das daran liegt, dass die Unionspolitiker sich mit ihrem eigenen Konzept so schwertun? Das lässt nämlich noch immer auf sich warten und soll nun erst nach der Sommerpause vorgelegt werden. Warum also die fertigen Konzepte der Opposition gleich in den Papierkorb werfen? Es kann ja nicht schaden, mal zu gucken, wie es die anderen so machen. Und die Sommerpause bietet schließlich viel Zeit zur Lektüre. So offen sich die CDU im Kleinen für die Ideen der Opposition zeigt, so beharrlich verbitten sich die obersten Umweltpoltiker Hamburgs, Axel Gedaschko und Herlind Gundelach, bei den wirklich großen Klimafragen eine Einmischung. Und groß ist das geplante Vattenfall-Steinkohlekraftwerk in Moorburg nun wirklich. Doch darüber diskutieren weder Umweltsenator noch Staatsrätin. Mit den immer gleichen Phrasen verteidigen sie das Riesenkraftwerk, wo immer sie darauf angesprochen werden. Meist enden diese Vorträge mit: "Wir brauchen den Strom", "Wir wollen die Fernwärme" und "Vattenfall hat einen Rechtsanspruch auf Genehmigung". Punkt, Aus, Diskussion beendet. Da überrascht es doch, dass jetzt ausgerechnet ein CDU-Abgeordneter hinter vorgehaltener Hand darauf hinweist: "Noch ist Moorburg nicht genehmigt." Nachdem der Hamburger Zukunftsrat am Donnerstag eine Studie zur "Entwicklung der Energieversorgung in Norddeutschland" vorgelegt hatte, sagte auch der CDU-Umweltexperte Hartmut Engels, man müsse "die Zahlen und Daten auch in Bezug auf Moorburg gründlich prüfen und berücksichtigen". Und diese sprechen für sich. So werde nach den Berechnungen der Forscher bis zum Jahr 2020 in Norddeutschland "eine Überproduktion von Strom" um bis zu 148 Prozent zu verzeichnen sein. Außerdem werde nach dem Bau aller geplanten Kraftwerke im Jahr 2020 rund 2,3 Mal so viel CO2 emittiert wie noch 2005. Nicht erst nach diesen Ergebnissen sind sich SPD und GAL einig: "Das Kraftwerk ist überdimensioniert."

Ole von Beust fehlt beim Live-Earth-Konzert

Und auch, wenn der Senator nicht so gerne über dieses Thema diskutiert − bald wird er es müssen. Denn am Freitag haben Umweltverbände und die Verbraucherzentrale eine Volkspetition gegen das Kraftwerk gestartet. Die Hamburger Verfassung sieht eine solche Petition als Beschwerdeinstrument vor, um das Parlament auf Missstände hinzuweisen. Damit sich die Abgeordneten mit dem Anliegen beschäftigen, sind 10 000 Unterschriften nötig. Darum wollen sich die Initiatoren beim Live-Earth-Konzert kümmern. Dem Klimaschutzereignis, das der Bürgermeister höchstpersönlich nach Hamburg geholt hat. "Eine einmalige Möglichkeit, Hamburg in der Welt als Klimaschutz- Hauptstadt zu präsentieren", sagte er noch im Mai. Jetzt guckt zwar die Welt zu, dafür fehlen viele Hamburger. Am Freitag waren noch mehr als 10 000 Karten für das Konzert zu haben. Einer, der nicht dabei sein wird, ist übrigens Ole von Beust. Er wolle "keine exponierte Rolle einnehmen", hieß es zur Begründung.