Es war ein ziemlicher Kracher, den Ex-Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) da zum Start des neuen Schulressorts im Abendblatt lieferte. Auf...
Es war ein ziemlicher Kracher, den Ex-Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) da zum Start des neuen Schulressorts im Abendblatt lieferte. Auf die an vier ehemalige Senatoren gestellte Frage, was Hamburg jetzt in der Schulpolitik zuvorderst tun müsse, kritisierte sie die Einführung der sechsjährigen Primarschule scharf. Der Zeitpunkt sei mit Sicherheit nicht der richtige, er sorge für organisatorische Probleme und schaffe auch sonst vor Ort nur Unruhe. Auch wer darin inhaltlich nicht mit Dinges-Dierig übereinstimmt, könnte jetzt eigentlich vor ihr den Hut ziehen. Denn sie tut etwas, was viele ihrer Parteifreunde selten wagen: Sie bleibt ihren Prinzipien treu und gibt sie nicht an der Rathausgarderobe ab, nur um den Koalitionsfrieden zu wahren.
Dass Dinges-Dierig die sechsjährige Grundschule (die GAL spricht gerne vom "gemeinsamen Lernen") strikt ablehnt, ist ja schon länger bekannt. Aber dass sie sich so deutlich ausdrückt, Koalition hin oder, ist schon erstaunlich - oder doch nicht?
Die Reaktion von oben ließ nicht lange auf sich warten. CDU-Fraktionschef Frank Schira teilte Dinges-Dierig mit, dass man über alles reden könne - nur eben nicht öffentlich. Auch solle den laufenden Schulentwicklungskonferenzen nicht vorgegriffen werden. "Ich habe ihr auch gesagt, dass es in der Fraktion keinen Bonus für Ex-Senatorinnen gibt", so Schira zum Abendblatt, "und dass es kein guter Stil ist, seiner direkten Nachfolgerin Tipps zu geben." Am Freitagmorgen gab Dinges-Dierig eine dürre Erklärung ab: "Ich stehe zu der im Koalitionsvertrag vereinbarten Einführung der sechsjährigen Primarschule", heißt es darin.
Sie spricht nur aus, was andere denken Im Klartext: Von ihrer Kritik, dass Zeitpunkt und aktuelle Ausgestaltung der Reform falsch seien, rückt sie nicht ab. Denn Dinges-Dierig weiß, dass sie damit nur offen ausspricht, was viele in der CDU-Fraktion denken - und auch täglich erleben. "In Bürgersprechstunden haben wir ohne Ende aufgeregte Eltern bei uns sitzen, die Fragen zum Primarschulkonzept haben", sagt ein CDU-Abgeordneter. "Das geht von Fragen zu den benötigten Gebäuden und den Fahrwegen der Kinder bis zu Details des Musik- und Sprachunterrichts."
Die Schulpolitik wird immer häufiger zur offenen Flanke der Koalition. Erst kürzlich hatte die frühere Leiterin des Amts für Bildung und langjährige CDU-Schulexpertin, Ingeborg Knipper, die aktuelle Schulpolitik als "Zumutung" bezeichnet und Bürgermeister Ole von Beust zum Eingreifen aufgefordert. Noch brisanter ist der Beschluss, den der mächtige CDU-Kreisverband Altona kürzlich fasste. Darin wird die Bildungsbehörde unter anderem aufgefordert, das besondere Profil der humanistischen Traditionsgymnasien zu erhalten. Auch wird von der Behörde ein detaillierter Zeitplan für die Reform mit ausreichender Beratungszeit für alle Gremien gefordert. Der dem Beschluss vorausgehende Antrag trägt eindeutig die Handschrift des früheren schulpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Robert Heinemann, der sich öffentlich nicht kritisch über die aktuelle Schulpolitik äußert.
Beust: Die Primarschule ist "kein Teufelszeug" Dinges-Dierig, die erst spät in die Politik kam, hat faktisch nie mit ihrer Meinung hinter dem Berg gehalten - oft trug sie das Herz mehr auf der Zunge, als es bei Hamburgs Politikern üblich ist. Dass sie Vorschläge für Werbung an Schulen und Sonnabends-Unterricht in die Diskussion brachte, wurde ihr im sonst so diskursfreudigen Bildungsmilieu erheblich angekreidet - und natürlich auch in der vorsichtig operierenden Fraktion. "Sie hat immer wieder mit dem Allerwertesten eingerissen, was sie mit den Händen aufgebaut hatte", heißt es dazu in der Fraktion. Ole von Beust stellt sich da geschickter an. Er sagte kürzlich öffentlich, die sechsjährige Primarschule könne "kein Teufelszeug" sein, da sie in fast allen anderen europäischen Ländern ja auch praktiziert werde. Erinnert sei aber daran, dass die CDU mit einer ganz anderen Schulpolitik Wahlkampf gemacht hatte. Dass sie nun mit der GAL zusammen regiert, heißt ja nicht automatisch, dass jeder deren Konzept zur Umsetzung der Primarschule gut finden muss. Alexandra Dinges-Dierig hat ihre Kritik am Drumherum der Reform ausgesprochen - nicht am Plan selbst. Wie sagte einer ihrer Fraktionskollegen dazu am Freitag?: "Man kann ja auch für Hochhäuser sein, aber man muss sie ja nicht an die Binnenalster stellen."