Die Woche im Rathaus

Ein weiteres Mal war es das Weltklima, das in dieser Woche das politische Klima Hamburgs bestimmt hat. Genauer gesagt, das Klimaschutzkonzept des CDU-Senats. Monatelang hatten rund 70 Mitarbeiter aus allen Behörden daran gearbeitet - hinter verschlossenen Türen. Nichts durfte von den Plänen nach außen dringen. Auch wenn das nicht ganz geklappt hatte, wollte der Bürgermeister seinen großen Auftritt. Wollte sich, den Senat und die Stadt Hamburg vor allen Medien wieder einmal als Vorreiter in Sachen Klimaschutz präsentieren. Und der Plan ging auf. Die gesamte regionale und zum Teil auch nationale Presse drängte am Dienstag in die Landespressekonferenz. Beim Anblick des überfüllten Raumes sinnierte einer der Kollegen kopfschüttelnd: "Das letzte Mal war es hier so voll, als Senator Schill abgesetzt wurde."

Auch die Opposition geriet in einen Klimarausch

Es war aber nicht die Presse allein, die der Präsentation entgegenfieberte. Schon Tage vorher gerieten auch die Oppositionsparteien und Verbände der Stadt in einen regelrechten Klimarausch. Keiner wollte dem Bürgermeister das Feld Klimaschutz kampflos überlassen. Jeder wollte sich noch mal zu Wort melden. Wenn möglich, sogar noch vor dem Bürgermeister ein eigenes Klimakonzept aus dem Hut zaubern oder dem CDU-Senat zumindest noch einmal öffentlich sagen, dass man es selbst viel besser könnte. Am Montag zeigte Christian Maaß von der GAL-Fraktion noch schnell seine Top Ten der europäischen Klimaschutzhauptstädte − und wies darauf hin, dass Hamburg nicht dazugehöre. Am Dienstag, zwei Stunden vor von Beust, drängelte sich auch noch SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann vor und präsentierte den Zwölf-Punkte-Plan der SPD. Und dann war es endlich so weit: Mit großen Brimborium legte sich Ole von Beust auf ein Klimaschutzziel fest. Zwei Millionen Tonnen Kohlendioxid will er bis 2011 einsparen, will Bürger und Industrie in das Thema Klimaschutz mit einbinden und Hamburg zur Klimaforschungszentrum machen. So weit, so gut. Sieht man sich von Beusts Klima-Rechnung an, kommen bezüglich der Realisierbarkeit Zweifel auf. Denn: Ein Großteil der geplanten Einsparungen basiert auf Freiwilligkeit. Ein weiterer Teil fußt auf dem Prinzip Hoffnung. So verpflichtet sich etwa die Industrie in Hamburg, 500 000 Tonnen CO2 einzusparen. Niemandwill behaupten, dass diese freiwillige Selbstverpflichtung nicht ernst gemeint ist. Aber denken wir einmal zurück.

Trotz Selbstverpflichtung wurden Katalysatoren erst dann standardmäßig in sämtliche Fahrzeuge eingebaut, als die deutsche Autoindustrie per Gesetz dazu verpflichtet wurde. Viele Industriebetriebe und große CO2-Produzenten haben ihre Einsparziele schon vor der Beust-Konferenz über die Industrie- und Handelskammer abgegeben. Wer seine Zahlen noch nicht vorgelegt hat, ist die Norddeutsche Affinerie − Hamburgs größter CO2- Produzent. Prinzip Hoffnung herrscht in Sachen Technologie. Von Beust setzt auf einen technologischen Fortschritt, den es noch gar nicht gibt. Trotzdem rechnet er für die in Zukunft noch zu erfindenden neuen Antriebe schon jetzt eine CO2-Ersparnis mit in sein Konzept ein. Und auch die Einsparungen, die durch verstärkte Aufklärung der Bürger und Unterrichtseinheiten zum Klimaschutz in den Schulen erreicht werden sollen, werden schon jetzt mit einem festen Wert eingerechnet, ohne dass man diese Auswirkungen quantitativ beziffern kann. Ja, der Senat hat seine Berechnungen vorab auf den Prüfstand gestellt. Dem "Wuppertal Institut für Klima, Energie und Umwelt", das nicht gerade dadurch bekannt wurde, der Union besonders nahe zu stehen, wurden die Zahlen vorgelegt. Und für die geplanten Einzelmaßnahmen bescheinigte es, dass diese Zahlen realistisch sind. Dabei geht es aber eben nur um eine Einsparung von 550 000 Tonnen. Für 200 000 Tonnen CO2, kann der Senat sogar überhaupt noch keinen Einsparvorschlag präsentieren. Hier heißt es im Konzept lapidar, es müsse "nachgesteuert werden", was konkret so viel heißt wie: "Wir haben zwar keine Ahnung wie, aber es wird schon klappen."

Das Kraftwerk Moorburg taucht im Konzept nicht auf

Auffällig ist, dass das geplante Vattenfall-Kraftwerk Moorburg nicht mehr im Klimaschutzkonzept auftaucht. Noch in der Arbeitsversion, die dem Abendblatt vorab vorlag, hieß es, das Kraftwerk sei unverzichtbar. In der Pressekonferenz wollte Ole sich wegen des "laufenden Verfahrens" nicht äußern. Fakt ist aber, dass die Umwelt-Auflagen für den schwedischen Stromkonzern immer weiter erhöht werden. Und dass Vattenfall für die Erfüllung sämtlicher Auflagen schon jetzt 50 Millionen Euro mehr einplanen müsste. Noch ist kein Ende des Genehmigungsverfahrens in Sicht. Will von Beust Vattenfall über den Faktor Zeit am ausgestreckten Arm verhungern lassen? Übrigens: Die SPDler Michael Naumann und Monika Schaal äußern sich zwar vehement gegen das Kohlekraftwerk. Allerdings scheinen sie in der Bundes-SPD nicht so deutlich aufzutreten. Die hat die Kohlekraft weiter in ihrem Energiekonzept verankert. Was bleibt nach der Präsentation des CDU-Konzeptes hängen? Unbestritten ist: Es stehen viele gute Ideen darin, und Hamburg ist das erste Bundesland, das ein solches Kompaktpaket vorgelegt hat. Klar ist aber auch: Bisher besteht das Konzept aus Absichten. Nur die wenigsten Vorhaben sind schon konkretisiert. Es liegt noch ein langer Weg vor dem Senat, das Papier mit Leben zu füllen.