Zugegeben, die Ereignisse liegen schon einige Jahre zurück, aber sie können jetzt unverhofft Aktualität gewinnen. Am 2. September 1997 wurde das Hamburger Traditionsunternehmen Hapag-Lloyd, im 150. Jahr seiner Geschichte, für 2,8 Milliarden Mark (1,4 Milliarden Euro) an den Mischkonzern Preussag AG verkauft. Aus der Preussag wurde im Juni 2002 die TUI und die schickt sich jetzt, elf Jahre später, an, die fünftgrößte Reederei der Welt meistbietend weiterzuverkaufen.

Angesichts der ungewissen Zukunft von Hapag-Lloyd fühlt sich mancher an 1997 erinnert, als das weltumspannende Unternehmen, das einst Albert Ballin geführt hatte, seine Unabhängigkeit verlor. Damals wie heute steht die Sorge um die Arbeitsplätze und den Standort Hamburg im Vordergrund. Diese Woche haben die Beschäftigten von Hapag-Lloyd rund um das Traditionshaus am Ballindamm gegen den drohenden Verkauf an die Neptune Orient Lines (NOL) aus Singapur protestiert. Eine Gruppe Hamburger Kaufleute will die feindliche Übernahme mit einem eigenen Angebot verhindern - mit Unterstützung des Senats und dem Wohlwollen der Bundesregierung.

Rückblende: Der 20. Juni 1997 zählte zu den stolzesten Tagen in der Geschichte von Hapag-Lloyd. Mit einem Festakt im Großen Festsaal des Rathauses und anschließendem Empfang auf dem Flaggschiff "MS Europa", das an den Landungsbrücken festgemacht hatte, beging die Reederei ihr 150. Jubiläum. Doch längst trübten die Übernahmegerüchte die Festtagsstimmung. Festredner war Altbundeskanzler Helmut Schmidt, und der erinnerte zwar an die großen Zeiten von Hapag-Lloyd, nahm aber an einer Stelle als bekennender Hamburger kein Blatt vor den Mund. "Sofern infolge von Veränderungen der Aktionärsstruktur die innere Balance von Hapag-Lloyd gefährdet werden sollte", so Schmidt grollend, "kann ein Hanseat wie ich das nur missbilligen." Da habe der Altkanzler, so erinnert sich ein Teilnehmer der Festaktes, "einmal mit der Peitsche geknallt".

Der Übernahmeplan war längst ausgeheckt Zwei Zuhörern, die gar nicht direkt angesprochen waren, müssen dennoch die Ohren geklungen haben: Preussag-Chef Michael Frenzel, der heute die TUI führt, und Friedel Neuber, damals der Chef der West LB, der nordrhein-westfälischen Landesbank. Die beiden hatten den Übernahmeplan längst ausgeheckt, wobei Neuber der eigentliche Drahtzieher im Hintergrund war. Die West LB kontrollierte die Preussag mit einem 30-Prozent-Anteil, und Neuber war deren Aufsichtsratschef. Der Düsseldorfer Banker hatte die Boombranche Tourismus als sein strategisches Aktionsfeld ausgemacht.

Damals wie heute ist das Schicksal von Hapag-Lloyd auch ein Fall für die Politik. Im Rathaus fielen die Befürchtungen des damaligen Hapag-Lloyd-Chefs Bernd Wrede auf fruchtbaren Boden: Bürgermeister Henning Voscherau setzte eine stille Diplomatie in Gang, um die Eigenständigkeit des Unternehmens zu retten, mindestens aber die Zerschlagung zu verhindern.

Voscherau hatte einen Trumpf im Ärmel Der Sozialdemokrat versuchte, das Problem an der Wurzel zu packen. Das heißt, er sprach bei Parteifreunden vor: bei Johannes Rau, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und seinem Finanzminister Heinz Schleußer, den politisch Verantwortlichen für die West LB im damals noch roten NRW. In eindringlichen Worten, wie es Voscherau zu eigen ist, machte er deutlich, dass eine unfreundliche Übernahme von Hapag-Lloyd viel Ärger in Hamburg machen würde. Das mochte Rau und Schleußer vielleicht noch nicht so recht in Aufregung versetzen, aber Voscherau hatte noch einen Trumpf im Ärmel. Er stellte infrage, ob es rechtlich zulässig sei, dass eine Landesbank "auf Beutezug" in einem anderen Bundesland gehe. Und der Hamburger Bürgermeister drohte mit einem Gang nach Karlsruhe, um prüfen zu lassen, ob eine von der West LB initiierte Übernahme von Hapag-Lloyd durch die Preussag grundgesetzkonform sei. Das wiederum verfehlte seine Wirkung nicht.

Rau und Schleußer, so erinnert sich Voscherau, hätten das damals sehr ernst genommen und Neuber sowie Frenzel an die Elbe geschickt. Bei einem Treffen im Gästehaus des Senats an der Alster sei dann in eher frostiger Atmosphäre eine Art "Wohlverhaltensklausel" herausgekommen. Neuber und Frenzel sicherten Voscherau per Handschlag zu, dass es nicht ihr Ziel sei, Hapag-Lloyd zu zerschlagen und den Standort Hamburg zu schädigen.

Auch wenn das Treffen damals geheim blieb, so war doch eines auffällig: Nachdem der Deal im September 1997, nur wenige Wochen nach dem Jubiläum, wie geplant über die Bühne gegangen war, versicherte Frenzel öffentlich, dass Hapag-Lloyd "in der bestehenden Struktur erhalten und der Hauptsitz in Hamburg bleiben" soll. Die spannende Frage lautet: Gilt die Zusage von damals auch heute noch, wo fernöstliche Konsortien wie die NOL nach Hapag Lloyd greifen?