Was heißt Glaubwürdigkeit in der Politik? Drei Beispiele aus dieser Woche: Da ist zuerst die GAL, ein schwieriger Fall. Die neuen Mitregenten der CDU stimmten am Mittwoch in der Bürgerschaft gegen den Antrag der SPD, den schon rechtskräftigen Bebauungsplan Wohldorf-Ohlstedt 13 nicht umzusetzen. 188 Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser sollen im Landschaftsschutzgebiet auf einer Fläche von zwölf Hektar entstehen.
Das Nein der GAL zum Stopp der Naturzerstörung ist selbstverständlich gegen alle Prinzipien grüner Politik gerichtet. Erklärbar wird das Verhalten nur, weil der GAL-Regierungspartner CDU den Wohnungsbau in der Feldmark für unverzichtbar hält und kurz vor der Wahl in der Bürgerschaft durchgedrückt hat. "Wir haben uns in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen können", sagte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan in der kurzen Debatte zum SPD-Antrag. "Wenn wir auf unserem Nein zum B-Plan bestanden hätten, wäre die Koalition geplatzt."
Der GAL, das wollte Kerstan sagen, sei keine andere Wahl geblieben, als den B-Plan abzunicken. Da macht der GAL-Fraktionschef sich und seine Partei kleiner als sie ist. Wer eine Kehrtwende des Senats beim schon im Bau befindlichen Kohlekraftwerk Moorburg durchsetzen kann, der schafft es auch, zwölf Hektar Wiesen und Knicks vor Baggern zu schützen. Es ist wohl eher so: Der GAL war Wohldorf-Ohlstedt 13 nicht so wichtig.
Mit einer Ausnahme: Christiane Blömeke, zuständige Wahlkreis-Abgeordnete der GAL für Wohldorf-Ohlstedt, die jahrelang gegen das Bauprojekt gekämpft hatte, nahm ihre eigene Glaubwürdigkeit so ernst, dass sie über eine Niederlegung ihres Mandats nachgedacht hatte. Erst nach Diskussionen mit der Initiative gegen den B-Plan in den Walddörfern besann sie sich anders. Ihre Fraktionskollegen gestatteten Blömeke immerhin, sich einigermaßen gesichtswahrend der Stimme zu enthalten. Die SPD warf der GAL gleichwohl den "Bruch eines wichtigen umweltpolitischen Wahlversprechens" vor. Und Andreas Dressel, Blömekes Wahlkreis-Kollege von der SPD, trompetete: "Die GAL opfert ihre Glaubwürdigkeit der Koalitionsräson."
SPD - ein interessanter Fall Womit wir bei Beispiel zwei sind, der SPD. Ein interessanter Fall. "Ich bin ja schon eine alte Abgeordnete. Viele Jüngere hier im Haus werden sich nicht erinnern: Aber Wohldorf-Ohlstedt 13 ist ein SPD-B-Plan", sagte die GALierin Antje Möller. Den erstaunten Zuhörern erläuterte Möller, dass die SPD in den rot-grünen Koalitionsverhandlungen 1997 die Bebauung des Gebiets gegen den Widerstand der Grünen durchgesetzt hatte. Lediglich ein Abspecken des Plans - ursprünglich waren 400 Wohneinheiten auf 40 Hektar vorgesehen - konnten die Grünen durchsetzen. Der erste B-Plan stammt übrigens aus dem Jahr 1982, auch damals regierte die SPD. Der Initiative und Naturschutzverbänden gelang es in der Folge immer wieder, die Realisierung des Projekts juristisch zu verzögern und anzuhalten.
Damals ging es der SPD darum, Wohnraum in der wachsenden Stadt zu schaffen, heute steht der Naturschutz bei den Roten im Vordergrund. Nun haben jede Partei und jeder Politiker das Recht, schlauer zu werden und ihre Meinungen zu ändern. Dressel, der seine politische Karriere 1997 in der Bezirksversammlung Wandsbek begann, verweist auf Gutachten jüngeren Datums, aus denen die besondere Schutzwürdigkeit des Ohlstedter Geländes erst hervorgehe. Das mag eine Rolle spielen. Auffällig ist aber auch, dass die SPD für den B-Plan war, solange sie regierte, und ihre Bedenken erst in der Opposition entdeckte. Manchmal scheinen die Unterschiede weniger an den Parteigrenzen zu verlaufen, als daran, wer gerade Regierung und wer Opposition ist.
Zu Recht wunderte sich Antje Möller darüber, dass ausgerechnet die SPD mit ihrer Vorgeschichte am lautesten in Sachen Wohldorf-Ohlstedt 13 posaunte. Vielleicht wäre etwas mehr Bescheidenheit glaubwürdiger gewesen. Aber hier gilt die Lebensweisheit: "Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche."
Beust und grüne Themen Die zeitlose Sentenz des Satirikers F.W. Bernstein lässt sich auch ein wenig auf Bürgermeister Ole von Beust und die CDU übertragen. Der Senatschef wird am Montag dem CDU-Bundesvorstand den unter seiner Regie entstandenen Entwurf eines Grundsatzpapiers zum Thema "Bewahrung der Schöpfung: Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz" vorstellen. Das 25-Seiten-Werk streicht die traditionell wirtschaftsfreundliche Partei CDU kräftig grün an. Von Beust versucht für seine Partei Themen zu besetzen, um die die Union lange einen weiten Bogen gemacht hat: Klimaschutz, regenerative Energien oder das Prinzip der Nachhaltigkeit.
Doch der Christdemokrat wirft - anders als die sprichwörtlichen "Kritiker der Elche" - nicht gleich alles über Bord, was die CDU-Energiepolitik der vergangenen Jahre ausgezeichnet hat: Er hält längere Laufzeiten der Atomkraftwerke für ebenso erforderlich wie den Bau moderner Kohlekraftwerke, um die Energieversorgung in Deutschland zu sichern.
Moderne Kohlekraftwerke? Der schwarz-grüne Senat mit von Beust an der Spitze ist doch gerade dabei, das Kohlekraftwerk Moorburg mit allen juristischen Finessen zu torpedieren. Nun kann man im Grundsatz für Kohlekraftwerke sein, im konkreten Fall dagegen. Nur: Glaubwürdiger ist von Beusts Einsatz im Fall Moorburg seit dieser Woche jedenfalls nicht geworden.