Moorburg - wohl kaum ein anderes Wort hat zurzeit in Hamburg so viel Symbolkraft wie dieses. Eigentlich ein kleiner Stadtteil im Süden der Hansestadt, wurde Moorburg im vergangenen Jahr für viele zum Synonym für die Gigantomanie eines Stromkonzerns, für einen energiepolitischen Zickzackkurs des CDU-Senats, der einerseits Hamburg zur Klimaschutzhauptstadt Deutschlands machen will, andererseits ein 1600-Megawatt-Kohlekraftwerk wollte, das jede CO 2 -Bilanz verhagelt. Die GAL erklärte Moorburg von Beginn an zum Kampfobjekt. Moorburg steht für einen "Stromgiganten" am Restarm der Alten Süderelbe. Innerhalb eines Jahres mutierte der geplante Kraftwerksbau zu einem heiß diskutierten und umstrittenen Politikum. Und wird nun zum Mittel- und Knackpunkt der anstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und GAL.
Für Bürgermeister Ole von Beust (CDU) entwickelt sich Moorburg dadurch immer mehr zu einem Ärgernis. Frei nach Goethe scheint der selbst ernannte Klimaschützer von Beust die Geister, die er nicht nur rief, sondern fast schon persönlich in die Stadt holte, jetzt, wo sie sich zu einem echten Hindernis auf dem Weg zum Machterhalt entwickeln, nicht mehr loszuwerden.
Das Problem: Ole von Beust hat den Zeitpunkt der politischen Einflussname verpasst. Mit der von ihm persönlich erteilten Genehmigung für den vorzeitigen Baubeginn und dem darüber unterzeichneten Vertrag mit Vattenfall hat er sich selbst ein Kuckucksei ins Nest gelegt. Warum eigentlich? Schließlich liebäugelt von Beust schon seit Jahren mit einer schwarz-grünen Koalition. Auch wenn er es sich schon vorher hätte denken können - spätestens seit April 2007 weiß der Bürgermeister ganz genau, dass sein Wunschkoalitionspartner GAL das geplante Kraftwerk in Moorburg ablehnt. Lautstark kommunizieren die Fraktionsvorsitzende Christa Goetsch und ihr Vize Christian Maaß diese Überzeugung. Lassen seitdem nichts unversucht, die Unverträglichkeit für die Umwelt darzulegen und eine Genehmigung zu verhindern. Schließlich zogen sie sogar mit der Parole: "Mit uns wird es Moorburg nicht geben" in den Wahlkampf.
Trotzdem verhandelte von Beust mit Vattenfall, erklärte die Entscheidung über einen vorzeitigen Baubeginn in Moorburg im November des vergangenen Jahres sogar zur Chefsache. In zähen Verhandlungen rang er mit Vattenfall um Ausgleichsmaßnahmen und modernste Klimaschutztechniken, forderte vom Energieriesen klimatechnische Nachrüstungen und hoffte so, das modernste und klimaverträglichste Kraftwerk für Hamburg herauszuholen - und so die Kraftwerksgegner zu besänftigen. Am 15. November 2007 gab er schließlich grünes Licht für den vorzeitigen Baubeginn und die Möglichkeit der politischen Einflussnahme aus der Hand. Im jetzt laufenden Genehmigungsverfahren geht es um Gesetze, um die Einhaltung von Grenzwerten und Richtlinien. Die sind in Hamburg besonders streng. Nach dem sogenannten Hamburger Standard müssen die vom Gesetzgeber vorgegebenen Grenzwerte bei einem neuen Kraftwerksbau noch um zehn Prozent unterschritten werden. Kann Antragsteller Vattenfall dies aber leisten, gibt es nur wenige Möglichkeiten, die Genehmigung zu verweigern.
Die wichtigste ist die der wasserrechtlichen Genehmigung. Wenn die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) zu dem Schluss kommt, dass die Umwelt durch das Kraftwerk erheblich belastet wird, diese Auswirkungen nicht durch besondere Auflagen ausgleichbar sind, kann sie die endgültige Genehmigung verweigern. Genau das ist es, was die GAL erwartet, denn das Kraftwerk Moorburg ist für die Grünen nicht verhandelbar. An dieser Frage wird sich entscheiden, ob Hamburg das erste schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene bekommt.
Die CDU ist offenbar bereit, das "1600-Megawatt-Monster" (GAL) auf dem Altar der schwarz-grünen Koalitionsgespräche zu opfern. Der Preis könnte hoch sein - Vattenfall könnte Schadenersatz fordern, jahrelange Prozesse inklusive. Das wäre dann ein politischer Preis. Aber wo die Macht ist, ist auch ein Weg.