Vor den Parteimitgliedern sprach Hajduk von “Niederlage“ und “Fehlern“.
"Es ist aber bisweilen schwer zu beurteilen, für welche von zwei Möglichkeiten man sich entscheiden und welches von zwei Übeln man über sich ergehen lassen soll, und oft noch schwerer, bei dem gefassten Entschluss zu bleiben."
Nein, das ist kein Zitat von Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL) bei der Verkündung der Moorburg-Genehmigung, sondern stammt vom Philosophen Aristoteles. Der allerdings wusste schon einige Hundert Jahre vor Christus das, was Anja Hajduk in dieser Woche schmerzlich erfahren musste: Es gibt Entscheidungen, bei denen kann man einfach nur verlieren. Und die Genehmigung für das Vattenfall-Steinkohlekraftwerk in Moorburg war eine solche. Nicht nur, dass Hajduk im Ansehen vieler Parteimitglieder und grüner Wähler tief gesunken ist, weil die GAL mit der Genehmigung ihr zentrales Wahlversprechen gebrochen hat. Auch in Wirtschaftskreisen schüttelt man nur noch den Kopf über den Umgang, den die Behörde mit Antragssteller Vattenfall pflegt. Eiszeit ist wohl das Wort, das das Mit- beziehungsweise Gegeneinander von Behörde und Energiekonzern derzeit am besten beschreibt. Von "fehlendem Stil" aufseiten der Behörde war in der vergangenen Woche immer wieder die Rede. Als stillos empfanden es die Vattenfall-Mitarbeiter, dass sie erst eine halbe Stunde, bevor die Öffentlichkeit informiert wurde, den Bescheid ausgehändigt bekamen. Den durfte sich ein Anwalt des schwedischen Konzerns auch noch persönlich in der BSU abholen. Das sei so abgesprochen gewesen, heißt es aus der Behörde. Außerdem habe es in der Woche vor Bekanntgabe einen stetigen "Informationsaustausch" gegeben.
Vattenfall ist am Zug Wie es tatsächlich um das Verhältnis zwischen beiden Seiten bestellt ist, macht ein Zitat von Anja Hajduk deutlich. Angesprochen auf die mögliche Reaktion Vattenfalls auf die hohen Auflagen im Genehmigungsbescheid, sagte sie: "Ich mache mir keine Gedanken um Vattenfall, sondern um die Elbe. Es ist völlig unerheblich, wie Vattenfall reagiert." Das war deutlich. Ebenso deutlich wie die Ankündigung, dass derzeit und auch in naher Zukunft keine Gespräche mit Vattenfall vorgesehen sind. Jetzt sei es an Vattenfall, die Unterlagen zu prüfen und die nächsten Schritte abzuwägen, so Hajduk.
Sehr viel kleinlauter war die Senatorin vor ihren eigenen Leuten. Die Entscheidung sei ihr "sehr schwergefallen", betonte sie. Beim Informationsabend vor den Mitgliedern sprach sie von "Niederlage" und "Fehlern", über die sie offen mit den Parteifreunden diskutieren wolle. So viel Kommunikationsbereitschaft hätte sich Vattenfall im Genehmigungsverfahren auch manches Mal gewünscht. Anders als beim Energiekonzern ist Hajduk auf die Gunst ihrer Mitglieder auch angewiesen. Sie sind es, die in der kommenden Woche die weitreichendste Entscheidung in Hajduks politischer Karriere und in der noch jungen schwarz-grünen Regierung treffen müssen - die über den Fortbestand der Koalition.
Fast untergegangen in der MoorburgDebatte ist - wie von den Entscheidern mindestens gehofft, wenn nicht gar geplant - eine ganz andere Entscheidung. Sang- und klanglos wurde am Mittwoch die Universiade-Bewerbung abgesagt. Das Tauziehen um die Welt-Studentenspiele zog sich über Monate hin. Erst einstimmig von der Bürgerschaft beschlossen, wurde sie dann wegen der hohen Kosten "nicht weiter verfolgt". 50 Millionen Euro müsste Hamburg aus dem eigenen Haushalt zugeben.
Die Universiade war gewollt Anfang Juni äußerte sich Ole von Beust (CDU) erstmals öffentlich dazu. "Wir wollten und wollen die Universiade", so der Bürgermeister. Mitte Juli dann die Ernüchterung: Das Bundesinnenministerium würde die Universiade mit höchstens 25 Millionen Euro unterstützen. 25 Millionen zu wenig. Nach einer Krisensitzung hieß es trotzdem, es werde an der Bewerbung festgehalten. Und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon absehbar war, dass der Hamburger Haushalt dies nicht hergeben würde. Kein reines Hamburger Problem - nicht ohne Grund sind alle anderen deutschen Städte wegen der zu hohen Kosten frühzeitig ausgestiegen. Ole von Beust (CDU) wurde gedrängt, persönlich bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu intervenieren. Das tat er aber nicht. Im Gegenteil: Als Peter Struck, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, seinem Hamburger Amtskollegen Michael Neumann 25 zusätzliche Millionen zusagte, hat nach Strucks Aussagen die Hamburger CDU nach Berlin signalisiert, dass sie dieses Geld nicht will. Vor allem Finanzsenator Michael Freytag (CDU) soll die Universiade abgelehnt haben. Freytag wusste ganz genau - das kann sich die Stadt nicht leisten. Anstatt das aber ehrlich zuzugeben, wurde nach außen bis zuletzt an der Bewerbungsabsicht festgehalten. Intern wurde alles getan, um sich nicht bewerben zu müssen. Sponsoren, die bereits Millionen zugesagt hatten, wurden verprellt. Der Vertrag der Stadt mit dem Hochschulverband über die Bewerbung scheint vergessen. Anders als Sportexperten und Wirtschaftsvertreter sieht die CDU den Ruf Hamburgs als Sportstadt "überhaupt nicht beschädigt". Tatsächlich ist von der groß angekündigten Initiative zur Sportstadt Hamburg nicht viel übrig geblieben.
Statt des internationalen Großereignisses wolle man jetzt verstärkt in den Breitensport investieren, heißt es aus der CDU. Auch eine Entscheidung. Von der, wenn man sie tatsächlich umsetzen würde, sogar viele Hamburger gewinnen könnten.