Während sich in der Hamburger Politik derzeit alles um schwarz-grün dreht, dreht sich die Hamburger SPD mal wieder ausschließlich um sich selbst. Auslöser von zum Teil heftigen internen Diskussionen war diesmal der Parteichef höchstselbst. Ingo Egloff hatte in der vergangenen Woche seinen Kurs zum geplanten Steinkohlekraftwerk in Moorburg kurzerhand generalüberholt. Wetterte er an der Spitze seiner Partei und gemeinsam mit dem damaligen Spitzenkandidat Michael Naumann im Bürgerschaftswahlkampf noch gegen das geplante "CO 2 -Monster" - stattdessen forderten sie ein Gaskraftwerk - verbreitete Egloff nun in einem Meinungsbeitrag für die Tageszeitung "Die Welt" die Verpflichtung der Hamburger Politik, sich an Vattenfalls "Rechtsanspruch" für den Bau zu halten. Das Kraftwerk müsse demnach gebaut werden.
Die Reaktion der Genossen folgte prompt. Viele waren von den Aussagen schlicht "irritiert", der Lokstedter Distriktsvorsitzende Ernst-Christian Schütt sprach gar von einer "Gefährdung der Glaubwürdigkeit" der SPD, zumal die Ablehnung des Kraftwerks im SPD-Regierungsprogramm stehe. Zudem hatte die SPD-Fraktion bereits einen Bürgerschaftsantrag beschlossen, nach dem sich das Parlament gegen den Bau des Kohlekraftwerks aussprechen sollte.
Naumanns Auftritt war vorbei, bevor er begonnen hatte
Apropos Parlament: Da sollte der ehemalige Spitzenkandidat und neue SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Michael Naumann am Mittwoch seinen ersten Auftritt am Rednerpult haben. In der Aktuellen Stunde sollte es zur großen Abrechnung mit seinem Wahlkampf-Kontrahenten Ole von Beust (CDU) kommen. Sollte. Denn leider gab es ein - nennen wir es neutral "Missverständnis" - zwischen Michael Naumann und Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (CDU). Zwar stand Naumann auf der obligatorischen Rednerliste. Um tatsächlich auf dem Podium sprechen zu dürfen, bedarf es aber noch eines Handzeichens in Richtung des Präsidenten. Ein solches Winken hat es nach Ansicht von Röder nicht gegeben und so fuhr er in der Tagesordnung fort. Das ließ sich der beurlaubte Zeit-Herausgeber und Bürgerschaftsneuling Naumann so einfach aber nicht gefallen. Er habe sich - vielleicht auch vom Präsidenten unbemerkt - sehr wohl gemeldet. Meldung oder Nichtmeldung, das war die Frage, über die schließlich der Ältestenrat befinden musste. Die Mehrheit entschied: Nichtmeldung - und so war der Auftritt Naumanns vorbei, bevor er überhaupt begonnen hatte.
Dabei hatte der Journalist Naumann so viel versprechende Sätze vorbereitet wie: "Hamburgs Wähler durften sich auf die Wahlversprechen der Union verlassen. Sie sind getäuscht worden." Schön auch: "Tagelang haben die grün-schwarzen Verhandlungen in konspirativer Manier alle grünen Träume von einem offenen diskursiven Prozess der Politik ad absurdum geführt. Was an die Öffentlichkeit geriet, weist auf einen klassischen Wortbruch der CDU hin." Es sei nicht zu viel verraten, schließlich soll das Pamphlet zur Hamburger Schulpolitik nicht vergebens geschrieben und an anderer Stelle noch einmal eingebracht werden. Vielleicht noch diesen Hinweis Naumanns auf eine Bemerkung von Christa Goetsch aus dem Jahre 2004. Auf die Frage, wie sie Ole von Beust beschreiben würde, antwortete Goetsch dem Berliner Tagesspiegel: "Sympathisch, aber skrupellos in der Wahl seiner Koalitionspartner."
Sozialdemokraten wandern für die Selbsterfahrung
Vielleicht nicht skrupel- aber zumindest ein bisschen respektlos ist auch der neue Ton innerhalb der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Vorbei die Zeiten in der die grauen Eminenzen der Fraktion ohne jede Kritik davonkamen. Mit dem Einzug der jungen Wilden in die Fraktion bekommen auch langjährige Mitglieder "auf die Nuss", wenn sie sich öffentlich daneben benehmen. Und das ist durchaus gewünscht, denn Fraktionsvorstand Michael Neumann will neue Wege beschreiten. Den Anfang machen die Genossen an diesem Wochenende bei ihrer Klausurtagung im niedersächsischen Schneverdingen. Quasi ein Selbsterfahrungstrip. Denn neben der Parteiarbeit gehen die Hamburger Sozialdemokraten gemeinsam wandern - zwölf Kilometer auf dem europäischen Wanderweg. Dabei sollen sich die Genossen kennenlernen und "in lockerer Form menschlich näher kommen". Es ist ein Versuch der, wenn's allen gefällt, auch ohne Klausurtagung wiederholt werden soll. Michael Neumann will weg von verkrampfter Politik, will dass eine Fraktion nicht mehr nur als die Schwarzmaler wahrgenommen werden. Ein erster Schritt auf diesem Weg: Die SPD will beim neuen Senat "nicht das Haar in der Suppe suchen", will "generös" sagen, wenn sie einen Antrag des Senats "gut findet".
Die Partei befindet sich nach eigenem Bekunden auf der Suche. Auf der Suche nach sich selbst, ihrer neuen Rolle im Parlament und einem neuen Image für die Wähler. Ob sie sich finden wird, ist noch offen.