Dass die beiden Herren überhaupt miteinander gesprochen haben, ist schon ein Ereignis: Bürgermeister Ole von Beust und Vattenfall-Europa-Chef Tuomo...

Dass die beiden Herren überhaupt miteinander gesprochen haben, ist schon ein Ereignis: Bürgermeister Ole von Beust und Vattenfall-Europa-Chef Tuomo Hatakka trafen sich am Donnerstag an einem sorgsam geheim gehaltenen Ort, um über das derzeit heißeste Eisen der Rathaus-Politik zu reden: das umstrittene Kohlekraftwerk Moorburg, das Vattenfall bauen will, der Senat aber nicht haben möchte, jedenfalls nicht mehr.

Das Selbstverständliche ist nicht mehr selbstverständlich, seit der neue Senat formiert ist: Normal wäre es, dass sich der Regierungschef - zumal, wenn er wie von Beust Mitglied der an sich wirtschaftsfreundlichen CDU ist - mit einem Top-Investor in der Stadt zusammensetzt, wenn der ihn darum bittet. Doch monatelang herrschte zwischen Hatakka und dem Bürgermeister Funkstille. Die Gesprächswünsche des Vattenfall-Chefs fanden kein Echo.

Dabei hat sich von Beust strikt an die schwarz-grüne Kleiderordnung gehalten. Zuständig für den Streitfall Moorburg ist seit dem Start der schwarz-grünen Koalition GAL-Umweltsenatorin Anja Hajduk. Von ihrer Behörde hängt das abschließende Ja oder Nein zu dem Megaprojekt ab. Erteilt die Behörde Ende September die wasserrechtliche Genehmigung oder nicht? Die CDU hat der GAL in den Koalitionsverhandlungen freie Hand für die Ermessensentscheidung gelassen.

Dass sich von Beust und Hatakka nun doch getroffen haben, zeigt im Grunde nur, wie ernst die Lage ist. Wenn Umweltsenatorin Hajduk um die Genehmigung des von ihr abgelehnten Baus nicht herumkommt, wofür derzeit sehr viel spricht, dann ist Schadensbegrenzung angesagt - auf Seiten der Politik wie der Wirtschaft.

Nicht nur Moorburg ist das Streitthema Es geht mit anderen Worten um einen Kompromiss, der für alle tragbar ist. Da kommt das Angebot von Vattenfall gerade recht, die Leistung in einem der beiden Blöcke des Kraftwerks so zu reduzieren, dass der CO2-Ausstoß dem eines auch von den Grünen akzeptierten Gaskraftwerks entspricht. Schon möglich, dass jetzt das politische Geschick und die persönliche Autorität des Bürgermeisters gefragt ist, um bei der GAL für Akzeptanz dieses Vorschlags zu sorgen.

Nun ist Moorburg beileibe nicht das einzige Thema, das derzeit zwischen Senat und Wirtschaft steht. Die vom Senat nicht mehr gewünschte Ansiedelung des Möbelhauses Höffner in Eidelstedt, die ebenfalls derzeit in der Schwebe ist, berührt die Frage nach der Verlässlichkeit des Staates gegenüber Investoren. In dieser Woche musste Hajduk einräumen, dass sich die Realisierung der seit Jahren geplanten Hafenquerspange erneut verzögert, weil auf Wunsch der GAL eine weitere Trasse geprüft werden soll. Die Handelskammer kann ihre Ungeduld kaum mehr zügeln. "Was die Entscheidungen angeht, muss Fleisch an den Knochen kommen", sagt Handelskammer-präses Frank Horch. Er sei in Sorge wegen der "Entwicklungstendenzen" des schwarz-grünen Senats. "Bloß keine taktierenden Maßnahmen", warnt der Kammerpräses. Was er meint: keine Verzögerungstaktik der Politik - nicht beim Bau der Hafenquerspange und nicht bei anderen Projekten.

Und da, wo Entscheidungen des Senats gefallen sind wie beim Haushalt, gehen sie aus Sicht der Wirtschaft in die falsche Richtung. "Hände weg von Steuererhöhungen", hatte Horch gerade noch gewarnt. Das Gegenteil ist eingetreten: Um die ehrgeizigen Ziele in Bildung und Kinderbetreuung zu finanzieren, will der schwarz-grüne Senat die Grunderwerbssteuer erhöhen.

Direkte Konkurrenz von der Macht fernhalten Manchem Wirtschaftsvertreter dämmert nun, dass die Grünen es ernst meinen mit der Änderung der Politik. Es geht nicht nur um ein bisschen grüne Farbe hier und da, nicht nur um mehr Radwege und die Förderung des Zu-Fuß-Gehens.

In der Wirtschaft galt die Große Koalition vor der Wahl als bevorzugte Variante. Doch von Beust wollte das Bündnis mit der SPD auf keinen Fall. Die Union will die direkte Konkurrenz, wie früher die SPD in umgekehrter Richtung, von der Macht fernhalten. Mit der FDP ist in Hamburg auf absehbare Zeit ohnehin kein Staat zu machen. GAL hin oder her: Letztlich bliebt der Wirtschaft nichts anderes, als sich an die CDU zu halten. Das weiß natürlich auch Ole von Beust.

Vielleicht fällt seine aktuelle Bewertung des Verhältnisses Wirtschaft zu Senat auch deswegen nicht so negativ aus. "Es gibt keine Verstimmung. Es gibt ein Abwarten", sagt von Beust. Jenseits der organisierten Wirtschaft - also zum Beispiel der Handelskammer - beobachtet der Bürgermeister in den einzelnen Betrieben sogar ein "positives Abwarten".

Ganz so holzschnittartig ist der Gegensatz Wirtschaft und Senat ja ohnehin nicht. So hat der schwarz-grüne Senat von überraschender Seite kräftige Unterstützung erhalten. Der Unternehmensverband Nord, jeder Sozialromantik unverdächtig, unterstützt die zentrale Schulreform des Senats: die sechsjährige Primarschule. Die Kinder sollten "frühestens nach sechs gemeinsamen Schuljahren" getrennt werden, heißt es in einem schulpolitischen Positionspapier des Verbandes. Das klingt beinahe revolutionär für Unternehmer und zeigt: nicht nur in der Politik, auch in der Wirtschaft gibt es Bewegung.