Keinen Hamburger hat die weltweite Finanzkrise in dieser Woche so auf Trab gehalten wie Michael Freytag. Der Finanzsenator war erst für drei Tage in...

Keinen Hamburger hat die weltweite Finanzkrise in dieser Woche so auf Trab gehalten wie Michael Freytag. Der Finanzsenator war erst für drei Tage in Washington: beim Treffen des Internationalen Währungsfonds, bei der Notenbank und auf einem Dutzend anderer Termine. Am Dienstag sprang er in Berlin aus dem Flieger - und hatte vor der Konferenz der Finanzminister kaum Zeit zum Rasieren. Am Mittwoch informierte er alle Hamburger Bürgerschaftsfraktionen, am Donnerstag reiste er mit Bürgermeister Ole von Beust wieder nach Berlin - zur Ministerpräsidentenkonferenz, an deren Vorbesprechung er teilnahm. Und am Freitag hielt er eine Rede zur Bankenrettung im Bundesrat. An diesem Wochenende will der Mann von Aktien, Derivaten und Hypotheken nun nichts mehr hören. "Am Sonnabend mache ich eine Radtour mit meiner Frau durchs Alstertal. Mindestens 20 Kilometer", so Freytag. "Vor allem werde ich garantiert das Handy ausgeschaltet lassen."

Was das Rettungspaket angeht, gibt sich der Finanzsenator optimistisch: "Ich erwarte, dass diese Maßnahmen die Wirtschaft stabilisieren werden." Für Hamburg würden im schlimmsten Falle rund 224 Millionen Euro an Kosten entstehen - frühestens 2012. Es bestehe auch die Chance, dass die Bankenanteile mit Gewinn verkauft werden können, und der Haushalt profitiere. Nach den bisherigen Zahlen sei kein Einbruch der Steuereinnahmen zu verzeichnen, so Freytag. Er werde den Haushalt wie geplant am 19. November in die Bürgerschaft einbringen.

Weniger positiv sieht SPD-Fraktionschef Michael Neumann die Lage. "Der Haushalt hat schon vor der Krise ein strukturelles Defizit aufgewiesen", so der Spitzengenosse. "Der Senat darf die Finanzkrise nicht benutzen, um seine unsolide Haushaltspolitik zu kaschieren."

Völlig falsch sei es, jetzt die Steuern zu erhöhen, wie der Senat es beim Grunderwerb beschlossen habe. Das widerspreche den Ratschlägen sämtlicher Experten. "Die Grunderwerbssteuer trifft ja nicht nur Leute, die sich eine Villa kaufen", so Neumann. "Sie wird auch beim Bau neuer Wohnungen auf künftige Mieter umgelegt. Deswegen ist das, was Schwarz-Grün macht, eine allgemeine Steuererhöhung und nichts anderes." Die Grünen bereiten derweil das Feld fürs Schuldenmachen. "Wie sich die Krise auf die Konjunktur auswirkt, kann derzeit niemand sagen", so GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. Von dem Vorschlag der CDU-Abgeordneten Barbara Ahrons, als erstes das grüne Lieblingsprojekt Stadtbahn zu streichen, hält Kerstan naturgemäß wenig. "Wenn die Steuereinnahmen wegbrechen, wonach es bisher nicht aussieht, muss man den gesamten Haushalt überprüfen, nicht nur die grünen Projekte." Es wäre aber falsch, mitten in einer Rezession die Ausgaben zurückzufahren, so Kerstan. "Dadurch würde man die Krise verschärfen. Das hat man nach 2001 im Bund gesehen. Deswegen muss man für so einen Fall eher über eine maßvolle Kreditaufnahme nachdenken."

Für den Fall, dass es ganz schlimm kommt, ist man im Rathaus gut aufgestellt - jedenfalls was moderne Methoden der Stressbewältigung angeht. Wenn von Beust etwas tierisch auf den Wecker geht, ist neuerdings immer ein tiefes Grunzen aus dem Bürgermeisterbüro zu hören. Das Geräusch kommt von einem kleinen rosa Plastikschwein, das er vor der Wahl auf dem Blankeneser Wochenmarkt geschenkt bekommen hat. Wenn man draufdrückt, beginnt es täuschend echt zu oinken. Mittlerweile ist das Tier so beliebt, dass fast jeder, der beim Senatschef aus- und eingeht, einmal draufdrückt.

Anders wird Senatssprecher Christof Otto seinen Stress los. Er hat in seinem Büro drei kleine Lederbälle liegen. Sobald sich die politische Lage zuspitzt, beginnt der HSV-Fan die Lederpillen quer über Sofa und Sessel in die Ecke zu dreschen. So weiß man in der ganzen Senatskanzlei sofort, wenn's in der Regierung Ärger gibt: Dann wackeln bei Otto die Wände.

Besonders laut war es im Rathaus, als kürzlich die Spielmacherin der HSV-Bundesligafrauen, Silva Saländer, dort ein Praktikum machte. Da wurde beim Senatssprecher um die Wette gekickt. "Gegen die hatte ich aber null Chance", so Otto.

Sich wieder rasieren und die Socken wechseln können die neun Bürgerschaftsabgeordneten, die letzte Woche mit von Beust in Marseille waren. Die waren nämlich am Freitag wegen eines Staus so spät zum Flughafen gekommen, dass sie nur noch mit Handgepäck in den Flieger springen konnten. Ihre Koffer wurden erst am Mittwoch ins Rathaus geliefert. Offenbar traut man Hamburger Politikern in Frankreich nicht über den Weg. Die Koffer kamen nämlich deswegen so spät in Hamburg an, weil sie nicht nur einen intensiven Sicherheitscheck durchlaufen mussten. Auch der Zoll nahm das Gepäck genau unter die Lupe.