Mit der sommerlich-dämmerigen Beschaulichkeit im Rathaus war es in dieser Woche schlagartig vorbei. Eine kleine Aktennotiz aus der...
Mit der sommerlich-dämmerigen Beschaulichkeit im Rathaus war es in dieser Woche schlagartig vorbei. Eine kleine Aktennotiz aus der Wirtschaftsbehörde schreckte die schwarz-grünen Koalitionäre auf, egal, ob sie noch im Urlaub waren oder schon wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt sind.
Jetzt gilt erst einmal die Politikerregel Nummer eins für Krisenfälle, deren Dynamik noch nicht absehbar ist: regungsloses Abwarten in der Hoffnung, dass andere Fehler machen, auch Totmannstellung genannt.
Im Brennpunkt der Ereignisse, die den Zusammenhalt der Koalitionäre schlagartig auf die Probe stellen, steht Wirtschafts-Staatsrat Gunther Bonz. Der parteilose Top-Beamte ist der Autor des Vermerks, in dem es um eine mögliche Geheimabsprache der Spitzen von CDU und GAL am Rande der Koalitionsverhandlungen geht. Am 18. Juni, also wenige Wochen nach dem Start des neuen Senats, trafen sich Vertreter der Wirtschafts- und der Stadtentwicklungsbehörde, um über das weitere Vorgehen bei der geplanten Ansiedlung von Möbel Höffner in Eidelstedt zu beraten. Nach dem Behördentreffen, an dem die Senatoren Axel Gedaschko (Wirtschaft, CDU) und Anja Hajduk (Stadtentwicklung, GAL) teilnahmen, hielt Bonz in dem Vermerk aus seiner Sicht wesentliche Inhalte fest.
"Zunächst stellt Frau Hajduk klar, dass es am Rande der Koalitionsverhandlungen ... eine mündliche und verbindliche Absprache gegeben habe, das Projekt nicht zu realisieren", schreibt Bonz. Für die GAL sei der Verzicht auf die Höffner-Ansiedelung "eine wesentliche Bedingung für das Zustandekommen der Koalitionsvereinbarungen" gewesen. Zu guter Letzt benennt Bonz auch die Teilnehmer des angeblichen Geheimbunds: außer Hajduk Finanzsenator und CDU-Chef Michael Freytag sowie Bürgermeister Ole von Beust.
Schweigegebot kaum zufällig gebrochen Der nüchterne Vermerk ist in Wahrheit brutalst möglicher Klartext, der dem Senat ein massives Glaubwürdigkeits-Problem beschert hat. Wenn es schon Geheimabsprachen gibt, dürfen sie logischerweise nicht herauskommen. Dieses Schweigegebot hat Bonz, wohl kaum zufällig oder gar unbeabsichtigt, gebrochen, indem er den ganzen Vorgang schriftlich festgehalten hat. Für die GAL ist die Sache unangenehm, weil sie mit dem Versprechen von mehr Transparenz in der Politik angetreten ist. Bonz' Formulierungen erwecken überdies den Eindruck, die Union habe sich bei dem Großprojekt von der GAL erpressen lassen.
Der schwarz-grüne Senat hat sich selbst, gewissermaßen ohne Fremdeinwirkung, in große Schwierigkeiten gebracht. "Hausgemachter, völlig unnötiger Mist" war noch eine der harmloseren Umschreibungen, die in dieser Woche aus dem Regierungslager zu hören waren. Dass die Lage nicht eskalierte, lag vor allem daran, dass alle Hauptakteure derzeit noch im Urlaub sind: von Beust, Freytag, Hajduk und auch Bonz. Und keiner der Genannten verspürte aus nahe liegenden Gründen die Neigung, sich aus der Sommerfrische zu Wort zu melden.
So kam es im Rahmen des ersten Krisenmanagements nur zu den unbedingt erforderlichen Frontbegradigungen. "Die zum Zeitpunkt der Koalitionsverhandlungen nicht abgeschlossenen Verfahren und Prüfungen zum Bebauungsplan Eidelstedt 68 ('Möbel Höffner') werden von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt weiter geführt", erklärte die Hajduk-Behörde. Die Botschaft lautete: "Prüfung erfolgt strikt nach Recht und Gesetz." Ja, was denn sonst? Und Senatssprecher Christof Otto betonte wacker: "Es gibt keine Geheimabsprachen außerhalb des Koalitionsvertrags, auch nicht zu Möbel Höffner."
Offensichtlich hat Bonz auf eigene Faust gehandelt Richtig überzeugen konnte das alles nicht mehr. Was genau zwischen Hajduk, Freytag und von Beust besprochen wurde, wird wohl nie herauskommen. Zwei Varianten sind denkbar: Entweder es ist so, wie Bonz geschrieben hat. Dann müsste Hajduk mit erheblicher politischer Naivität geschlagen sein, was ihr niemand ernsthaft unterstellen mag. Oder die CDU hat Hajduk als der für das Großprojekt verantwortlichen Senatorin freie Hand gelassen, alles noch einmal auf Herz und Nieren zu prüfen, um so einen Hebel zur Ablehnung des Projekts zu finden, gegen das die Grünen stets waren. Das Modell Moorburg lässt grüßen.
So oder so - Bonz, der immer für die Ansiedelung des Möbelriesen war, hat einen Riss im schwarz-grünen Lager deutlich gemacht. Sein Vermerk kann den Senat eventuell teuer zu stehen kommen. Bei dem erwartbaren Rechtsstreit nach einer Ablehnung des Projekts könnte sich Höffner-Inhaber Kurt Krieger darauf berufen, um zu beweisen, dass das Nein eine rein politische Entscheidung war. War das das Motiv?
Offensichtlich hat Bonz auf eigene Faust gehandelt. Umwelt-Staatsrat Christian Maaß (GAL), der am 18. Juni dabei war, zeigte sich in dieser Woche völlig überrascht von dem Vermerk. Und auch Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU), Bonz' Chef, ließ mitteilen, dass er nichts von dem Schriftstück gewusst habe. Wenn sein Staatsrat in der übernächsten Woche aus dem Urlaub zurückkehrt, wird er viele Fragen beantworten müssen. Dann könnte es sehr schnell einsam um ihn werden.