Die Woche im Rathaus

Zwischen dem Hamburger Rathaus und dem klassizistischen Pendant in Altona herrscht derzeit ziemlich dicke Luft - genauer gesagt zwischen den Akteuren der Grünen in beiden Häusern. "Kuckucksei", "Trickserei" und "Blödheit" sind noch die freundlicheren Etikettierungen, mit denen die GALier über ihre Parteifreunde herfallen.

Der grüne Zwist hat einen Namen: Joachim Müller, von allen in der Partei Jo gerufen. Müller soll nach dem Willen der schwarz-grünen Koalition in Altona am Donnerstag zum Bezirksamtsleiter gewählt werden. Nachdem er per Interview Schwarz-Grün zum Modell für die Landesebene erhoben hatte, forderten Parteichefin Anja Hajduk und ihr Stellvertreter Jens Kerstan die Altonaer Parteifreunde prompt auf, den Kandidaten nicht zu wählen.

Müller ist eine Art grünes Urgestein. In aller Unbescheidenheit spricht er selbst gern davon, dass er die Partei mitgegründet habe. Müller wollte immer Avantgarde sein: Als der Fundamentalismus bei der GAL noch tobte, wollten Müller und seine Realo-Mitstreiter die Partei regierungsfähig machen. Als Rot-Grün 1997 in Hamburg Realität geworden war, wurden andere Grüne Senatoren und Staatsräte, nicht Müller. Fast alles, was Müller in den folgenden Jahren innerparteilich versuchte, ging schief. Ein Beispiel: 2001 kandidierte er gegen Krista Sager um Listenplatz 1 bei der Bürgerschaftswahl und verlor.

Parteifreunden war nicht immer klar, wofür Müller stand

Seinen Parteifreunden war nicht immer klar, wofür Müller politisch stand. Mal trat er als Oberrealo auf, dann kandidierte er im Tandem mit der Parteilinken Antje Radcke für den Doppelvorsitz der Partei (2000, vergeblich). Bezeichnend ist, was Martin Schmidt, GAL-Urgestein und Oberrealo wie Müller, über ihn jetzt geschrieben hat. Ausschlaggebend für Müllers Scheitern sei stets gewesen, "dass er seine Kandidatur immer mit Einschätzungen der politischen Lage und der Partei begründet hat, die von keiner Empirie angekränkelt waren". Schmidt: "Das hat bei vielen den Eindruck hinterlassen, dass Jo politisch unseriös ist." Nicht nur Grüne fragen sich inzwischen, warum ausgerechnet der "politische Sponti, Spieler und Desperado" (ein langjähriger Weggefährte) Müller der Bezirksamtsleiter- Kandidat von CDU und GAL geworden ist. Verantwortlich dafür ist eine Mischung aus Dilettantismus, Naivität, viel Chuzpe und vermeintlicher Bauernschläue. Müller hat sich bei CDU und GAL im Altonaer Rathaus selbst ins Spiel gebracht. Seine eigenen Parteifreunde in der Bezirksfraktion waren zunächst darüber nicht sonderlich erbaut, denn sie hatten einen eigenen Kandidaten: den Verwaltungsrichter Ulf Möker, Arbeitsstab- Leiter des PUA "Filz" und bis vor Kurzem Vorsitzender der Wedeler Grünen. Mökers Ruf ist so untadelig, dass sogar die CDU-Bürgerschaftsfraktion den Richter Mitte der 90er-Jahre für den Arbeitsstab im PUA "Hamburger Polizei" vorgeschlagen hat. Trotzdem wollten die Altonaer Christdemokraten Möker nicht.

Für die CDU hat die Variante Müller etwas Verführerisches

Die CDU hatte mit dem Verfassungsrichter Gerd Augner aus Blankenese einen eigenen Vorschlag. Dessen ausgeprägt konservatives Profil war für die GAL aber nicht akzeptabel. Nachdem der Altonaer CDUBürgerschaftsabgeordnete Wolfhard Ploog abgewinkt hatte, kam die CDU plötzlich mit dem Vorschlag Müller. Aus Sicht der CDU hatte diese Variante etwas Verführerisches: ein grüner Kandidat mit schwarz-grüner Visitenkarte. Unter dem Druck, zu einem Ergebnis in der Kandidatenfrage kommen zu müssen, stimmte die Bezirksfraktion zu. Für alle anderen Grünen, auch den Kreisvorstand, kam die Müller-Personalie völlig überraschend. "Wir sind ausgebootet worden", sagt ein Landesvorständler. Die Parteispitze hat die Kandidatur Müllers von Beginn an nicht unterstützt, sondern nur unter der Voraussetzung akzeptiert, dass sich Müller landespolitisch zurückhält. Dazu ist es ja nicht gekommen. Schon jetzt ist Schwarz- Grün auf Landesebene beschädigt: Müller hat seine Kandidatur und mögliche Wahl einseitig politisch instrumentalisiert und seine Partei damit gespalten. Mehr noch: Wird Müller gewählt, fällt jeder Fehler in seiner Amtsführung sofort auf Schwarz-Grün insgesamt zurück. Viele GALier sehen es nun als Risiko, wenn ausgerechnet ein schillernder Kandidat wie Müller der erste Bezirksamtsleiter der Partei mit den hohen moralischen Ansprüchen würde. Etliche Grüne bezweifeln, dass Müllers Ego es zulässt, sich nur auf die Sacharbeit im Altonaer Rathaus zu konzentrieren. "Bei Jo geht es immer um die Machtfrage", sagt ein Weggefährte. Und diewird bekanntlich im Hamburger Rathaus entschieden.