Die Woche im Rathaus
Im Senat geht es im Moment zu wie in einer Schulklasse vor den Versetzungszeugnissen. Die Wackelkandidaten müssen sich ernsthafte Sorgen machen. Selbstverständlich verteilen zunächst einmal die Wähler am 24. Februar die Noten. Ungewöhnlich und zusätzlich ungemütlich wird die Lage für die Senatoren aber dadurch, dass sich Bürgermeister Ole von Beust für den Fall des Wahlsiegs vorab bemerkenswert offen über die Leistungen seiner Kabinettsmitglieder äußert.
"Das sind überwiegend gute Leute." So charakterisierte der Bürgermeister sein Senatsteam vor einer Woche im "Kreuzverhör" von Abendblatt und Hamburg 1. Klingt im ersten Moment recht freundlich. Aber der Satz schließt auch ein, dass es, um es freundlich auszudrücken, nicht so gute Senatoren gibt. Und mit denen wird von Beust kaum sein neues Kabinett besetzen wollen. Eben. In dieser Woche wurde der Bürgermeister noch deutlicher. "Ich mache keine Schulpolitik durch Entlassungen", sagte von Beust beim Aufeinandertreffen der fünf Spitzenkandidaten in der Abendblatt-Passage. Eine Leserin hatte in durchaus scharfer Form danach gefragt, wie es angehen könne, dass Bildungssenatorin Alexandra Dinges- Dierig (CDU) noch im Amt sei. Von Beust hatte sie öffentlich gerüffelt, weil sie vorgeschlagen hatte, den Sonnabend- Unterricht wieder einzuführen. Jetzt sagte von Beust, seine Senatorin habe ein "feuriges Temperament", das er hin und wieder bremsen müsse. Unterstützung für Dinges- Dierigs Bildungspolitik sieht anders aus.
Ole von Beust nahm auch Senator Nagel aufs Korn
Auf derselben Veranstaltung nahm der Bürgermeister auch seinen Innensenator aufs Korn. Udo Nagel (parteilos) hatte sein Dienstzimmer kurzerhand zum Raucherzimmer erklärt, obwohl in den Behörden seit Anfang des Jahres ein generelles Rauchverbot gilt. "Wer Herrn Nagel kennt, weiß: Er ist ein unglaublich fanatischer Pfeifenraucher und sucht immer nach Tricks, um dem Verbot entgehen zu können", gab von Beust schon einmal eine etwas ruppige Tonlage vor.
Dann schlug die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs voll zu. "Aber ich muss sagen: Hier werde ich ihm das Handwerk legen. Anfang März ist Schluss damit", gab von Beust zu Protokoll. Das war, um im Bild zu bleiben, harter Tobak. Nagel mag sich immerhin darüber freuen, dass er offensichtlich auch einem dritten Von-Beust-Senat angehört, wenngleich nikotinfrei.
Diese öffentlichen Abkanzelungen seiner Senatoren passen im Grunde nicht zu von Beust und seinem eher unaufgeregten Regierungsstil. Bislang galt das Prinzip hanseatischer Zurückhaltung im öffentlichen Umgang miteinander. Seit Beginn des Wahlkampfes herrscht allerdings eine andere Gangart. Die Kampagne ist ganz auf Ole von Beust und seine Popularität zugeschnitten. In erster Linie vertritt er die zentralen Wahlaussagen der CDU. Jedes auch unabsichtliche Störmanöver, das eine unerwünschte Diskussion eröffnen und die CDU in die Defensive bringen könnte, wird sofort abgewürgt.
Frontbegradigung nennt man das. Und die schließt kleine Geländeverluste ein, die für den Gesamterfolg als vertretbar angesehen werden. So kostete es Ole von Beust in dieser Woche nur einen Augenblick, um ein Projekt auf Eis zu legen, an dem die Finanzbehörde lange gearbeitet hatte: den Verkauf des historischen Gebäudekomplexes der Baubehörde an die Firma Garbe. Die öffentliche Debatte war davon bestimmt, dass der Kaufpreis zu niedrig angesetzt sein könnte, was ein schlechtes Geschäft für den Senat bedeutet hätte.
"Mit mir nicht", lautete das bürgermeisterliche Verdikt
Der Senat Hand in Hand mit Spekulanten auf diese Diskussion wollte sich von Beust mit Blick auf Wählerstimmen gar nicht erst einlassen. Genau so abrupt hatte er auch bei der unpopulären Idee seiner Schulsenatorin gehandelt, den Sonnabend- Unterricht wieder einzuführen. "Mit mir nicht", lautete das bürgermeisterliche Verdikt in kürzester Zeit.
Vor ein paar Wochen wurde bekannt, dass Senat und CDUFraktion kurz vor der Wahl das Beamtengesetz ändern wollten, wovon einige Top-Beamte, darunter von Beusts Planungsstab-Leiter Nikolas Hill, profitiert hätten. Kaum hatte die Opposition den Vorwurf des "schwarzes Filzes" erhoben, zog CDU-Fraktionschef Bernd Reinert das Vorhaben zurück. Ein Eindruck drängt sich auf: Die lockere Gelassenheit des Regierens, die von Beust lange auszeichnete, die Politik der langen Leine, ist verschwunden. Vielleicht sind es auch die für die CDU nicht immer erfreulichen Umfragen, die zu einer gewissen Nervosität und operativen Hektik geführt haben.
Frontbegradigungen im Wahlkampf gibt es auch bei anderen Parteien. Da hatten sich CDU und GAL in Altona endlich auf die Verkehrsberuhigung der Stresemannstraße geeinigt. Doch der Termin bei Verkehrsstaatsrat Gerhard Fuchs (CDU) am vergangenen Donnerstag wurde im letzten Augenblick abgesagt. Die Grünen-Strategen im Rathaus wünschten keinen schwarz-grünen Erfolg mehr vor der Wahl. Die Debatte über diese Farbkombination hat die eigene Wählerklientel verstimmt, die Umfragewerte rutschen. Manchmal können im Wahlkampf plötzlich die Erfolge der eigenen Politik ungelegen kommen. Merkwürdig.