Gute Nachrichten sind beim Reizthema Elbphilharmonie für den schwarz-grünen Senat derzeit Mangelware. Finanzsenator Michael Freytag hatte diese...
Gute Nachrichten sind beim Reizthema Elbphilharmonie für den schwarz-grünen Senat derzeit Mangelware. Finanzsenator Michael Freytag hatte diese Woche eine. Der Christdemokrat verkündete in der Senatsrunde am Dienstag aufgeräumt, dass es ihm gelungen sei, den neuen Geschäftsführer der städtischen Realisierungsgesellschaft (ReGe) endlich bei seinem alten Arbeitgeber loszueisen. Am heutigen 1. November soll Heribert Leutner als Chefmanager des Senats für das Großprojekt seine Arbeit aufnehmen.
Die Kabinettsrunde quittierte die Botschaft Freytags mit Erleichterung. Die Senatoren sind nach all den Tartarenmeldungen von der Großbaustelle in der HafenCity bescheiden geworden, denn eigentlich war der Dienstantritt Leutners lange überfällig. Bürgermeister Ole von Beust hatte den alten ReGe-Boss Hartmut Wegener schon vor sechs Wochen entlassen. Seit Mitte September eine Vakanz auf dem wichtigsten Posten für das Großprojekt - das ist wahrlich kein Ausweis für politische Führung.
Nach dem Prinzip "Tu Gutes und rede drüber!" fand Freytag es offensichtlich gleichwohl angemessen, den neuen Mann an der Spitze der ReGe auch der Öffentlichkeit vorzustellen. Doch davor war Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos), die als Hauptverantwortliche für die Elbphilharmonie wegen der exorbitanten Kostensteigerungen und der Zeitverzögerungen mächtig unter Druck steht. Endlich wollte die parteilose Senatorin auch mal eine gute Nachricht verkünden. So geschah es. Dumm nur, dass weder von Welck noch Leutner in der Pressekonferenz etwas Neues zu berichten hatten. Die drängenden Fragen nach den Kosten und dem Eröffnungstermin bleiben unbeantwortet.
Nichts soll mehr schiefgehen im Kaispeicher A Ganz im Stillen haben dagegen die hochkarätigen Experten ihre Arbeit aufgenommen, von deren Wirken ebenfalls viel für das Gelingen des ins Schlingern geratenen Projekts abhängt: der neue Aufsichtsrat der Elbphilharmonie Bau KG und vor allem der sogenannte Bauausschuss, der darauf achten soll, dass in Zukunft nichts mehr schiefgeht im Kaispeicher A.
"Die Kompetenz der bisher Beteiligten reichte nicht aus. Wir brauchen dringend externen Sachverstand", hatte von Welck gesagt, nachdem Wegener entlassen worden war. Im Grunde war das eine Bankrotterklärung, die für von Welck nur dadurch etwas abgemildert wurde, dass sie selbst erst seit Mai für das Bauprojekt im Senat verantwortlich ist. Geballten Sachverstand hat ein Unternehmen in den Aufsichtsrat entsandt, das über beste Kontakte ins Rathaus verfügt: die zum Otto-Konzern gehörende ECE-Gruppe, die 97 Einkaufszentren betreibt und zum Teil gebaut hat. Konzernchef Michael Otto zählt zu den Großspendern für die Elbphilharmonie. Sein Bruder Alexander, ECE-Chef, unterstützt andere wichtige Projekte der Stadt finanziell.
Elbphilharmonie-Aufsichtsratsmitglied ist jetzt Jens-Ulrich Maier, ECE-Geschäftsführer Bau. Dessen letztes Projekt war das Braunschweiger Schloss, ein Einkaufszentrum, das bundesweit für Furore sorgte. Außerdem sitzen jetzt ECE-Syndikus Peter Waldheuer und Frank Tappendorf, ECE-Bereichsleiter Baumanagement, mit im Elbphilharmonie-Boot.
"Der Vertrag ist das Papier nicht wert" Die ECE-Manager haben sich zusammen mit ihren Aufsichtsratskollegen schon in die Materie eingearbeitet. Besonders aufschlussreich war der Blick der Bauprofis in das Vertragswerk, das die ReGe mit dem Generalunternehmer Hochtief geschlossen hat. Ex-ReGe-Chef Wegener hatte sich stets dafür gelobt, dass dort ein Festpreis von 241 Millionen Euro für den Bau festgelegt worden war. Die Bau-Experten waren erschüttert über die schwammigen Paragrafen, die Hochtief viele Schlupflöcher lassen. Die Profis kamen zu dem niederschmetternden Ergebnis, dass der Vertrag das Papier nicht wert ist, auf dem es steht. Die daraus resultierenden Kostensteigerungen - die Zahlen schwanken zwischen 100 und 150 Millionen Euro - soll ein ECE-Mann im Bauausschuss so kommentiert haben: "So etwas wie die Elbphilharmonie ist uns noch nie passiert." Sehr ermutigend klingt das alles nicht.
Es scheint auch Hinweise darauf zu geben, dass der Ex-ReGe-Chef versucht hat, den Generalunternehmer Hochtief und die Architekten Herzog & de Meuron gegeneinander auszuspielen. "Hochtief und die Architekten arbeiten zum ersten Mal richtig zusammen", heißt es jetzt aus dem Rathaus. Offensichtlich existierte zwischen Baufirma und Architekten bislang nicht einmal ein abgestimmter Terminplan.
Der Kultursenatorin, die alles andere als eine Bau-Expertin ist, muss man viele Vorwürfe machen. Wahr ist aber auch, dass sie mit dem Elbphilharmonie-Projekt ein sehr schwieriges Erbe übernommen hat. Sie hat Wegener als Problem erkannt, und erst von Beust und dann auch Finanzsenator Freytag davon überzeugt, dass hier ein Trennschnitt nötig ist. Vielleicht kommt der Kurswechsel ja gerade noch zur rechten Zeit.