Die Woche im Rathaus

Alle großen Ideen scheitern an den Leuten. Bertolt Brecht

An einem mangelt es derzeit nicht in der Hamburger Politik: an gewichtig daherkommenden Grundkonzepten, wie diese Stadt größer, schöner, klüger, kreativer, familienfreundlicher, gerechter, freier und natürlich weltbedeutender werden solle. Keine Partei, die etwas auf sich hält, kann im beginnenden Wahlkampf offenbar auf ein sogenanntes "Leitbild" verzichten. Auch in dieser Woche wurde in der Bucerius Law School wortreich darüber diskutiert. Ob das derzeit so angesagte Gewurschtel im Abstrakten den Bürgern dieser Stadt am Ende etwas bringt, ist fraglich.

Der CDU-Senat begann das Rennen um die schönste Hamburg-Vision 2001 mit dem vom damaligen Finanzsenator Wolfgang Peiner entwickelten Motto "Wachsende Stadt". In kaum einer Pressemitteilung fehlte fortan der Hinweis auf das hehre Ziel. Neidisch blickte man bei SPD, Grünen und FDP auf die durchaus für Aufbruchstimmung sorgende Kampagne des CDU-Senates - und ließ sich nicht lumpen.

Also nannte die FDP ihr Wahlprogramm "Freie Stadt Hamburg", die GAL fordert die "kreative Stadt", und SPD-Fraktionschef Michael Neumann gab gleich einen 400-Seiten-Band heraus, in dem es um das SPD-Leitbild "Menschliche Metropole" geht.

Bei all dem fragt sich der Laie: Was soll der Wähler mit auf Jahrzehnten angelegten Visionen anfangen, wenn er die Erfahrung macht, dass schon einfache Versprechungen den Wahltag nicht überleben? Wäre es da nicht sinnvoller, wenn Politik im Konkreten ehrlicher würde, statt ins großspurig Diffuse zu fliehen?

Wahr ist, dass das CDU-Leitbild der "Wachsenden Stadt" zumindest einen Beitrag zu einer besseren Stimmung in Hamburg geleistet hat. Allerdings hat der Senat sich in seiner konkreten Politik oft nicht an eigene Vorgaben gehalten. Während die Bildung gefördert werden sollte, wuchsen die Schulklassen. Während Familien unterstützt werden sollten, wurden Gebühren für Vorschule, Kita-Essen und das Büchergeld eingeführt. Während man Zuwanderung fördern wollte, rühmte man sich der Abschiebung gut ausgebildeter Afghanen. Und während man angeblich um die klügsten Köpfe kämpft, vertreibt man Studenten mit Gebühren und einer unausgereiften Unireform.

Offenbar passen Vision und Alltag nicht immer zusammen. Ein Grund mehr, warum Politiker nicht all ihre Energien in Leitbild-Debatten investieren sollten. Irgendjemand muss ja auch mal gucken, wo die Menschen wirklich der Schuh drückt.


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In Hamburg läuft es für die SPD suboptimal. Ein Grund, warum Nachwuchsgenossen sich auch andernorts nach Karrierechancen umschauen. So war zu hören, dass Bildungspolitikerin Britta Ernst als Schulsenatorin in Bremen gehandelt wurde. Auch SPD-Fraktionschef Michael Neumann, der einen guten Draht zu Bremens SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen hat, war für dessen Senat im Gespräch - als Innensenator. Aber Neumann winkte ab: "Ich will Innensenator in Hamburg werden."


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Der Streit zwischen Schwulen und Moslems in St. Georg könnte Einfluss auf die Landespolitik bekommen. Die Centrums-Moschee hatte einen von der GAL initiierten Stadtteildialog abgesagt. Begründung: Man wolle sich nicht "von Schwulenaktivisten auf der Nase herumtanzen lassen". Der Koran verbiete Homosexualität. Dennoch will Bürgermeister Ole von Beust (CDU) einen Staatsvertrag mit den Muslimen schließen. Der schwule GAL-Abgeordnete Farid Müller will nun in einer Anfrage wissen, mit welcher moslemischen Organisation die Stadt verhandeln will. "Toleranz ist keine Einbahnstraße" stellte Senatssprecher Christof Otto klar. Man habe "klare Signale gesandt", dass es in Fragen des Umgangs mit anderen Lebensentwürfen bei der Meinungsäußerung "Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen".


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SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann braucht Ruhe und wird am Mittwoch erst einmal für einen Monat verschwinden - nach Southwest Harbor in den US-Bundesstaat Maine. Dort lässt er in einer zweiwöchigen Reha die Folgen seines Sehnenrisses behandeln - und geht danach in seinem in den USA liegenden Boot auf einen zweiwöchigen Segeltörn.