Als die neue Sportsenatorin Karin von Welck am Montagnachmittag Raum 151 im Rathaus verließ, wirkte ihr Gesicht wie versteinert. Aus gutem Grund: Gerade hatte die parteilose Senatorin mit dem Schwerpunkt Kultur eine 180-Grad-Wende vollzogen - ein Manöver, das auch in der Politik riskant ist und selten ohne Kollateralschäden verläuft.
Wegen des massiven Drucks vor allem der Handelskammer hatte sich von Welck bereit erklärt, die Finanzierung der Universiade 2015 noch einmal intensiv zu prüfen. Dabei hatte die Senatorin erst am Freitag das Aus der Hamburger Bewerbung für die Studenten-Weltspiele verkündet. Der Grund: zu hohe Kosten für die Stadt.
Und nun die Rolle rückwärts. Da war es kein Wunder, dass Reinhard Wolf, Syndikus der Handelskammer, seine Genugtuung über den Erfolg nach dem Gespräch mit der Senatorin kaum verbergen konnte. Die Bewerbung um die Universiade ist zwar nicht der Nabel der Landespolitik, aber die Hartnäckigkeit, mit der dieser begrenzte Konflikt ausgetragen wird, wirft ein Schlaglicht auf das Klima zwischen dem Senat und der mächtigsten Nichtregierungs-Organisation der Stadt - der Handelskammer: Trotz der sommerlichen Temperaturen in dieser Woche herrscht zwischen Rathausmarkt und Adolphsplatz, dem Sitz der Kammer, Eiszeit.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Sport die beiden entzweit. In der Handelskammer ist unvergessen, dass und vor allem wie Bürgermeister Ole von Beust allen Hamburger Olympia-Träumen ein Ende bereitete. Unabgesprochen und im Alleingang hatte von Beust Ende 2007 die Dauer-Bewerbung um die Ausrichtung des Weltereignisses per Interview gekippt, nachdem absehbar war, dass der Deutsche Olympische Sportbund München als deutschem Bewerber für die Winterspiele 2018 den Vorzug vor Hamburg für den Sommer 2016 geben würde. Die Strategen in der Handelskammer, für die große Sportereignisse ein wichtiger Standortfaktor sind, schäumten vor Wut darüber, wie von Beust vollendete Tatsachen geschaffen hatte.
Es gibt eine neue Schroffheit im Umgang von CDU-geführtem Senat und Handelskammer miteinander - diese Abkehr von der stillen Diplomatie ist keinesfalls auf das Thema Sport beschränkt. So wurde im Senatsgehege mit hochgezogener Augenbraue registriert, wie der soeben ins Amt gewählte Kammer-Präses Frank Horch zusammen mit der Handwerkskammer und den Unternehmensverbänden den schwarz-grünen Koalitionsvertrag aufs Korn nahm, kaum dass die Tinte der Unterschriften trocken war: mit einem offenen Brief an Ole von Beust.
Im Senat wird dieses Vorgehen als durchaus unüblicher Stil angesehen und als unfreundlicher Akt gewertet. In dieselbe Kategorie fällt aus Sicht des Senats auch der Namensartikel von Ex-Präses Karl-Joachim Dreyer in dieser Zeitung, in der er mit dem schwarz-grünen Projekt der sechsjährigen Primarschule hart ins Gericht ging, noch ehe die Details bekannt waren. Dezent wird im Rathaus die rhetorische Frage gestellt, wofür die Handelskammer eigentlich zuständig ist. Schließlich verfassten Elternräte von Schulen auch keine Resolutionen gegen die Elbvertiefung...
Auf den ersten Blick ist die Entfremdung schon überraschend, die zwischen dem CDU-Bürgermeister und der Kammer entstanden ist. Politisch steht die Kammer einem konservativ geführten Senat natürlich näher als den Vorgängern mit einem SPD-Bürgermeister an der Spitze. Doch schon während der Jahre der Unions-Alleinregierung gab es immer wieder Konflikte mit der traditionell selbst- und machtbewussten Handelskammer.
Als der Senat Ende 2005 mit der Deutschen Bahn über deren Mehrheitseinstieg bei der HHLA verhandelte, beharkten sich der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) und Kammer-Präses Dreyer öffentlich. Peiner warf Dreyer vor, er stelle sich "an die Spitze der Bedenkenträger", Dreyer konterte mit dem Vorwurf schlechter Verhandlungsführung.
Vielleicht lässt sich das Verhältnis auch so charakterisieren: Von Beust hat aufgrund seines beruflichen Hintergrunds als Rechtsanwalt nicht gerade eine emotionale Bindung an die Handelskammer wie die Wirtschaft insgesamt. Hinzu kommt seine gewisse Abneigung gegen das Funktionärswesen, was bisweilen auch seine Partei, die CDU, zu spüren bekommt. Schließlich, und das ist wohl das Entscheidende, mag sich von Beust von niemandem "hineinregieren" lassen. So gesehen sind die Zeiten, als der frühere Kammer-Präses Klaus Asche wegen seines politischen Einflusses auf den damaligen Ersten Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) den Spitznamen "Bürgermeister drei" hatte, lange vorbei.
Der neue Kammer-Präses Frank Horch sieht einstweilen noch nicht den großen Dissens mit dem schwarz-grünen Senat. "Wir nehmen eine zurückhaltende und abwartende, aber wachsame Position ein", sagt Horch. Aber der massive Einsatz in Sachen Universiade sei "ein warnendes Beispiel für andere Dinge", die noch kommen können. Als Nächstes richtet die Handelskammer ihr Augenmerk auf den Ausgang des Streits um den von den Grünen abgelehnten Bau des Kohlekraftwerks Moorburg, das die Wirtschaft für unverzichtbar hält. Nach Tauwetter zwischen Rathausmarkt und Adolphsplatz sieht es derzeit wahrlich noch nicht aus.