Umweltsenatorin Anja Hajduk steckt fest. Zwischen dem, was sie politisch durchsetzen möchte, dem, was sie rein rechtlich durchsetzen muss, und dem,

Umweltsenatorin Anja Hajduk steckt fest. Zwischen dem, was sie politisch durchsetzen möchte, dem, was sie rein rechtlich durchsetzen muss, und dem, was sie bei ihrer Partei, aber auch ihren Wählern durchsetzen kann. Wie ein Damoklesschwert schwebt die Entscheidung über das geplante Vattenfall-Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg über ihrer politischen Zukunft. Jeder weiß, dass sie als Grüne das Kohlekraftwerk politisch strikt ablehnt. Sie will eine dezentrale Energieversorgung mit Gaskraftwerken. Gleichzeitig muss Hajduk nach außen aber den Anschein erwecken, dass sie als Leiterin der Genehmigungsbehörde eine neutrale und rein auf Fakten basierende fachliche Entscheidung trifft. Alles andere würde Vattenfall in die Hände spielen und dem Konzern vor Gericht die besten Erfolgschancen in einem möglichen Prozess um Schadenersatz ermöglichen. Trotzdem muss Anja Hajduk Wahlversprechen einhalten, in der Partei und bei ihren Wählern. Dabei darf sie aber nicht den Koalitionspartner CDU verärgern. Niemand hat gesagt, dass regieren leicht ist.

Und als ob das nicht schon genug Probleme wären, machte es das Hamburgische Oberverwaltungsgericht für Anja Hajduk mit einem Hinweisbeschluss im Genehmigungsverfahren gleich noch ein bisschen schwerer. Der fünfte Senat unter Vorsitz des Richters Ulrich Ramsauer stärkte die Rechtsposition des Energiekonzerns. Hätte das Gericht beschlossen, dass eine von Vattenfall geplante Fischtreppe am Wehr Geesthacht als Ausgleichsmaßnahme für das Kraftwerk nicht ausreicht, wäre es für die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) leicht gewesen, die Genehmigung für das Kraftwerk zu verweigern. Hat es aber nicht, und so muss ganz neu gedacht werden.

Die Nachricht erreichte Hajduk in Kopenhagen Gegen 11 Uhr verkündete das Gericht am Dienstag seine Entscheidung - drei Tage vor dem angekündigten Termin. Kurz darauf klingelte bei Anja Hajduk (GAL) in Kopenhagen das Mobiltelefon. Gemeinsam mit Staatsrat Carsten Lüdemann (CDU) nahm sie dort am politischen Forum String teil, um über die bessere Zusammenarbeit in der südwestlichen Ostseeregion zu beraten.

Der Beschluss des Richters ist ein Rückschlag für die grüne Frontfrau. Hatte sie doch gehofft, über den Hebel des Wasserrechts das Kraftwerk Moorburg fachlich relativ einfach stoppen zu können. Während Anja Hajduk ihre Arbeit in Kopenhagen erledigte, setzte sich in Hamburg mit Bekanntwerden des Gerichtsbeschlusses der Behördenapparat in Gang. Die Fachabteilung nahm sich die neunseitige Begründung des Gerichts vor. Die von der BSU beauftragte Anwaltskanzlei Ewer & Weißleder aus Kiel begann mit der juristischen Auswertung. Konferenzen wurden einberufen, Gespräche geführt. Man hätte zwar mit dem Urteil rechnen können, aber daran geglaubt hatte innerhalb der BSU wohl niemand. "Bei Moorburg erschüttert einen fast gar nichts mehr", heißt es aus Behördenkreisen. Man sei auf beide Versionen eingestellt gewesen.

Nach außen drang zunächst nichts. Obwohl die Telefone in der Pressestelle nicht stillstanden, jeder eine Stellungnahme, eine politische Bewertung von der Senatorin erwartete, gab es aus der Behörde über Stunden nur den einen - seit Hajduks Amtsantritt unzählige Male bemühten und längst überstrapazierten - Satz: "Wir prüfen noch." Nach rund sechs Stunden dann eine kurze, schriftliche Mitteilung, in der Hajduk ihr Bedauern über den Beschluss ausdrückt. Ein bisschen wenig.

Vertrag von 1956 soll den Ausweg bringen Jetzt wird in Hajduks Behörde ein bizarrer Ausweg aus der Klemme geprüft. Ein Grundstücksvertrag aus dem Jahr 1956 soll die Lösung bringen. Dieser räumt Hamburg beziehungsweise den damaligen Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW) ein Nutzungsrecht für das Gelände am Geesthachter Wehr in Schleswig-Holstein ein. Die Behörde prüft nun, wer heute die Nutzungsrechte hat, die Stadt Hamburg oder Vattenfall, dem Nachfolgeunternehmen der HEW? Die Idee: Wenn die Behörde über die Grundstücksfrage den Bau der Fischtreppe verhindern kann, ist auch der Hinweisbeschluss des Gerichts unwirksam. Ohne Naturschutz-Ausgleichsmaßnahme kein Kraftwerk, so die Philosophie.

Dass die grüne BSU eine Naturschutzmaßnahme wie die Fischtreppe verhindern will, wird intern als das kleinere Übel angesehen, wenn man dadurch das Kraftwerk stoppen kann. Nach außen macht die Aktion ziemlich deutlich, wie verzweifelt die Fachleute zu sein scheinen. Die greifen jetzt nach jedem Strohhalm. Denn die Zeit wird eng. Im September will die Behörde über die Genehmigung entscheiden.