Die Woche im Rathaus
Der Mann wird das Ergebnis der Bürgerschaftswahl am 24. Februar entscheidend mitbestimmen. Wolfgang Rose, Ver.di-Landesbezirksleiter und Sozialdemokrat, will zwar nicht Bürgermeister werden. Er wird nicht einmal - für den Fall der Fälle - zwingend als Senator gehandelt. Rose wird nur sicher auf der SPD-Liste in die nächste Bürgerschaft einziehen. Aber er hat vor allem eines: Macht und Einfluss.
Ver.di ist die mit Abstand größte Einzelgewerkschaft, Rose vertritt rund 105 000 Mitglieder in Hamburg. Müllmänner, Hafenarbeiter, Hochbahner, Krankenschwestern und -pfleger. Wann immer es Probleme gibt, zumal mit der Stadt und dem Senat: Rose ist da und erhebt seine Stimme.
Rose denkt und handelt darüber hinaus politisch. Wie kaum ein Gewerkschafter in den vergangenen Jahren mischt er sich in die Tagespolitik ein. Sein Horizont reicht weit über die Grenzen der Tarif- und Arbeitsmarktpolitik hinaus und schließt zum Beispiel Bildungsfragen ein.
Der 59 Jahre alte Bankkaufmann und Sozialpädagoge ist ein Mann mit festen Grundsätzen, für die er streitet. Dass er sich notfalls auch mit den eigenen Parteifreunden anlegt, haben die Sozialdemokraten schon leidvoll erfahren müssen. Rose sieht solche Debatten gelassen als Ringen um den richtigen Kurs in der SPD, während manchem Sozialdemokraten angesichts der Geradlinigkeit und Konsequenz des Parteifreundes bisweilen schon angst und bange wird.
Dissonanzen irritieren den Gewerkschaftsboss nicht
In dieser Woche lief es für Rose nicht ganz so rund. Der HHLA-Betriebsrat bekannte sich ausdrücklich zum Börsengang des Traditionsunternehmens, obwohl Rose kurz zuvor noch den Senat aufgefordert hatte, genau diesen Plan aufzugeben. Die Hafenarbeiter wollen offensichtlich keinen neuen Krawall, sondern setzen auf Frieden mit dem Senat. Es passt zu dem selbstbewussten Gewerkschafter Rose, dass er den Widerspruch zwischen ihm und den Betriebsräten nicht sieht oder nicht sehen will. Irritieren lässt sich der Gewerkschaftsboss von solchen Dissonanzen ohnehin nicht. Er hat immer mehrere Eisen im Feuer. Das derzeit heikelste Thema bringt Rose in Widerspruch zur offiziellen Linie der SPD, für die er ja Wahlkampf machen will. Der Gewerkschafter ist einer der Gründer der Volksinitiative "Schule für alle". SPD-Chef Ingo Egloff hält Roses Engagement für "kontraproduktiv", weil es die Zerrissenheit der Partei in der Bildungspolitik dokumentiert und der CDU Wahlkampfmunition bietet. Der SPD-Landesvorstand − Rose ist Mitglied − hat mit großer Mehrheit eine Beteiligung der Partei an der Initiative kategorisch ausgeschlossen. Zwar ist die "Schule für alle" das Fernziel der SPD, aber als Übergang wird das Zwei-Säulen- Modell (Gymnasium und Stadtteilschule) akzeptiert. Auf keinen Fall sollen Gymnasien gegen den Elternwillen geschlossen werden. Rose will den direkten Weg zur "Schule für alle" ohne Umweg über das Zwei-Säulen- Modell. Apropos feste Grundsätze: Bildung ist für den Gewerkschafter eine Herzensangelegenheit. Den im ostholsteinischen Dorf Lensahn aufgewachsenen Rose schickte seine Mutter in die Kreisstadt Oldenburg aufs Gymnasium. "Ich musste mich mit meinen ehemaligen Mitschülern prügeln, weil die dachten, ich fühlte mich als etwas Besseres auf dem Gymnasium", erzählt Rose. Für ihn war das eine frühe Erfahrung von sozialer Ungerechtigkeit, die ihn geprägt hat. Seine Töchter besuchten eine Gesamtschule.
Ein Bollwerk gegen die erstarkende Linkspartei
Doch Rose ist trotz allem Pragmatiker. Er will darauf achten, dass der Antrag der Volksinitiative möglichst viel SPD-Positionen enthalte. Das heißt: Es muss einen behutsamen Übergang in das neue Schulsystem geben. Denkbar seien als erster Schritt Modellprojekte der "Schule für alle" auf freiwilliger Basis. Kein Schüler solle im Laufe seines Schülerlebens das neue System übergestülpt bekommen. Das heißt:Wer auf ein Gymnasium wechsele, müsse dort sein Abitur machen können. Bei allem Ärger mit dem Mann ist Rose für die SPD mit Blick auf die Wahl wichtig. Der profilierte Partei-Linke (er kommt aus der einstigen "Kaderschmiede des linken Parteiflügels: der SPD Nord) kann ein Bollwerk gegen die erstarkende Linkspartei sein. Ob Hartz-IV-Kritik oder Privatisierungs-Stopp − es gibt viele Parallelen zwischen Rose und der Linkspartei. SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann, kein Linker, bezeichnet Rose trotzdem freundlich als "Korrektiv und Ermahner" in den internen Debatten. Was bleibt ihm auch anderes übrig. . . Rosewird den Wahlausgang entscheidend mit beeinflussen. Ob zugunsten der SPD oder nicht − das hängt davon ab, wie überzeugend der Gewerkschafter seine Rolle in und mit der SPD findet.