Schon sein Ton ist manchmal barsch und laut. In dieser Woche nutzte Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (CDU) aber nicht nur seine Stimme, sondern auch die rechte Hand energisch - zu energisch, wie sich herausstellte. Als er während der Bürgerschaftssitzung am Mittwoch zum dritten Mal Linke-Fraktionschefin Dora Heyenn aufforderte, nicht vom Debattenthema Studiengebühren abzuweichen, bimmelte Röder dabei so aufgeregt mit seinem Präsidentenglöckchen, dass das historische Stück auseinanderflog. Das allein gab schon ein komisches Bild, wie der wichtigste Mann im Stadtstaate da hoch oben auf dem Pulte mit bestürzter Miene versuchte, seine Glocke wieder zusammenzubasteln. Dazu erschien es auch besonders passend, dass das Silberstück sich just in dem Moment weigerte zu funktionieren, in dem der Präsident es gegen Linke-Fraktionschefin Heyenn einsetzen wollte. Denn schließlich ist die Glocke ein Geschenk der "Fraction der Linken" aus dem Jahr 1897, wie eine Prägung zweifelsfrei nachweist. Wie das Protokoll der Bürgerschaftssitzung vom 3. November 1897 belegt, schenkte die Linke der Bürgerschaft die silberne Präsidentenglocke zur Einweihung des neuen Rathauses. Auch die beiden anderen seinerzeit vertretenen Fraktionen ließen sich nicht lumpen. Der damalige Vorsitzende dankte an jenem Mittwoch vor 111 Jahren auch für "das silberne Tintenfass von der Fraction der Rechten und den silbernen Leuchter nebst Petschaft von der Fraction des linken Centrums" - und forderte "die Versammlung zu einem dreifachen Hoch auf Hamburg" auf.
Anders als Tintenfass und Petschaft (ein Siegelstempel) ist die historische Glocke übrigens auch nach dem Mittwochsmissgeschick noch und wieder im Einsatz. Denn Präsident Röder nahm das gute Stück mit nach Hause, reparierte es eigenhändig, reinigte es sogar (um sich nicht immer die Manschetten an dem angelaufenen Silber zu verschmuddeln) und konnte am Donnerstag schon wieder damit bimmeln - besonders energisch übrigens gegen den Linken Norbert Hackbusch.
Auseinandersetzungen mit der Linken müssen auch andere führen, vor allem die einstige Volkspartei SPD. Mehr noch aber sind die Genossen mit Nabelschau beschäftigt - wie das während tiefer Identitätskrisen eben so ist. In Hamburg allerdings ist Parteichef Ingo Egloff entschlossen, allzu innige Selbstbetrachtung zu verhindern. Er und seine Stellvertreter haben dem Distrikt Lokstedt jetzt mitgeteilt, dass sie den internen Untersuchungsbericht zum Stimmzetteldiebstahl nicht veröffentlichen wollen. Bekanntlich waren bei der Mitgliederabstimmung über den Spitzenkandidaten im Februar 2007 in der SPD-Zentrale fast 1000 Stimmzettel aus der Wahlurne geklaut worden. Obwohl der damalige Parteichef Mathias Petersen laut Auszählung selbst dann gewonnen hätte, wenn alle gestohlenen Stimmen an seine Konkurrentin Dorothee Stapelfeldt gegangen wären, wurde die Wahl annulliert - und Petersen ins politische Abseits gedrängt. Die SPD beauftragte damals den Juristen Hans-Jürgen Grambow mit einer internen Untersuchung. Die habe zwar Ungereimtheiten ergeben - aber ein Täter habe nicht ermittelt werden können, hieß es im August. "Vielen Mitgliedern lässt die Sache keine Ruhe", so der Lokstedter Distrikts-Chef Ernst-Christian Schütt. "Deswegen haben wir den Vorstand gebeten, den Bericht zu veröffentlichen." Von Parteichef Egloff aber kam ein klares Njet. In dem Bericht würden Partei-Mitarbeiter erwähnt, für die er eine Fürsorgepflicht habe, so Egloff. Es sei nicht im Sinne der SPD, dass "manche Leute versuchen, mithilfe des Berichtes alte Rechnungen zu begleichen". Daher bekomme niemand das Papier zu sehen. "Der Bericht liegt im Safe", so Egloff. "Und da bleibt er auch."
Eine ganz andere Schlacht haben derweil die uniformierten Herren im Rathaus geschlagen - und verloren: die Hamburger Ratsdiener. Sie waren 2005 in einen neu gegründeten "Landesbetrieb Rathaus Service" ausgelagert worden. Damals versprach der Senat den zehn Betroffenen, es werde sich nichts für sie ändern. Schon gar nicht würden sich ihre Konditionen verschlechtern. Aber wie so oft hatte auch dieses politische Versprechen eine kurze Halbwertszeit. Zum Januar 2008 wurde den Ratsdienern die bisherige Überstundenpauschale von 400 Euro gestrichen - und damit rund ein Viertel ihres Einkommens.
Statt mit den eigenen Leuten bestreitet das Rathaus mittlerweile viele Aufgaben mit Beschäftigten von Leihfirmen, wie sich aus der Antwort des Senates auf eine Kleine Anfrage der SPD-Abgeordneten Britta Ernst ergibt. Dass der Senat den nur rund 1600 Euro netto verdienenden Ratsdienern trotz hoher Inflation den Lohn kürzt, während sich die Abgeordneten gerade eine Diätenerhöhung genehmigt haben (und dies auch schon 2006 taten), ist kaum vermittelbar. Und doch mochten Staatsrat Volkmar Schön (CDU, Monatseinkommen: mehr als 10 000 Euro) und Bürgermeister Ole von Beust (CDU, Monatseinkommen: rund 13 500 Euro) nicht nachgeben. Vor Gericht haben sie sich nun durchgesetzt.
Moralisch aber dürfte das Ganze eine Niederlage für die Herren im Senat sein.