Die Woche im Rathaus

Die Sozialdemokraten können sich nicht über eine schlechte Behandlung durch die regierenden Christdemokraten beklagen. Die Traditionspflege der ruhmreichen Arbeiterpartei ist beim CDU-geführten Senat und Bürgermeister Ole von Beust in den besten Händen. Jüngstes Beispiel: Am Dienstag hatte von Beust zum Festessen in den Kaisersaal des Rathauses geladen. Peter Schulz, Erster Bürgermeister von 1971 bis 1974 und Sozialdemokrat, war 75 Jahre alt geworden.

Dem Anlaß entsprechend handelte es sich um eine Art sozialdemokratisches Veteranentreffen: Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, seine Frau Loki und Ex-Verteidigungsminister Hans Apel zählten zu den rund 50 Gästen. Nicht nur von Beust, sondern noch ein zweiter Christdemokrat, Bürgerschaftspräsident Berndt Röder, ergriff zum Lob von Schulz das Wort. Der Jubilar war in den 80er Jahren Parlamentspräsident gewesen.

Von Beust sorgt sich nicht nur um die lebenden, sondern auch um die toten Sozialdemokraten: Nachdem die langjährige Jugendsenatorin Paula Karpinski Anfang März im Alter von 107 Jahren gestorben war, meldete sich der Bürgermeister als einer der ersten zu Wort. Ungewöhnlich warmherzig und ausführlich würdigte er Karpinski: Als "Demokratin der ersten Stunde" stehe sie für das "Festhalten an Idealen", für die Gleichberechtigung der Frau und die Förderung von Kindern. "Vor allem ihre aufrechte und aufrichtige Haltung habe ich bewundert", sagte der CDU-Mann über die SPD-Frau.

Mit der Willy-Brandt-Straße landete Beust politischen Coup Das ehrende Andenken des Senatspräsidenten gilt durchaus nicht nur Hamburger Sozialdemokraten. Mit der Idee, die 1250 Meter lange Ost-West-Straße im Herzen der Stadt in Willy-Brandt-Straße umzubenennen, hat von Beust sogar einen politischen Coup gelandet. Die SPD war in ihrer Regierungszeit über neun Jahre dazu nicht imstande. Die Versuche der Sozialdemokraten mündeten in eine Kette von Peinlichkeiten. Der damalige Bezirkssenator Thomas Mirow - einst Büroleiter Brandts - und Bürgermeister Henning Voscherau wollten einen Teil der Alsterdorfer Straße nach Brandt benennen. Der Senat entschied, ohne zuvor die Anwohner zu fragen. Bei denen stieß der Vorschlag auf Ablehnung. Der gut organisierte Protest lief an, und am Ende zog Voscherau die Entscheidung des Senats zurück. Da hatte die Brandt-Witwe Brigitte Seebacher-Brandt schon gesagt, das öffentliche Hickhack um den Straßennamen sei "dem Andenken Willy Brandts unwürdig". Die SPD hatte einfach kein glückliches Händchen mit Brandt: Mal sollte es ein "Willy-Brandt-Flughafen" sein, dann galt die Köhlbrandbrücke als geeignet, auch der Neue Jungfernstieg war im Gespräch. Am Ende verliefen alle Ideen im Sande. Mit der Ost-West-Straße hat der von-Beust-Senat eine zentrale und wichtige Verkehrsachse ausgewählt. Da wirkt die Kritik des SPD-Landesvorsitzenden Mathias Petersen kleinlich. Er hätte einen Platz in der HafenCity für den ersten Bundeskanzler der SPD bevorzugt - wegen der Brückenfunktion des Hafens auch in den osteuropäischen Raum.

Beust betont stärker das Amt als die Parteizugehörigkeit Daß von Beust keine Berührungsängste gegenüber Sozialdemokraten hat, zeigte sich beim Zusammentreffen der fünf Altbürgermeister - alle rot - mit dem einen schwarzen amtierenden. Die Talkrunde bei Hamburg 1 verlief in gelöster Atmosphäre. Wenn es zu kleinen Boshaftigkeiten kam, dann nur zwischen den roten Ex-Regenten. Von Beust nutzt Erfahrung und Rat seiner Vorgänger: Klaus von Dohnanyi war Vorsitzender der vom Senat eingesetzten Kommission zur Reform der Hochschulen. Voscherau ist ein geschätzter Redner im Rathaus - wie zuletzt beim Festakt zum 60. Jahrestag des Kriegsendes. Ein Grund für das bisweilen herzliche Einvernehmen mit seinen Vorgängern entspringt dem präsidialen Amtsverständnis von Beusts: Er betont stärker das Amt als die Parteizugehörigkeit. Außerdem ist von Beust im Bezirk Wandsbek politisch groß geworden, wo CDU und SPD schon immer eine besondere Nähe hatten. Und schließlich: Als künftiger Altbürgermeister wird er sich vermutlich freuen, wenn die Türen des Rathauses auch für ihn weiter offen stehen.