Horst Ehmke, früherer Chef des Kanzleramts, war ein Freund des deutlichen Worts. "Hier müsste man mit der Maschinenpistole durchgehen", sagte der Vertraute von Willy Brandt über seinen Arbeitsplatz, nachdem die SPD 1969 das Kanzleramt erobert hatte. Ehmke waren die Scharen von Beamten aus der Adenauer-Zeit ein Dorn im Auge.

Bodo Hombach (SPD), Ehmkes Nachfolger zu Beginn der Ära Gerhard Schröder, war offensichtlich ebenfalls wenig zimperlich. "Ich habe unter Bodo Hombach im Kanzleramt gelitten. Da werde ich jetzt doch keine Sozialdemokraten befördern", soll Justizsenator Roger Kusch, Christdemokrat, unliebsamen Mitarbeitern seiner Behörde gelegentlich bedeuten. Kusch war zu Zeiten Helmut Kohls ins Kanzleramt gekommen und dort auch zu rot-grünen Zeiten noch Ministerialrat, ehe er 2000 versetzt wurde.

Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber sie schafft eine Fülle von Gelegenheiten. So gehört es zu den Gesetzmäßigkeiten der Politik, dass nach Regierungswechseln auch die Köpfe von Beamten, zumindest in Spitzenpositionen, rollen müssen. In Hamburg wurde die SPD nach 44 Jahren abgewählt, und CDU-Bürgermeister Ole von Beust machte Kusch zum Justizsenator.

Nun ist der Mann, der unter "SPD-Säuberungen" im Kanzleramt einst gelitten hat, selbst Chef einer durchaus sozialdemokratisch durchwirkten Behörde. Es scheint so, als ob Kusch nach dem Freund-Feind-Prinzip verfährt, wobei zur zweiten Gruppe automatisch diejenigen mit dem falschen Parteibuch gehören - Beamtenstatus hin oder her. Schon drohen SPD und GAL mit einem Untersuchungsausschuss. Die Personalpolitik ist in dieser Woche ein Thema geworden - dank Kusch.

"Normale" Beamte können allenfalls versetzt werden

Unbestritten ist, dass Senatoren, die neu ins Amt kommen, ihr unmittelbares Umfeld mit Menschen ihres Vertrauens besetzen müssen: Büroleiter, persönliche Referenten und Sprecher. Die Staatsräte und der Polizeipräsident sind politische Beamte und können ohne Angaben von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Darüber hinaus geht rechtlich gesehen nicht viel: Amtsleiter sind in Hamburg eben keine politischen Beamten. Und "normale" Beamte können allenfalls versetzt werden, also nicht einfach verschwinden. Zur Loyalität sind sie im Übrigen ohnehin verpflichtet. "Filz, Nepotismus, Seilschaften, Vorrang der politischen Loyalität vor den kalten Regeln des Beamtenrechts, das gibt es überall - hier mehr, da etwas weniger", schrieb der konservative Politologe Wilhelm Hennis einmal. Die Senatoren der Mitte-Rechts-Koalition haben nach dem Regierungswechsel 2001 denn auch unterschiedlich auf ihren Beamtenapparat reagiert. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) übernahm die "Filz-Behörde" schlechthin. Und doch: Sie setzt auf Kooperation statt auf Konfrontation. Selbst der Beamte, der als Parade-Beispiel für SPD-Filz gilt, Uwe Riez, ist nach wie vor im Amt. Riez hat mehr Macht in der Behörde als je zuvor. Schnieber-Jastram machte sogar mit Klaus Meister einen Sozialdemokraten zum Staatsrat.

Lange sah sich von Gegnern in der Behörde umstellt

Auch Bürgermeister Ole von Beust setzt offensichtlich Vertrauen in die Beamten seines Planungsstabs in der Senatskanzlei - Denkfabrik und Kompetenzzentrum in einem. Von Auseinandersetzungen wegen des falschen Parteibuchs ist nichts bekannt. Ganz anders Bildungssenator Rudolf Lange (FDP), der sich zumindest in der Anfangsphase von Gegnern in der Behörde umstellt sah. Landesschulrat Peter Daschner, den Lange öffentlich und auch noch zu Unrecht rüffelte, ist nur das prominenteste Beispiel. Auch unter Innensenator Ronald Schill haben es Beamte mit SPD-Parteibuch bisweilen schwer. Die Mitte-Rechts-Koalition war mit dem Versprechen angetreten, keinen eigenen "schwarzen" Filz zu schaffen. Daran wird das Bündnis zu messen sein. Das Parteibuch allein sagt noch nichts darüber aus, ob ein Beamter fähig oder unfähig, loyal oder illoyal ist. Wer wüsste das besser als die Kusch-Vorgängerin Lore Maria Peschel-Gutzeit? Die SPD-Justizsenatorin sah sich mitten im Bürgerschafts-Wahlkampf mit einem Aufstand der Richter und Staatsanwälte konfrontiert. Die Beamten - darunter viele Sozialdemokraten - malten den Kollaps der Justiz wegen des Sparkurses des rot-grünen Senats an die Wand. Wer solche (Partei-)Freunde hat, braucht keine Feinde. Horst Ehmke griff 1969 natürlich nicht zur Maschinenpistole. Laut Hennis hat er sogar eingesehen, "welch hervorragendes und loyales Instrument er mit dem Kanzleramt übernommen hatte" - aus der Adenauer-Zeit. Es geht also auch anders.