Die Woche im Rathaus

Die Wahl Mathias Petersens zum neuen SPD-Landeschef war in der vergangenen Woche ein mühsamer Akt. Mit dem von der Basis erzwungenen Wechsel wurden die Weichen für einen Generations- und Imagewandel gleichermaßen gestellt. Die Partei, die einst mehr Demokratie wagen wollte, litt unter ihrem Image als Sammelbecken für Genossen und Funktionäre, jetzt soll sie sich mit Hilfe des frischen Petersen für neue Wählerkreise öffnen.

Die CDU hatte eine gemütlichere Woche, sonnig geradezu, und sie gerierte sich munter als frisch erweckte Lifestyle-Partei. Da hat sich ein erstaunlicher Rollentausch vollzogen. Hamburgs SPD, die einst für Visionen und Utopien stand, wirkte zuletzt festgefahren und ohne Schwung. Die Christdemokraten dagegen scheinen jetzt für viele wählbar, die sie noch vor wenigen Jahren als altmodisch und intolerant gescholten haben. "In der CDU wird diese Art modern zu wirken, als großstädtische Öffnung hin zu einer jugendlichen Klientel verstanden", so der Politikwissenschaftler Prof. Michael Greven von der Uni Hamburg. Ein Konzept, das offenbar aufgeht: 300 neue Mitglieder hat alleine der CDU-Verband Alstertal in nur einem Jahr rekrutiert, darunter, so der Vorsitzende Frank Schira, "überdurchschnittlich viele junge Leute".

Kecke Attacke von Bob Geldof Entsprechende Zugeständnisse an den Zeitgeist müssen gemacht werden, und sie wurden in den vergangenen Tagen reichlich gemacht. Da hatte Birgit Schnieber-Jastram nichts gegen eine kecke Kuss-Attacke des Rockmusikers Bob Geldof, der beim Eintrag ins Goldene Buch auf Tuchfühlung mit der Zweiten Bürgermeisterin ging. Auch ihr Ehemann Ekkehard fand das auf Nachfrage "völlig okay". Zwei Tage später empfing Ole von Beust im ehrwürdigen Gästehaus die Organisatoren des schwul-lesbischen Spektakels "Europride". Der Bürgermeister blätterte dabei sogar in einer Sonderausgabe des "hinnerk". Das Magazin, allen Parteien mit C sonst eher in Feindschaft verbunden, hatte kürzlich viele positive Leserbriefe zum "Ole-Hype" (ursprünglich ein Slang-Ausdruck für ein großes Ereignis) in der Stadt abgedruckt. Von Beust wird sich demnächst sogar als Kellner betätigen: Mit Johannes B. Kerner serviert er dem Gewinner einer Benefiz-Auktion im Gästehaus ein Abendessen. Man stelle sich Klaus von Dohnanyi, Henning Voscherau oder andere Repräsentanten der "Volkspartei" SPD in dieser Rolle vor. "Trendy" war dann auch der CDU-Medientreff zur Europawahl. Die Partei, die solche Veranstaltungen früher an den Großneumarkt oder in die Geschäftsstelle am Leinpfad verlegt hatte, lud diesmal nach St. Pauli in die Brasserie " Erich" - gleich neben der Herbertstraße.

Nur einen Steinwurf von der Hafenstraße entfernt Dunkle Limousinen kurvten durch die engen Kiez-Straßen, Menschen in edlem Zwirn hasteten an Freudenmädchen vorbei. Die Lockerheit der Location - nur einen Steinwurf von der einst umkämpften Hafenstraße entfernt - übertrug sich auf die Stimmung der Gäste. Die Abgeordnete Elke Thomas, eine Lady jenseits der 65, frotzelte: "Ich habe meinem Mann gesagt, dass er sich nicht wundern soll, wenn ich morgen nicht nach Hause komme, dann bin ich irgendwo auf St. Pauli unter die Räder gekommen." Bürgerschaftspräsident Berndt Röder lästerte über die Notwendigkeit einer Regenbogenfahne am Rathaus, Wolfgang Beuß über den mangelnden Pep des Europawahlkampfs. Justizsenator Roger Kusch, seit vielen Wochen nur selten in der Öffentlichkeit anzutreffen, erschien braun gebrannt und erheblich verspätet - er hatte sich noch einen Vortrag über verfolgte Homosexuelle in der Wehrmacht angehört. Der Einbruch in die CDU-Zentrale Wandsbek war eines der wenigen ernsten Themen - wenn auch unterschiedlich bewertet. Über Karl-Heinz Warnholz' Verdacht eines Datendiebstahls konnte Frank Schira nur grinsen: "Ach was, da wollte nur einer Computer klauen und weiter verkaufen." Gut drauf sein ist "in", und in dieser Woche schwamm die Partei auf der Lifestyle-Welle ganz oben. Schon Goethe wusste am Schluss seines Lebens, dass dem Zeitgeist nicht zu widerstehen ist - "der Herren eigener Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln". Warum sollte die CDU da eine Ausnahme machen?