Die Woche im Rathaus

Die meisten Kameras waren längst abgeschaltet, die Pressetribüne weitgehend geleert, als Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) am Mittwochabend kurz vor 20 Uhr ans Rednerpult der Bürgerschaft ging, um den Haushaltsentwurf 2004 zu erläutern. An diesem Tag war offenbar einiges wichtiger, denn zuvor hatten die Parlamentarier über die Ausbildungsplatzabgabe, den Jungfernstieg, das neue Wahlrecht und vieles mehr debattiert, der Haushalt kam zum Schluss dran. Diese ungewöhnliche Tagesordnung - gilt das Budgetrecht doch als das vornehmste eines jeden Parlaments -, erklärt sich mit der sehr späten Einbringung des Etats 2004, schließlich ist das Jahr schon weit fortgeschritten. Der Entwurf war bereits im vergangenen Herbst in der Bürgerschaft, konnte aber wegen der Neuwahlen nicht verabschiedet werden. "Nun können wir ja nicht so tun, als sei alles neu", sagt CDU-Fraktionschef Bernd Reinert zur Erklärung der vermeintlichen Geringschätzung des Themas. Am Gänsemarkt in der Finanzbehörde hatte man hingegen wenig Verständnis für das Procedere, wie aus dem Umkreis des Senators zu hören war.

Für den Rest des Jahres wird der Etat alles andere als ein Randthema bleiben. Die Bürgerschaft wird sich bis Dezember in Permanenz damit befassen müssen. Jetzt beginnen die Ausschussberatungen für den Haushalt 2004, der im Juni bei einer dreitägigen Debatte verabschiedet wird. Parallel dazu wird der Senat den Entwurf für den neuen Haushalt verabschieden, der gleich nach der Sommerpause ins Parlament eingebracht wird. Und das wird kein normaler Etat sein, sondern erstmals in der Hamburger Geschichte ein Doppelhaushalt für 2005 und 2006.

Erster Doppelhaushalt in der Geschichte der Hansestadt Auf den Haushaltsausschuss kommt also eine Menge Arbeit und einiges Neues zu. In den meisten Bundesländern ist der Doppelhaushalt allerdings längst üblich. Die Vorteile: Es gibt mehr Planungssicherheit, denn alle Ressorts wissen, wie viel (oder auch wenig) Geld sie in den kommenden beiden Jahren zur Verfügung haben. Natürlich erhofft sich Peiner auch Spareffekte davon. Schließlich können die Ressorts nicht mehr alljährlich ihre Wunschlisten präsentieren. Die Opposition hat gegen den Doppelhaushalt nichts einzuwenden. "Allerdings darf die Kontrolle des Parlaments nicht beeinträchtigt werden", betont SPD-Finanzexperte Walter Zuckerer. Die gewaltigen Finanzprobleme der Stadt, da sind sich alle einig, wird das Instrument des Doppelhaushalts jedenfalls nicht lösen. Gut 23 Milliarden Euro Schulden haben sich im Laufe der Jahrzehnte angehäuft. Wann einmal mit dem Abtrag des Schuldenbergs begonnen werden kann, wagt niemand zu prognostizieren. Peiners Ziel ist es, 2006 zumindest die laufenden Ausgaben, den Betriebshaushalt, ohne Schulden finanzieren zu können. Dann würden nur noch die Investitionen auf Pump bezahlt, wobei aber zumindest bleibende Werte geschaffen werden. Doch auch das erste Etappenziel ist schwierig genug zu erreichen. Zuckerer zumindest ist sehr skeptisch. Die Annahmen der Finanzbehörde - zwölf Prozent mehr Steuereinnahmen bis 2006 - hält er für viel zu hoffnungsfroh und betont weitere Risiken: Höherer Schuldendienst wegen steigender Zinsen, zu niedrig angesetztes Sozialbudget, gesunkener Wert des Beiersdorf-Aktienpakets. "Zusammen kommt man da leicht auf 250 Millionen Euro, die den Haushalt zusätzlich belasten können", sagt Zuckerer. Die Kosten für die verbesserte Kita-Versorgung ("100 Millionen plus X") sei da noch gar nicht eingerechnet. Peiner ist sich dessen bewusst. Und er ist fest entschlossen, notfalls härter zu sparen, um die Wende in der Haushaltspolitik zu schaffen. Das sieht Henning Tants (CDU) ganz genau so. "Es hilft doch nichts, wir können nicht länger von der Substanz und von Krediten leben", sagt der Vorsitzende des Haushaltsausschusses.

CDU will harten Sparkurs gegen alle Proteste durchziehen Tants sieht den Hauptansatzpunkt beim Personal. "Ungefähr die Hälfte der in Hamburg verbleibenden Steuern geht für Personalausgaben drauf", rechnet er vor. Das meiste Personal wiederum ist bei der Polizei oder an den Schulen beschäftigt - beides politische Schwerpunkte des Senats. Für Tants ist dies aber kein Tabu. "Das Abschmelzen der Personalkosten muss nicht zwangsläufig mit Qualitätsverlusten einhergehen", sagt er. Von effizienteren Strukturen und Leistungsanreizen für die Mitarbeiter erhofft er sich große Effekte. Der Christdemokrat lässt keinen Zweifel daran, dass seine Partei auch einen harten Sparkurs - inklusive der zu erwartenden Proteste - durchziehen würde. "Entscheidend ist, dass wir die Kürzungen sozial ausgewogen gestalten", sagt Tants. Und wie soll das aussehen? "Indem wir zum Beispiel die Sozialstrukturen der Stadtteile berücksichtigen", erläutert er. Wenn etwa Schulklassen vergrößert oder Büchereien geschlossen werden müssten, dann könne dies eher in den Walddörfern oder Blankenese geschehen als in Billstedt oder Steilshoop, meint Tants. Dass die ganze CDU solche Vorschläge mit Begeisterung aufnehmen wird, darf bezweifelt werden. Es stehen wohl harte Verteilungskämpfe ins Haus. Die Finanzpolitik wird in den kommenden beiden Jahren jedenfalls ganz oben auf der politischen Tagesordnung stehen.