Die Woche im Rathaus

Landesausschuß der CDU am vergangenen Dienstag. Nach der Rede von Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos), in der viel von harten Sparmaßnahmen die Rede ist, gibt es in der anschließenden Aussprache deutliche Kritik - von CDU-Delegierten wohl gemerkt. Ganze Kataloge werden da aufgezählt , die jungen Familien zur Zeit zusetzen. Grundsteuererhöhung und kostenpflichtige Vorschulen, Gebühren für Schulbücher und höhere Kitagebühren. Das alles bei gleichzeitiger Reduzierung von Schwimmunterricht in Schulen sowie Schließungen von Schwimmbädern und Bücherhallen. "Kitagebühren, Vorschulgebühren, Studiengebühren - meine Familienkasse ist leer", bringt es ein Delegierter auf den Punkt. Und auch einige Zuhörer, die nicht zu den Betroffenen gehören - viele Hamburger Politiker sind kinderlos - führen Klage, denn sie erleben den Unmut der Bürger täglich bei ihrer Arbeit an der Basis. Da liegt nicht nur der Wunsch nach einer entspannteren Gangart beim Sparen und Kürzen in der Luft, überraschend viele fordern deutlichere Signale in Richtung der Familien, deren Schutz sich die CDU ja schon immer auf die Fahnen geschrieben hat.

Danach tritt Karen Koop, familienpolitische Sprecherin der CDU, ans Rednerpult. Sie ist in Hochform. Plaudernd, mahnend, streckenweise schimpfend wirbt sie für ihren Antrag. Nach fast zwanzig Minuten größtenteils freier Rede ist die Sache durch. Die Delegierten stimmen zu. Wer sollte auch etwas gegen die Aufforderung an den Senat haben, "ein Konzept zur Familienförderung sowie zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf" zu entwickeln?

Mancher lehnt sich danach beruhigt zurück - immerhin scheint es gelungen, endlich mal einen familienpolitischen Akzent zu setzen.

Bunte Mixtur ohne zwingenden Ansatz

Mit Gebühren und Schließungen hat Koops Antrag allerdings nicht viel zu tun. Die Einzelvorschläge sind eher eine bunte Mixtur ohne wirklich zwingenden Ansatz. Dazu gehört eine Kampagne für die "gesellschaftliche Mobilisierung im Sinne des Leitbilds Familienfreundliches Hamburg", außerdem fordert Koop - sie ist seit rund 30 Jahren Lehrerin in Osdorf - "Maßnahmen zur Bekämpfung der zunehmenden seelischen Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen" und "die Förderung und Belobigung familienfreundlicher Betriebe". Wenn man diese beiden Phasen des Landesausschußes vergleicht, wird deutlich: Die CDU beschäftigt sich zur Zeit oft eher mit den großen Perspektiven als mit den unmittelbaren Sorgen der Menschen. Es ist ganz so, als hätten zum Beispiel diejenigen, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen wollen, nicht auch noch mit ständig steigenden Kosten zu kämpfen. Oder als ersetze ein familienfreundliches Klima in Betrieben die geschlossene Bücherhalle an der Ecke.

Da stellt der Oberbaudirektor Jörn Walter am Dienstag einen neuen Plan vor, wonach in Wilhelmsburg 400 Einfamilienhäuser mit großen Gärten entstehen sollen, und in der Bürgerschaft werben gleich mehrere Politiker für schicke Strände an den Elbbrücken. Beide Ideen sollen junge Familien stärker an die entsprechenden Stadtteile binden, damit sie nicht ins Umland abwandern.

Wird man Familien so halten können?

Kühne Pläne also, die sich unter der großen Klammer ,Wachsende Stadt' gut machen. Aber, so grummeln immer mehr Unionspolitiker, was nützen sie der Familie in der Bramfelder Etagenwohnung, deren Schwimmbad bald dichtgemacht werden soll. In den vergangenen Jahren sind zeitweise doppelt so viele Familien aus Hamburg weggezogen wie neu in die Stadt kamen. Wird man sie halten können, indem man einzelne Gegenden aufwertet und ansonsten weiter an der Gebührenschraube dreht?

In Wilhelmsburg und auf der Veddel hat sich die Zahl der Sozialhilfeempfänger übrigens im vergangenen Jahr deutlich erhöht. Das zeigt der neue Sozialhilfeatlas, der - sinnigerweise - auch in dieser ereignisreichen Woche vorgestellt wurde.

Noch mal zurück zu Karen Koop, der einzigen Frau an der Fraktionsspitze. Natürlich liegt ihr das Thema Familie schon länger am Herzen. Daß sie nun Gas gibt, hängt aber auch damit zusammen, daß Parteifreund Rüdiger Kruse ihr den Posten als Fraktionsvize streitig macht. Kruse, im Hauptberuf Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, nennt die Vorbereitung der Fraktion auf das neue Wahlrecht als Schwerpunkt seiner Arbeit - falls er gewählt werden sollte.

Da trifft Koop mit ihrem Feilen am familienpolitischen Profil eher einen Nerv in Partei und Fraktion - und sei es nur, weil sich sonst niemand so richtig um das Thema kümmert.