Die Woche im Rathaus

Gunnar Uldall ist bisweilen etwas genervt. "Ich frage ihn lieber gar nicht erst", heißt es, wenn ein Journalist dieser Tage um ein Interview bittet. Der Wirtschaftssenator will sich partout nicht zum Wasserstand äußern. Auch der Bürgermeister hat seit Wochen kaum etwas anderes im Kopf als nur ein Thema. Seine Mitarbeiter versuchen, alles von ihm fernzuhalten, damit Ole von Beust sich um das Wesentliche kümmern kann: um Airbus. Das Problem der Landebahnverlängerung beherrscht seit Wochen die politische Debatte und hält die Hamburger in Atem. Andere Themen werden verdrängt - sehr zur Freude einiger Senatoren, die sonst in Schwierigkeiten stecken würden. Des einen Leid, des anderen Freud.

Zahlreiche Skandälchen und Affärchen Einer der Krisen-Profiteure heißt Roger Kusch, ist Justizsenator und nicht gerade ein Pechvogel. Zwar führt er die Rangliste der Senatoren, deren Rücktritt am häufigsten gefordert wird, mit weitem Abstand an. Aber immer, wenn es scheint, daß es eng werden könnte für ihn, steht ihm das Glück zur Seite. So auch jetzt. Bevor die Vorfälle in der Justizvollzugsanstalt Vierlande so richtig hochkochen konnten, wurden sie vom Showdown im Alten Land aus den Schlagzeilen verdrängt. Dabei ist das "Hoch-Unsicherheitsgefängnis" ein gefundenes Fressen für die Opposition: unbesetzte Wachtürme, defekte Alarmknöpfe und Zellen, die nie kontrolliert werden. Da kann ein Justizsenator schon mal mächtige Probleme kriegen. Nicht aber Kusch. 2001 hatte er als Law-and-Order-Mann im Wahlkampfteam von Ole von Beust angeheuert. Dabei war er gegen "Richter Gnadenlos" Ronald Schill ohne den Hauch einer Chance. Die CDU fuhr das schlechteste Wahlergebnis seit Jahrzehnten ein - doch Kusch fand sich als Senator wieder. Und erwarb sich einen zweifelhaften Ruf: Behördenintern wird er "lächelnde Guillotine" genannt. Kusch brachte es zwar auf zahlreiche Skandälchen und Affärchen, konnte sich im Windschatten der wirklichen Skandale eines Schill und der atemberaubenden Fehlentscheidungen des Bildungssenators Rudolf Lange (FDP) aber problemlos halten. Und als er dann doch noch seinen Untersuchungsausschuß bekam, da gab es dann Neuwahlen. Die brachten der CDU eine absolute Mehrheit und Roger Kusch erneut den Senatorensessel. Felix, "der Glückliche", wäre vielleicht der passendere Vorname. Roger ist übrigens normannisch und bedeutet "Ruhm und Ehre durch den Speer" . . . Es gibt indes noch andere Senatoren, die ganz froh sein dürften, nicht im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen: Birgit Schnieber-Jastram etwa. Die zur Zweiten Bürgermeisterin beförderte Sozialsenatorin hat sich zwar keinerlei Skandale geleistet, aber auch eine Menge ungelöster Probleme. Vor allem ein "Erbe" der Bildungsbehörde macht ihr zu schaffen: die Kitas, für die sie erst seit Rudolf Langes Rücktritt zuständig ist. Ihre Vorgabe: mehr Leistung für weniger Geld. 90 Millionen Euro weniger will sie den Kita-Trägern nächstes Jahr geben, dafür sollen die mehr Kinder betreuen. Kein Wunder, daß die Verhandlungen mit den Trägern scheiterten. Doch auch die gesetzgeberische Rettungstat erweist sich als schwierig. Denn das Gesetz, mit dessen Hilfe Schnieber-Jastram die Zahlungen an die Träger einseitig festlegen will und das nächste Woche verabschiedet werden soll, ist rechtswidrig. So steht es in zwei Gutachten - auch in dem, das die Behörde selbst in Auftrag gegeben hat. Die Kitas sind aber nicht ihr einziges Problem. Ein vernünftiges Konzept für das geschlossene Heim an der Feuerbergstraße hat sie immer noch nicht vorgelegt. Spötter meinen, das Konzept bestünde darin, daß dort täglich der Tag der offenen Tür gefeiert werde. Und auch die Kassenlage macht der Senatorin zu schaffen. Denn die Sozialhilfekosten steigen immer weiter an. Im mittlerweile dritten Jahr hintereinander werden die Prognosen der Behörde deutlich überschritten.

Noch vor einigen Wochen mächtig unter Druck Das Trio der Airbus-Profiteure wird komplettiert mit Innensenator Udo Nagel. Der Parteilose war noch vor einigen Wochen mächtig unter Druck. Tausende Polizisten protestierten lautstark gegen den Sparkurs bei den Personalkosten und starteten eine Volksinitiative. Selbst Teile der CDU-Fraktion grummelten laut, weil ausgerechnet ein CDU-Senat die härtesten Polizeiproteste seit langer Zeit provoziert hatte. Heute redet fast niemand mehr darüber - auch nicht über das höchstumstrittene "härteste Polizeigesetz Deutschlands", das Nagel durchsetzen will. Und wen interessiert schon die gegen Null tendierende Aufklärungsquote bei Einbrüchen, wenn in Neuenfelde ein paar Obstbauern und Kirchenleute gegen den Airbus-Konzern und den Senat kämpfen?