Die Woche im Rathaus
Da sage noch mal jemand, Politik sei nicht berechenbar. Parteien fungierten bisweilen als Arbeitsamt für ihre Mitglieder, hat der Sozialdemokrat Freimut Duve einmal gesagt. Soll heißen: Wer regiert, setzt seine Parteifreunde auf lukrative Posten. Und wer Opposition ist, der empört sich dann über Filz. Dass dieses Spiel so gut wie immer funktioniert, zeigte sich diese Woche in Hamburg.
Kaum war klar, dass der bisherige Chef der städtischen Immobiliengesellschaft Sprinkenhof AG, Karl-Heinz Ehlers (CDU), seinen Job aufgibt, da setzten die Christdemokraten flugs einen anderen Parteigänger auf den gut dotierten Geschäftsführerposten: ihren Bürgerschaftsabgeordneten und Haushaltspolitiker Henning Tants. Ohne Ausschreibung, ohne Befassung der Deputation, ohne jede Diskussion.
Dass Bürgermeister Ole von Beust (CDU) damit das Gegenteil von dem tut, was er als Oppositionsführer angekündigt hatte, beweist ein Blick ins Archiv. "In den Behörden ist die Deputation ab Besoldungsgruppe A15 an Personalauswahlverfahren zu beteiligen. Die gesamte Liste der Bewerber und ihre Bewertung sind den Mitgliedern im Personalausschuss der Deputation vorzulegen" heißt es im CDU-Votum des Filz-Untersuchungsausschusses 2001. "Dies hat für Stellen in den Behörden wie in öffentlichen Unternehmen zu gelten." Im CDU-Wahlprogramm von 2001 steht unter dem Titel: "Schluss mit Ämterpatronage Machtmißbrauch - Parteibuchwirtschaft": "Wir werden dafür sorgen, dass jeder ausschließlich nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ein öffentliches Amt erhält. Das erreichen wir durch transparente Personalauswahlverfahren."
Heute will von Beust von derlei Anti-Filz-Programm nichts mehr wissen - und sich zu der Tants-Berufung auch nicht äußern. Schon vor zwei Jahren hatte er den CDU-Abgeordneten Heino Vahldieck zum neuen Verfassungsschutzchef gemacht ohne jegliches Auswahlverfahren.
SPD-Fraktionschef Michael Neumann sieht denn auch bereits "schwarzen Filz" in Hamburg wuchern. GAL-Vizechef Jens Kerstan wirft der CDU vor, sie behandle die Sprinkenhof wie einen "Erbhof". Und FDP-Ex-Fraktionschef Burkhardt Müller-Sönksen spricht mit Hinblick auf die CDU-Werbefarbe von "orangenem Filz". Besonders schlimm sei, dass Tants den Haushaltsausschuss leite. Niemand glaube wohl, dass er dort als ernst zu nehmender Kontrolleur öffentlicher Unternehmen auftrete - wo er selbst bald Chef eines solchen werde. "Der Senat kann sich von Seiten der CDU-Fraktionnun auf harmonische Haushaltsberatungen einstellen", lästert Müller-Sönksen. SPD-Fraktionschef Neumann forderte denn auch den Rücktritt Tants’ als Ausschuss-Chef. "Dass einer ein Unternehmen kontrolliert, in dem er Chef werden soll", sagt Neumann - "so etwas gibt es in Mitteleuropa nur selten."
Hamburgs SPD hat einen neuen Sprecher. Bülent Ciftlik, in Hamburg geborener Sohn türkischer Eltern, ist Nachfolger des zur Bürgerschaftsfraktion gewechselten Christoph Holstein. Der 32-jährige Ciftlik hat in Hamburg und Kansas Politik und Kriminalistik studiert, war an der Wahlkampange des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Al Gore beteiligt - und blickt auf eine für SPD-Karrieren optimale Kindheit zurück. Sein Vater war Arbeiter bei Blohm + Voss, seine Mutter arbeitete als Putzfrau. "Ich selbst habe ihr noch mit 25 geholfen Arztpraxen zu putzen", so Ciftlik. Dass er in die SPD eingetreten sei, habe einen einfachen Grund: "Ich habe mich in der SPD als Deutscher mit türkischen Eltern von Anfang an willkommen gefühlt."
Die Kassen sind leer. Deswegen ist derzeit offenbar keine Spar-Idee zu absurd alles wird geprüft. Man denke darüber nach, Behördenmitarbeiter als Briefträger einzusetzen, um Porto zu sparen, so ein Insider. Jeder soll in Zukunft einen Stapel Knöllchen, Finanzamtsbescheide oder Mahnungen bei seinen Nachbarn oder in seinem Viertel in die Briefkästen stecken. Finanzstaatsrat Robert Heller sagt zwar, er habe von der Idee noch nichts gehört. Man werde sie aber prüfen. Den Bediensteten der Stadt dürfte das nicht gefallen. "Wenn ich meinen Nachbarn dauernd Bußgeldbescheide vorbeibringe", so ein genervter Mitarbeiter der Finanzbehörde, "dann redet in meiner Straße irgendwann niemand mehr mit mir."