Die Woche im Rathaus

Es war schon ausßergewöhnlich, wie die Bürgerschaftssitzung am Mittwoch begann. SPD-Chef Mathias Petersen ging unter hämischen Zwischenrufen der CDU als erster ans Rednerpult - und entschuldigte sich. Es sei zwar juristisch in Ordnung, aber politisch unklug gewesen, daß er jahrelang Büromieter im Hause seiner Frau gewesen sei, so Petersen. "Es tut mir leid, falls dem Ansehen der Bürgerschaft dadurch ein Schaden entstanden sein sollte." Am selben Tag hatte das Abendblatt berichtet, daß Petersen jahrelang sein steuerbezuschußtes Abgeordnetenbüro im Hause seiner Frau hatte, in dem auch seine Praxis liegt.

Die prompte öffentliche Entschuldigung ist immer noch eine Ausnahme in der Politik. Gerade die CDU hätte sich vielleicht überlegen sollen, ob ihre Zwischenrufe an dieser Stelle so klug waren. Denn zuletzt zeigten sich Christdemokraten wegen Bestechung und Verleumdung gegenseitig an, beschäftigten Lebensgefährtinnen als steuerfinanzierte Mitarbeiter, gerieten wegen Fesselspielchen mit Minderjährigen in die Schlagzeilen oder legten Mandate nieder, weil sich herausstellte, daß sie gar nicht in Hamburg wohnen - oder weil wegen Verbreitung von Kinderpornographie gegen sie ermittelt wird.

Dem Ansehen des Parlamentes haben diese CDU-Abgeordneten damit auf jeden Fall geschadet. Aber anders als Petersen hat sich kein Christdemokrat dafür entschuldigt. Statt dessen rufen die Abgeordneten dazwischen, wenn der SPD-Chef Selbstkritik übt - und behalten selbst ihre dubiosen Mietverhältnisse einfach bei. Der CDU-Abgeordnete Ralf Niedmers und seine Frau Natalie Hochheim mieten ihre vom Steuerzahler finanzierten Büros weiterhin bei Niedmers Vater. Für sie ist es, anders als für Petersen, offenbar kein Problem, wenn die Staatsknete auf diese Weise in die Familienkasse umgeleitet wird.

Nicht immer freilich gibt sich die SPD so selbstkritisch. Als das Abendblatt über die umstrittenen Mietverhältnisse von SPD-Abgeordneten bei einem SPD-nahen Verein berichtete, kam als Antwort prompt die vor allem bei Genossen stets beliebte Medienschelte. Die Berichte hätten auch mit "Medienpolitik" zu tun, so SPD-Geschäftsführer Ties Rabe. Andere Genossen ließen durchblicken, was das heißen sollte: Wieder einmal war der angeblich so böse Springer-Verlag an allem schuld. Daß das Abendblatt zuvor über Wochen die CDU-Skandale mit aufgedeckt hatte, oder in vergangenen Jahren, etwa durch Recherchen zu Schills Staatsrat, mit zu Neuwahlen beigetrug, vergessen die Genossen gern. Offenbar fühlt sich die Partei nur von Medien gerecht behandelt, die ihr selbst gehören - und das werden immer mehr: Nicht nur an Regionalzeitungen ist die SPD über ihre Medienholding beteiligt, auch die "Frankfurter Rundschau" gehört ihr. Bis vor kurzem besaß sie auch Anteile an der "Szene Hamburg". Selbstredend berichten diese Publikationen stets objektiv über die Sozialdemokratie . . .

Die Kapitalismusdebatte hat Harburg erreicht. SPD und GAL werfen dem neuen Eigentümer der Phoenix AG, der Continental AG, vor, sie betreibe Brutalo-Kapitalismus. Hintergrund: Conti feuert 860 Phoenix-Mitarbeiter, obwohl das Unternehmen ein Rekordergebnis eingefahren hat. GAL-Parteivize Jens Kerstan plädiert nun indirekt für einen Boykott: "Warum sollten die Hamburger ihre Reifen jetzt noch bei Conti kaufen?"

"Mehr Leidenschaft!", forderte GAL-Fraktionsvize Willfried Maier von Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU), als diese in der Bürgerschaft eher gelangweilt über das Thema "Älter werden in Hamburg" sprach. Schnieber-Jastrams schlagfertige Antwort: "Immer wenn ich Sie sehe, Herr Dr. Maier, dann werde ich sofort ganz leidenschaftlich." Der scheinbar peinlich berührte GALier: "Oh Gott, jetzt werde ich ganz rot."