Die Woche im Rathaus
Der Dienstag war ein großer Tag für Thomas Mirow. Erstmals durfte der SPD-Bürgermeisterkandidat eine Kabinettssitzung leiten. Schade für ihn, dass es nur sein Schattensenat war, der sich in der Patriotischen Gesellschaft für die Fotografen zusammensetzte. Den Begriff "Kompetenzteam", den Mirow für seine Mannschaft benutzt, hat die SPD nicht nur von Edmund Stoiber abgeschrieben. Angesichts der Umfrage vom Mittwoch, die der Bundes- SPD nur 24 Prozent gibt, droht Mirows Truppe auch ein Ende wie Stoibers Schattenkabinett von 2002: kompetenzlos im politischen Nirwana. Tatsächlich glaubt derzeit kaum noch ein Genosse an einen Wahlsieg - bestenfalls an die Nebenrolle in einer großen Koalition. "Auf uns kommt ein katastrophales Wahlergebnis zu", befand am Mittwoch ein SPD-Abgeordneter am Rande der Bürgerschaft. Und im Kurt-Schumacher-Haus heißt es bereits: "Durchatmen und warten, dass es vorbei ist." Schon aufgeben wollen die Genossen aber nicht. Um die Stimmung zu kippen, haben sie ihr Wahlkampfteam verstärkt. Neben Geschäftsführer Ties Rabe, Fraktionsvize Michael Neumann und Sprecher Christoph Holstein ist der umtriebige Abgeordnete Thomas Böwer nun ins Kurt-Schumacher- Haus eingerückt. Kita-Experte Böwer arbeitet hauptberuflich als Geschäftsführer von "Image Austria", einer Gesellschaft, die für die Wiener Schwesterpartei SPÖ Werbeballons, Bierdeckel und Kondome vertreibt. Für Mirow soll er die Kandidatenduelle vorbereiten. Je nach Bedarf organisiert er auch mal Jubeljusos, die auf Kommando "Thomas, Thomas" rufen - wie beim Wahlkampfauftakt mit Henning Scherf. Und er soll darauf achten, dass der Kandidat im rechten Licht und an gut justierten Mikros steht. "Beim Wahlkampf-Start war das Rednerpult viel zu hoch, man konnte Mirow kaum sehen", heißt es aus der SPD. "Dafür, dass so was nicht passiert, soll in Zukunft Böwer sorgen."
In der CDU ist man angesichts der Umfragen siegessicher - vielleicht zu sicher. Die Wahlaussage der Partei hat nur drei Buchstaben: Ole. Beim Parteitag am vergangenen Sonnabend hatten die Christdemokraten den Tagungssaal im Curiohaus mit meterhohen, braunen Von-Beust-Postern umrahmt - man fühlte sich fast an den Großen Bruder aus dem Roman "1984" erinnert. Bisher ist die CDU mit der Konzentration auf den Spitzenkandidaten gut gefahren. Jetzt aber läuft sie nach Ansicht von Experten Gefahr, die Ole-Manie zu übertreiben. Die neuen Plakate zeigen einen geschönten von Beust mit dem Slogan "Michel. Alster. Ole." Das könnte selbst eingefleischten Fans zu dick aufgetragen sein. Die Alster fließt seit Menschengedenken, und der Michel steht seit Jahrhunderten. Von Beust aber war gerade mal zwei Jahre Bürgermeister. Ihn zu einem Wahrzeichen Hamburgs zu stilisieren, könnte den Eindruck von Überheblichkeit erwecken, warnen Politprofis. "Der Slogan erscheint vermessen", sagt Politologe Cord Jakobeit. "Es ist verständlich, dass die CDU den beliebten von Beust im Wahlkampf nach vorn rückt. Wenn sie aber überzieht, könnte das nach hinten losgehen."
In der Bürgerschaft bildeten sich am Mittwoch ganz neue Allianzen: Die Alt-Schillianer taten sich mit der sonst so angefeindeten SPD zusammen, um gegen CDU und FDP ein Tariftreue-Gesetz zu beschließen. Ronald Schill, dem die Bürgerschaft einen Posten in ihrem Präsidium verweigerte, zog wütend über die anderen Parteien her - und kassierte gleich mehrere Ordnungsrufe. SPD-Fraktionschef Walter Zuckerer fordert nun, Schill das Übergangsgeld von rund 175 000 Euro zu streichen. "Angesichts der neuen Ausfälle sollte der Senat sich endlich mit dieser Frage befassen", so Zuckerer. Laut Senatsgesetz kann Ex-Senatoren das Übergangsgeld gestrichen werden, wenn sie sich durch ihr "Verhalten der Achtung, die das Amt erfordert, unwürdig", gezeigt haben. Der Senat muss die Aberkennung beim Verfassungsgericht beantragen. Im Rathaus hat man den Fall längst zur Prüfung an die Senatskanzlei gegeben aber die prüft seit Monaten, ohne ein Ergebnis vorzulegen. Der Grund liegt auf der Hand: Ein Verfahren würde Schill neue Aufmerksamkeit sichern. Eine Aberkennung könnte ihn zum vermeintlichen Opfer machen - und seine Wahlchancen stärken, fürchten CDU-Strategen. Senatssprecher ChristianSchnee weist die SPD-Forderung denn auch zurück: "Das Ganze ist für uns kein Thema. Wir machen keine Märtyrer."
Der Mann, dessen Entlassung zum Bruch der Regierung führte, kümmert sich derweil nicht mehr um Politik sondern um die Wissenschaft. Ex- Innenstaatsrat Walter Wellinghausen, wegen ungenehmigter Nebentätigkeiten im August in den Ruhestand versetzt, arbeitet jetzt an einer Doktorarbeit. Möglicher Doktorvater: CDU-Verfassungsexperte Ulrich Karpen. Die Promotion scheint für den 59-Jährigen ein Stück Vergangenheitsbewältigung zu sein. Geplantes Thema der Arbeit: Die Stellung des Staatsrates in der Hamburger Verwaltung.