Die Woche im Rathaus

Lange Zeit genoß Hamburgs parteiloser Wissenschaftssenator Jörg Dräger einen guten Ruf. Der Physiker, der stets von "zu sprengenden Fesseln" spricht und "Steinen, die ins Rollen gebracht werden müssen", galt vielen als Wunderkind. Ole von Beust adelte ihn zur "Perle" des Senats, auch aus der CDU-Fraktion war lange kein Gegenwind gegen Drägers Umwälzungsarie an den Hamburger Hochschulen spürbar. Und das, obwohl längst nicht alle seiner Reformanstrengungen den Nerv der Christdemokraten tatsächlich trafen. Doch Dräger schien - auch aufgrund geschickter PR in eigener Sache - unangreifbar.

Bis zum vergangenen Montag. Da platzte den Mitgliedern der CDU-Fraktion zum ersten Mal der Kragen. Es ging um das Gesetz zur Einführung von Studiengebühren. Die Wissenschaftsexperten um Wolfgang Beuß pochten darauf, die Belastungen für BAföG-Empfänger dadurch zu mildern, daß sie nach dem Studium nicht mehr als 17 000 Euro zurückzahlen müssen. Doch Dräger wollte von so einer Kappungsgrenze partout nichts wissen, den Hochschulen gehe dadurch zuviel Geld verloren. Die CDU, ohnehin in Sorge um ihr soziales Profil, ließ es auf den Konflikt ankommen - und gewann. Dräger mußte sich notgedrungen einverstanden erklären mit der Obergrenze, die in anderen CDU-regierten Ländern wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sogar bei noch niedrigeren Beträgen festgesetzt wurde.

Der Senator aber hat noch nie großen Wert darauf gelegt, daß sein Kurs CDU-kompatibel ist. Konservativ kann man ihn nicht nennen, dafür sind seine Umwälzungen zu radikal. Während Unions-Hochburgen wie Bayern und Baden-Württemberg nicht im Traum auf die Idee kommen, ihre großen Hochschulen wie die LMU München oder die Uni Tübingen zu schwächen, ist Dräger seit Jahren dabei, sowohl der Universität Hamburg als auch der TU Harburg Studiengänge zu entreißen und in - vornehmlich naturwissenschaftlich geprägte - Neugründungen wie die kleine HafenCity Universität (HCU) zu überführen.

Der Vorwurf, daß er die gewachsene Hamburger Hochschul-Landschaft mit Uni und TU im Zentrum dadurch zerstören könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Folgen sind unabsehbar. Es scheint, als seien Dräger all die neuen Mini-Hochschulen lieber als insbesondere die nach seinem Geschmack viel zu geisteswissenschaftlich geprägte Uni, der er einst die Möglichkeit geben wollte, sich durch Ausgliederung ganzer Fachbereiche selbst aufzulösen.

Daß Dräger nicht nur mit Geisteswissenschaften, sondern auch mit der CDU nicht viel am Hut hat, zeigte sich früh: Vor dem Regierungswechsel 2001 schickte er dem SPD-Landesvorstand seine Bewerbungsunterlagen. Wolfgang Marx (SPD) erinnert sich: "Er war bei uns als Staatsrat vorgesehen, wollte unbedingt Hochschulpolitik machen." Nach der SPD-Wahlniederlage heuerte Dräger ersatzhalber auf dem Ticket der FDP als Wissenschaftssenator an. Und auch Beust wollte den Meister der Selbstinszenierung nach dem CDU-Sieg 2004 behalten.

Dabei gelang ihm bislang vor allem eine Änderung der Strukturen und weniger eine qualitative Verbesserung der Lehre. Bachelor und Master als neue Abschlüsse, Fakultäten statt Fachbereiche: Eine Stärkung des Leistungsgedankens, ebenfalls klassisches CDU-Anliegen, ist in den durch das amerikanische System inspirierten Änderungen nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Mit der Einführung von Studiengebühren setzt Dräger ein Signal in die andere Richtung: Der Geldbeutel wird wichtiger - und nicht das Können der Studenten. Doch der Senator muß sich darauf einstellen, daß die CDU sein Treiben jetzt genauer beobachtet.