Die Woche im Rathaus

Die heiligen Schwüre der Bürgerschafts-Abgeordneten sind noch gut in Erinnerung: Beim jetzt anstehenden Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) zur berüchtigten Protokoll-Affäre soll es ganz sachlich und konzentriert zu Werke gehen - Aufklärung statt Scharmützel. Noch ist die konstituierende Sitzung dieses sogenannten PUA II (der aus dem ersten PUA zum geschlossenen Heim Feuerbergstraße hervorging) nicht erfolgt, da ist schon klar: Es bleibt wohl doch bei der kleinlichen Beckmesserei, der Herabsetzung des politischen Gegners und dem Kampf um jeden Meter Terraingewinn zwischen Regierung und Opposition. Kaum war Mitte der Woche heraus, daß sich die SPD mit der Benennung ihrer Abgeordneten für den PUA II schwer tut, da ritt die CDU schon die erste Attacke gegen den schwächelnden Gegner. Der PUA II drohe zu einem "peinlichen Profilierungsforum für SPD-Hinterbänkler" zu werden, unkte Harald Krüger, der von seiner Fraktion bereits nominierte CDU-Obmann im PUA II. Der Spruch war auf den Sozialdemokraten Wolfgang Marx gemünzt, der in der SPD als Kandidat für den PUA-Vorsitz gehandelt wurde. Marx sitzt tatsächlich in der vorletzten Reihe der Bürgerschaft und hat sich bislang noch nicht über die Maßen in Szene setzen können.

Wer mit dem Finger auf andere zeigt . . .

Doch Krüger hat im Eifer seines schnellen Vorstoßes vermutlich übersehen, daß die Union selbst Hinterbänkler in den PUA II schickt: Wolfgang Müller-Kallweit hat seinen Platz in der letzten Reihe des Parlaments und Kollege Andre Trepoll in der Sesselgruppe davor. Beide gehörten bislang dem PUA I an, ohne dort durch hartnäckige Zeugenfragen aufzufallen. Merke: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, sollte wissen, daß mehrere auf ihn selbst weisen. Die SPD tut sich mit der Personalentscheidung schwer, weil der Posten des PUA-Vorsitzenden für die Oppositionspartei von erheblicher Bedeutung ist. Der Chef im PUA-Ring hat großen Einfluß auf das Verhandlungsklima, übernimmt die erste Fragerunde jedes Zeugen und erteilt oder entzieht den Abgeordneten das Wort. Es geht um viel: Nach den Entlassungen von Sozial- Staatsrat Klaus Meister und Justizsenator Roger Kusch (CDU) in der Protokoll-Affäre ist das Regierungslager geschwächt. Vor dem PUA II müssen die Top- Leute der CDUAdministration erscheinen: unter anderen der Erste Bürgermeister Ole von Beust, die Zweite Bürgermeisterin Birgit Schnieber-Jastram und der einflußreiche Senatskanzlei- Chef Staatsrat Volkmar Schön. Die SPD muß einen Vorsitzenden ins Rennen schicken, der den Großakteuren auf Augenhöhe begegnen kann − auch mit Witz und Charme.

In der SPD-Neidgesellschaft ist noch alles möglich

Marx gilt zwar als profunder Kenner der parlamentarischen Abläufe und bringt als früherer Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses Erfahrung mit. Aber nicht alle trauen ihm die Lockerheit und Spontaneität zu, wenn in verfahrenen Situationen der Zeugenbefragung Stimmungswechsel gefragt sind. In der kleinen Neidgesellschaft der SPD-Abgeordneten hat sich Marx zudem dadurch geschadet, daß er frühzeitig − auch öffentlich − sein Interesse an dem Amt bekundet hat. So könnte es sein, daß den Abgeordneten kurz vor der Entscheidung am Montag ein neuer Name präsentiert wird: Walter Zuckerer, Ex-Fraktionsvorsitzender, ein glänzender Rhetoriker mit Ironie und Selbstbewußtsein, der auch einem gut aufgelegten von Beust Paroli bieten kann. Nur hat Zuckerer bislang überhaupt kein Interesse an dem Posten durchblicken lassen. Wie auch immer − CDU-Parteichef Dirk Fischer hat längst die Gefahr erkannt, die in den beiden PUAs liegt. "Wir dürfen das Feld nicht der Opposition überlassen, die es nur für ihre Profilierung nutzen will", hämmerte er seinen Mitstreitern auf dem kleinen CDUParteitag am Mittwoch ein.