Die Woche im Rathaus

Sie haben es eilig. Die Zeit drängt. Und das ausgerechnet in der Sommerpause, wo's doch eigentlich ruhig zugehen sollte. Nur noch 43 Tage bleiben bis zur Bundestagswahl. Da gilt es, in kürzester Zeit die größtmögliche Strecke zurückzulegen. Und Punkte zu sammeln fürs Wählerkonto. Vorfahrtsregeln werden dafür außer acht gelassen.

So hieß es bereits am vergangenen Wochenende Links vor Rechts im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Der PDS Landesverband Hamburg und die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) hatten zur Aufstellung ihrer Spitzenkandidaten gerufen. Ganz vorn auf der Liste: der parteilose Völkerrechtler Norman Paech. Dieser gab Gummi und machte prompt das Rennen. Allerdings war der Professor auch ganz allein auf der Zielgeraden - er hatte keinen Gegenkandidaten. Paech, der immer und überall für Frieden und Menschrechte eintritt, hat allerdings wenig Sinn für die Sorgen der typischen Linkspartei-Klientel: "Ich habe von Rentenkassen keine Ahnung. Finanz- und Steuerpolitik macht mich nicht gerade sinnlich", ließ er verlauten. Den Genossen war das egal. Sie stellten ihm dennoch den Führerschein aus.

Die Mitstreiter lauern am Wegesrand. Auf der Reise zur Bundestagswahl gilt es, sich gezielt die Vorfahrt zu sichern. Schon am Dienstag setzte der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Hesse daher zum Überholmanöver an. Mit einem Vorschlag, der das Interesse der Öffentlichkeit blitzartig in die entgegengesetzte Richtung lenkte. Hesse weiß, wie das geht. Schließlich ist der CDUler Experte in Sachen Verkehr. Unter dem Schlagwort "mehr Sicherheit" versuchte er, den Bürgern die Ausweitung von Radarkontrollen schmackhaft zu machen. Sein Argument: mit mobilen Blitzpistolen die "Rowdys aus dem Verkehr ziehen" zu wollen und damit "schwächere Verkehrsteilnehmer zu schützen". Ganz andere Töne hatte sein Fraktionskollege Heiko Hecht noch im vergangenen Jahr angeschlagen. Da forderte er mit den Worten "Abzockfallen sind unzeitgemäß" den Abbau der Blitzanlage an den Elbbrücken. Und auch Hesse selbst fuhr beim Thema schon mal einen Zickzackkurs. Vor fünf Jahren beschwerte er sich darüber, daß die fest installierten Blitzanlagen hauptsächlich aus "fiskalischen" Gründen aufgebaut seien. Heute verweist er eher lau darauf, daß die "Starenkästen" noch aus der Rot-Grünen Ära stammen. Stehen sie damit unter Denkmalschutz?

Die Bußgeld-Einnahmen für die Stadt hätten sich bestimmt schon am Mittwoch um ein paar Dutzend Euro erhöht, wäre der CDU-Vorschlag nicht nur auf dem Papier, sondern bereits auf den Straßen umgesetzt. Dort nämlich hatte es einer besonders eilig: der Bundeskanzler persönlich. Gerhard Schröder war mit einer ganzen Wagenkolonne von Berlin nach Hamburg gereist. Und hätte bei seiner Tour durch Altona wahrscheinlich nicht nur in Hamburg, sondern gleichzeitig auch in Flensburg Punkte gesammelt, wäre ihm eine von Hesses mobilen Blitzpistolen in die Quere gekommen. Denn der Kanzler raste förmlich von Termin zu Termin. Holsten-Brauerei, Desy, "Fabrik". Dort sorgte er auch gleich für ein Verkehrschaos. Und hinterher? Während die Leute noch im Stau standen, war Schröder schon wieder abgedüst. Viel zu schnell. Vielleicht ist der Kanzler der Hamburger CDU ja doch noch in die Falle gegangen. Und hat in irgendeinem Starenkasten am Straßenrand ein Abschiedsfoto hinterlassen.

Vor lauter Tempo rutschen die Parteien im Wahlkampf manchmal ab ins Banale oder Lächerliche. Mit großspuriger Pressemeldung verkündete die SPD am Freitag, ein CDU-Mitglied sei nun zu ihr übergelaufen - und zwar ein gewisser Mark T. Jones. Oha, dachte sich der Leser dieser Mitteilung, faszinierend. Wer aber ist Mark T. Jones? Es handle sich um einen ehemaligen Mitarbeiter einer Bürgerschaftsabgeordneten, erläuterte die Meldung. Na dann, dachte man sich - hat die SPD ja offenbar den dicksten Fisch seit langem gefangen.

Apropos Tempo: Ganz Hamburg kämpft mit Hochdruck für den Erhalt des britischen Generalkonsulats. Da wollte auch der kürzlich in die Bürgerschaft nachgerückte CDU-Abgeordnete Hans Lafrenz nicht hinten anstehen und schrieb noch einen persönlichen Brief an den britischen Botschafter Sir Peter J. Torry - so nach dem Motto: Jede Stimme zählt. Tatsächlich erhielt der Politiker Antwort von Sir Peter. Er versicherte ihm, daß auch seine Meinung berücksichtigt werde "bevor eine endgültige Entscheidung getroffen werden muß". Gut so.