Platt: Günter Harte wird heute 80 Jahre alt
"In unserer Gegend wurden zwei Sprachen gesprochen: Hamburger Hochdeutsch und Plattdeutsch. Gemerkt haben wir Kinder das nicht. Das war uns ganz natürlich. Das war unsere Umwelt". Günter Harte, der bekannte plattdeutsche Autor, wuchs in Eimsbüttel, an der Sillemstraße auf. Da wohnten damals noch viele Arbeiter und sogenannte "Kleinbürger", also untere Beamte, Handwerker und kleine Angestellte. Als älterer Schüler hat Harte ein paar Jahre nachmittags für "55 Penn de Stünn" bei Handwerkern als Laufbursche und Aushilfe gearbeitet.
Zwischen Arbeitsdienst und Militärdienst bei der Marine hat Harte 1944 sein Abitur gemacht. Nach dem Krieg hat er an der Hamburger Universität "op Lehrer" studiert. Deutsch und Englisch wollte er studieren und hat von seinem Professor Walter Niekerken gelernt: Plattdeutsch kann man studieren. Mit diesem Professor hatte er "in'n Glückspott langt". Niekerken hatte ihm im richtigen Augenblick die Richtung gezeigt.
Hugo Sieker, Feuilleton-Redakteur bei der "Hamburger Freien Presse", war der zweite Mann, der Harte auf seinem Lebensweg eine Richtung vorgab. Er holte sich den Studenten, der ihm helfen sollte, plattdeutsche Namen von Arbeitern und Handwerkern zu finden, zu denen der Zeichner Karl Duch dann Bilder zeichnete: Strippentrecker, Quekenpuhler, Toseggersch, Kaffeemietje . . . "Kennt ji de?" war ein großer Erfolg. "Und dann war ich bums im Feuilleton und kriegte die buntesten Sachen zu tun: Leseabende besuchen, übers Ohnsorg-Theater schreiben, plattdeutsche Bücher besprechen, Geschichten zum Abdruck rausfinden." Er mußte zur niederdeutschen Dichtertagung nach Bevensen fahren. Und da lernte er all die Menschen kennen, von denen er in Seminaren und Vorlesungen, aus Büchern und Manuskripten gehört oder gelesen hatte. Er fuhr dann Jahr für Jahr zur Dichtertagung und schrieb später ein Buch über 25 dieser plattdeutschen Autoren ("Platt mit spitzer Feder").
Seit 1953 war Harte Lehrer an der Mittelschule am Brink in Bergedorf. Von Anfang an hat er dort auch Plattdeutsch unterrichtet. In seiner ersten Stunde hatte er ein Erlebnis, das er nicht wieder vergessen konnte. Als er auf platt erzählte und eine kleine Geschichte mit den Schülern las, merkte er, "dat de Verlanner Kinner eerst hooch opkeken, denn ganz verlichtert opaten un dankbar weern, dat dar en Lehrer ehr Huusspraak so ernst un wichtig nehm." Zwölf Jungen haben dann drei Jahre lang jede Woche freiwillig eine Stunde Plattdeutsch gelernt. Bis 1981 war Harte Lehrer und Schulleiter. Zugleich war er Schriftleiter der "Niederdeutschen Korrespondenz", alle 14 Tage zehn Seiten. Von 1956 bis 1980 hat er diese Blätter herausgegeben - 567 Nummern.
Aber Günter Harte sprach seine Texte auch selbst: "Hör mal' n beten to!" hieß die Sendereihe im NDR von 1960 bis 1999. 1977 kam noch eine Aufgabe auf ihn zu. Für die Serie "Lütt beten Platt mit 't Abendblatt" schreibt er seit 1977 Kolumnen. In der 1000. Folge sagt er: "Dat passt grood ganz, ganz slecht . . ." Das hat er sicher manchmal gedacht, aber er hat regelmäßig und unverdrossen für seine Fan-Gemeinde geschrieben. In der kommenden Woche sind es fast 1400 Geschichten.
Für seine Verdienste um die plattdeutsche Sprache erhielt Harte unter anderem als erster niederdeutscher Schriftsteller die Senator-Biermann-Ratjen-Medaille des Senats. Das wichtigste Buch hat er mit seiner 1991 verstorbenen Frau Johanna erarbeitet. Es heißt "Hochdeutsch-Plattdeutsches Wörterbuch" und wird nur "der Harte" genannt. Es enthält 10 000 hochdeutsche und 26 000 plattdeutsche Wörter, Beispiele und Redensarten.