Die Woche im Rathaus

Alle vier Jahre machen die Wähler ihr Kreuz. Und hinterher müssen sie's dann tragen. Birgit Berg-Khoshnavaz

Es war der erwartete Startschuß zum Wochenende: Neuwahlen. Richtig geweckt wurde die urlaubende politische Klasse Hamburgs davon aber nicht. SPD-Fraktionschef Michael Neumann schickte eine E-Mail aus dem Hause seiner Schwiegereltern in Istanbul und teilte mit, bei der SPD sei "der Kleister schon angerührt". Freilich dürfte der hier und da noch eintrocknen, denn viele Wahlkämpfer kehren erst in den nächsten Wochen aus dem Urlaub zurück. Auch Neumann kommt erst am Dienstag wieder nach Hamburg, um die Stadt zuzukleistern.

Ein anderer Sozialdemokrat ist indes schon jetzt fleißig am Flugblätterverteilen und Plakatekleben: Der einstige Juso-Chef und jetzige Eimsbütteler Direktkandidat Niels Annen. Dabei hat Bundeskanzler Gerhard Schröder dem 32jährigen mit seinem Neuwahl-Coup gerade die Lebensplanung durcheinandergebracht. Eigentlich wollte Annen, der Geschichte an der Uni Hamburg studiert, bis zum Jahresende sein Studium beenden - mit einer Arbeit über die kubanische Unabhängigkeit und die Auswirkungen auf die spanischen Sozialisten. "Jetzt plane ich, bis Mitte 2006 fertig zu werden", so Annen. "Es gibt ja auch andere Abgeordnete, die nebenbei studieren."

Bei all seinem Optimismus - so sicher ist es nicht, daß Annen das Direktmandat erringt. Denn im rot-grünen Eimsbüttel könnte der eloquente GAL-Kandidat Till Steffen (32) ihm entscheidende Stimmen wegnehmen. Profitieren würde der CDU-Kandidat Wolfgang Beuß (51), der so schon mit einem geringen Stimmenanteil den Sieg davontragen könnte. Der GALier sieht das anders - und gibt sich selbstbewußt: "Es liegt im Bereich des Möglichen, daß wir in Eimsbüttel das erste Hamburger Direktmandat gewinnen."

Hamburgs CDU-Chef bewies einmal mehr, daß er eine treue Seele ist. Auch diesmal hat Dirk Fischer Ex-Kanzler Helmut Kohl für einen großen Wahlkampfauftritt in Hamburg engagiert. Sogar in der Zeit, als Kohls Beliebtheit wegen des Spendenskandals im Keller war, hatte Fischer sein politisches Idol zu einer Veranstaltung eingeladen - damals zum Unwillen Ole von Beusts. Auch jetzt hat Fischer Kohl offenbar im Alleingang verpflichtet. Man lege die Wahlkampfplanung dem Bürgermeister nicht vor, hieß es aus der CDU-Zentrale. Senatssprecher Lutz Mohaupt betonte, Beust werde seine Unterstützung für Angela Merkel zeigen. "Er wird sich aber im Wahlkampf zurückhalten - mit Rücksicht auf seine parteiübergreifende Akzeptanz in der Stadt."

In dieser Woche plagten die CDU noch andere Sorgen. Der langjährige Partei-Mitarbeiter und Ex-Bürgerschaftsabgeordnete Clemens Nieting akzeptierte einen Strafbefehl wegen des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornographie. Anfang August will der Parteivorstand entscheiden, ob man sich von Nieting trennt, dessen Arbeitsverhältnis derzeit ruht.

Derweil liegen noch vier andere Verfahren gegen CDU-Abgeordnete bei der Staatsanwaltschaft. Jörn Fromman wird beschuldigt, Erziehungsgeld erschlichen zu haben; gegen Karl-Heinz Warnholz wird wegen Abgeordnetenbestechung ermittelt, und Bruno Claußen wurde wegen Verleumdung angezeigt. Zudem läuft ein Verfahren gegen den Ex-Abgeordneten Volker Okun wegen des Verdachts auf Wahlbetrug. Er hatte für die Bürgerschaft kandidiert, obwohl er nicht in Hamburg wohnte.

Es dürfte die CDU nicht freuen, daß die Verfahren vermutlich mitten im Wahlkampf abgeschlossen werden und damit wohl regelmäßig für negative Schlagzeilen sorgen.

Nicht nur die Volksparteien rüsten sich für den Kampf um die Stimmen. Auch die "Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands" (APPD), die in 14 Bundesländern antreten will, feilt am Wahlprogramm. Einige Slogans stehen schon fest, so etwa das bewährte "Arbeit ist Scheiße" oder "Erst saufen, dann wählen".

Der Hamburger Schatzmeister Felix Gerbrod (28) betont: "Wir sind keine Spaßpartei. Wir sind das Sprachrohr der Asozialen und Parasiten." Auch ein Wahlversprechen hat die APPD parat. "Wenn wir die 0,5-Prozent-Hürde knacken und Wahlkampfkostenerstattung bekommen, wird die restlos versoffen", so Gerbrod. "Dazu sind alle eingeladen."

Bei all dem bleibt einem nur noch, Mark Twain zu zitieren: "Es ist schon ein großer Trost bei Wahlen, daß von mehreren Kandidaten immer nur einer gewählt werden kann."