Dass Bürgermeister Ole von Beust ein Polit-Profi ist, weiß man. Gelegentlich ist zu beobachten, was das konkret bedeutet. Zum Beispiel am...

Dass Bürgermeister Ole von Beust ein Polit-Profi ist, weiß man. Gelegentlich ist zu beobachten, was das konkret bedeutet. Zum Beispiel am Donnerstag: Da sagte von Beusts Sprecher Christof Otto auf die Frage, ob von Beust von der umstrittenen 200-Millionen-Euro-Ausschüttung an stille Einleger der HSH Nordbank vorab gewusst habe: "Der Bürgermeister ist darüber nicht informiert worden."

Der klare Satz könnte noch einmal Bedeutung erlangen, wenn das Nordbank-Desaster politisch aufgearbeitet wird. Der Preis: Von Beust lässt Finanzsenator Michael Freytag (CDU) damit derzeit im Regen stehen. Denn Freytag war zumindest abstrakt über den Plan der angeschlagenen Bank informiert - oder präziser: Er hätte sich (und damit auch von Beust) genau informieren können. Der Hinweis auf die unpopuläre Zinszahlung in Zeiten des 2,8-Milliarden-Euro-Verlusts war ein wenig versteckt in einer Mitteilung der Bank vom Freitag der Woche zuvor aufgetaucht.

Von Beusts Sprecher hätte mit einer vagen Formulierung den Eindruck vermeiden können, dass Bürgermeister und Senator nicht den gleichen Wissensstand in einer so zentralen Frage haben. Aber der kluge Mann baut vor, und im politischen Geschäft ist sich letztlich jeder selbst der Nächste. Sollte es irgendwann einmal zu einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Sachen Nordbank kommen, keine allzu unwahrscheinliche Annahme, dann lautet eine klassische Frage: Wer wusste wann was? So gesehen hat sich von Beust mit dem eindeutigen Satz seines Sprechers vor unliebsamen Überraschungen geschützt.

Es wäre dennoch unzulässig, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass zwischen dem Ersten Bürgermeister und seinem Finanzsenator Eiszeit herrscht. Von Beust vertraut seinem obersten Kassenwart, auch wenn der gelegentlich mit seinen öffentlichen Äußerungen eine etwas unglückliche Figur abgibt. Aus Koalitionskreisen ist hinter vorgehaltener Hand dennoch Kritik am Krisenmanagement des Senators zu vernehmen.

Sicher, der Mann hat in diesen Wochen ziemlich viel um die Ohren. Er muss den Doppelhaushalt verantworten, den die Bürgerschaft Anfang März beraten und beschließen soll. Das Zahlenwerk wird angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise mit der Folge von Steuereinbrüchen wenig Bestand haben. Und dann auch noch das mühsame Ringen um das Überleben der einstigen Vorzeige-Landesbank.

Es gibt eine gewisse Verärgerung darüber, dass Freytag zwar immer wieder in internen Runden langatmig doziert, es aber relativ lange gedauert hat, bis die harten Fakten, sprich die bittere Wahrheit, über die Lange der Bank auf dem Tisch lag. Und zudem wussten die Kieler Minister und Parlamentarier häufig früher Bescheid als ihre Hamburger Kollegen.

Von Beust kann sich, wenn er es denn überhaupt wollte, schon aus machtstrategischen Überlegungen dennoch kaum von Freytag trennen. Der Präses der Finanzbehörde ist zugleich Landesvorsitzender der CDU und damit einer der mächtigsten Spieler im Koalitionskonzert. Etlichen in der Union gilt der etwas bedächtig wirkende Freytag als konservatives Gegengewicht zum Bürgermeister, der offen mit Positionen der Grünen sympathisiert - wie zum Beispiel in der Schulpolitik.

Während von Beust inzwischen zu Protokoll gegeben hat, dass er vom Konzept der sechsjährigen Primarschule inhaltlich überzeugt ist, bleibt Freytag deutlich reservierter. Erst unlängst hat er im Interview gesagt, dass die Union die umstrittene Reform nicht angestoßen hätte, sondern nur aus Koalitionsdisziplin mitträgt. Allerdings seien CDU und GAL nun zum Erfolg verdammt - "eine Überlebensfrage der Koalition".

Den Frust in der Partei über die schulpolitischen Zugeständnisse an die Grünen hat kurioserweise trotzdem Freytag abbekommen. Bei seiner Wiederwahl zum Landesvorsitzenden im Juni des vergangenen Jahres hatte Freytag nur gut 72 Prozent der Stimmen erhalten - ein Denkzettel. Von Beust weiß, dass viele Parteimitglieder seine Position in der Schulpolitik nicht mittragen, sich aber nicht trauen, gegen den populären Bürgermeister aufzumucken. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Von Beust darf den Bogen nicht überspannen.

Für Freytag wird es erst gefährlich, wenn es aus der Partei deutliche Kritik an seiner Amtsführung geben sollte. Doch so weit ist es nicht. Unübersehbar ist bislang allerdings, dass der umtriebige CDU-Bürgerschafts-Fraktionschef Frank Schira vor Ehrgeiz brennt. Schira werden eigene Ambitionen auf eine Spitzenkandidatur der CDU nachgesagt, wenn von Beust eines fernen Tages den Karren nicht mehr ziehen will. Als Parteichef hat Freytag traditionell das erste Zugriffsrecht auf diesen derzeit noch völlig virtuellen Posten.

Der Machtpolitiker von Beust weiß: Wenn ein geschwächter Finanzsenator und Parteichef mit einem aufstrebenden Fraktionschef um die Position Nummer zwei konkurriert, lässt das die Nummer Eins nur in noch hellerem Licht erstrahlen.