Goch. Im Interview spricht Gochs Bürgermeister Ulrich Knickrehm über die städtische Finanzlage, das frostige politische Klima und den Stand beim MVZ.
Durch die Fenster seines Büros in der ersten Etage des Gocher Rathauses konnte Bürgermeister Ulrich Knickrehm in vergangenen Woche den Baufortschritt an der großen Sandskulptur auf dem Marktplatz verfolgen. „Goch wächst“, stellt der 67-Jährige im Interview zufrieden fest und meint damit nicht nur das sandige Kunstprojekt, das Teil des Gocher Sommers ist. Mit der Veranstaltungsreihe und dem neu aufgestellten Stadtmarketing, dessen Kopf sich bald jedoch wieder verändern wird, beginnt das Gespräch mit der NRZ.
Nach nur neun Monaten wird Wirtschaftsförderer Michael Seggewiß die Stadt Goch Ende September schon wieder verlassen. Warum hat die Zusammenarbeit nicht funktioniert?
Auch mich hat die Kündigung kalt erwischt, als ich davon am Mittwoch der vorvergangenen Woche erfahren habe. Ich bedauere sehr, dass wir mit Herrn Seggewiß jemanden verlieren werden, der in der Wirtschaftsförderung ganz viel Knowhow hat. Ich bin mir sicher, dass er uns hätte weiterbringen können. Wenn er sagt, dass ihm die Verbindung von Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing und Tourismus schwerfällt, kann ich ihm einen Wechsel am Ende seiner beruflichen Karriere natürlich nicht verwehren. Er hat sich vornehmlich als Wirtschaftsförderer gesehen, mir aber geschildert, dass er in der Gocher Wirtschaftsförderung schon ein gut bestelltes Feld vorgefunden hat.
Ist die Stadt Goch bei der Neubesetzung der wichtigen Stelle nun unter Zeitdruck?
Wir werden uns nicht wieder zweieinhalb Jahre Zeit lassen, aber noch während der Sommerpause eine Eilsitzung anzusetzen, wird nicht nötig sein. Wir werden die Ferien abwarten können und kurzfristig danach eine Sitzung des Aufsichtsrates der Wirtschaftsbetriebe einberufen. Es hat für die neue Struktur einen nicht einfachen, aber tragfähigen politischen Kompromiss gegeben. Wenn wir darauf aufbauen, werden wir auch eine Lösung finden.
Ein wichtiges Projekt des Stadtmarketings ist der Gocher Sommer. Sind Sie zufrieden mit dem Start der Veranstaltungsreihe?
Der Besuch war anfangs noch etwas verhalten, die Gocherinnen und Gocher sowie unsere Gäste müssen sich erst einmal wieder an das Format gewöhnen. Wir haben ein sehr gutes Angebot, das unter anderem durch den Sandstrand viel „volksnäher“ als noch im vergangenen Jahr ist. Und spätestens der Feierabendmarkt am letzten Donnerstag hat gezeigt, dass der Gocher Sommer sehr gut funktioniert.
Zeigt der Gocher Sommer, dass ein autofreier Marktplatz sinnvoll ist?
Ja. Ich bin davon ohnehin schon lange überzeugt. Ein Marktplatz sollte der Mittelpunkt und Treffpunkt eines Ortes und nicht eine Abstellfläche für Pkw sein. Eine moderne Stadt muss Aufenthaltsqualität bieten.
Auch auf dem zweiten großen Innenstadtplatz, dem Klosterplatz, parken Autos. Um eine Bebauung des Platzes ist es still geworden. Haben Sie den Neubau der Zentrale des Unternehmens DFE Pharma auch schon abgeschrieben?
Das Unternehmen hatte konkrete Baupläne, doch Corona hat allgemein gezeigt, dass vielleicht nicht so wie viele Büros wie gedacht gebraucht werden. Jetzt gibt es wieder eine gegenläufige Tendenz, denn nur mit Homeoffice geht es auch nicht. Uns ist das Unternehmen wichtig, wir wollen es in Goch halten. Deshalb muss man ihm die Zeit geben, sich neu zu sortieren. Man sollte Unternehmen nicht zur Unzeit die Pistole auf die Brust setzen. Das Projekt ist nicht vom Tisch.
Bleiben wir bei den großen Unternehmen. Die für 2025 avisierte Ansiedlung des Wellpappenherstellers Tricor im Gewerbepark Weeze-Goch ist ein Coup. Wann beginnt das Möbelhaus XXXLutz mit den Bauarbeiten nebenan?
Das Unternehmen verfügt über eine Baugenehmigung, hat meines Wissens aber wegen kleinerer Veränderungen des Grundstückzuschnitts noch eine Änderung beantragt. Ich rechne aber mit einem zeitnahen Baubeginn.
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Was wird aus der dritten großen Fläche im Gewerbepark?
Es gibt sehr viele Interessenten, deshalb haben wir keine Zweifel, auch dieses Grundstück vermarkten zu können. Damit wären die Flächen verbraucht. Wir wollen dann schauen, ob wir dieses Gewerbegebiet nach Osten oder Südosten erweitern können.
Das sind gute Nachrichten für die Stadt und ihren Haushalt. Die Haushaltssituation ist aber angespannt, glaubt man der CDU sogar recht dramatisch: Wie steht die Stadt Goch tatsächlich finanziell dar?
Vorab: Ich glaube der CDU bei dieser Aussage kein Wort. Dank einer beharrlich aufgebaut, soliden Ausgleichsrücklage können wir beruhigt in die Zukunft schauen. Von einer Haushaltssicherung kann überhaupt nicht die Rede sein. Ich will nicht verhehlen, dass mir beispielsweise die Finanzierung der Ganztagsbetreuung an Schulen Sorgen bereitet. Wir müssen Erzieherinnen und Erzieher, weitere pädagogische Fachkräfte und Mensamitarbeitende bezahlen. Weil es aber allen Kommunen so geht, wird man für die Finanzierung der Investitionen und des Betriebs der Einrichtungen auf Bundes- und Landesebene eine langfristige Lösung finden müssen.
Um die Neubauten von Stadtbücherei und Niers-Kendel-Schule gab es heftige Diskussionen. Wie erleben Sie momentan das politische Klima in Goch?
Es kann besser werden. Aber ich erkenne bei nicht Wenigen das Bemühen, wieder näher zusammenzukommen. In schwierigen Zeiten muss man zusammenhalten, finde ich. Vor uns liegt die politisch beschlossene Umsetzung des Stadtentwicklungskonzepts und des Radverkehrskonzepts, die Millionen kosten wird. Wir können uns doch nicht in Grabenkämpfen darüber verschleißen, dass wir uns das alles nicht leisten können.
Mit der Ablehnung des Haushalts hat die CDU ein deutliches Signal gesetzt.
Das ist ein legitimes demokratisches Mittel. Ich glaube, die Entscheidung hätte anders ausgesehen, wenn der Haushalt auf der Kippe gestanden hätte. Gerade im Rahmen der Haushaltsberatungen darf man nicht alles auf die Goldwaage legen.
Ihnen hat aber nicht gefallen, dass die CDU öffentlich über Steuererhöhungen spekuliert hat.
Wir haben zum Haushalt 2016 die Grundsteuern aus Notwendigkeit und nicht aus Lust und Laune angehoben. Wenn nötig, würde ich diesen Schritt wieder gehen. Aber zurzeit ist das überhaupt kein Thema – schon gar nicht in einer Zeit, in der sich viele Menschen Sorgen machen, wie sich ihre Grundsteuer wegen der Neuregelung entwickeln wird. Deswegen halte ich es für gar nicht gut, darüber zu spekulieren.
Wie weit ist die Stadt Goch mit der neuen Gesundheitsbeauftragten Gabi Theissen bei der Planung für ein kommunales Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) gekommen?
Wir machen auf ganz fremdem Terrain, etwa bei der Suche nach Ärztinnen und Ärzten, Fortschritte. Glücklicherweise haben wir mit Gabi Theissen eine Fachfrau gewonnen, die über in sehr gutes Netzwerk verfügt. Das hat uns einen gewaltigen Schub verliehen. Zusammen mit Gabi Theissen und unserer Kämmerin Bettina Gansen bin ich zuversichtlich, dass wir vielleicht schon nach den Sommerferien positive Ergebnisse zur Gründung eines MVZ präsentieren können. Konkretere Aussagen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich.
Goch ist im vergangenen Jahr über die 35.000-Einwohner-Marke gesprungen. Was bedeutet das für die Stadt?
Wir sind in Goch auf einem positiven Weg. Wir wachsen auch durch Zuzug in dem für uns sehr attraktiven Altersspektrum zwischen 30 und 40 Jahren. Deswegen werden wir unter anderem in Kindergärten und Schulen investieren, denn die Infrastruktur muss mitwachsen.
Welche Ziele setzen Sie sich für die verbleibenden gut zwei Jahre Ihrer Amtszeit?
Ich möchte das zu Ende führen, was wir eingestielt haben: die Ansiedlungen im Gewerbepark, die sichere Gestaltung unserer Schullandschaft für 2029, der Spatenstich für die Unterführung des Ostrings, der Umbau des Fünf-Ringe-Hauses und der Neubau des Jugendzentrums Astra. Dann bin ich zufrieden.