Goch. Gabi Theissen ist jetzt Beauftragte für Gesundheitsversorgung in Goch. Wie sie neue Ärzte für ein Medizinisches Versorgungszentrum gewinnen will.
Gochs Bürgermeister Ulrich Knickrehm nennt sie eine Geheimwaffe und einen Glücksfall für die Stadt. Gabriele Theissen wird für zwei Jahre zur Beauftragten Gesundheitsversorgung der Stadt Goch ernannt und soll die Stadt bei der Realisierung eines kommunalen Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) unterstützen. Die geplanten 20 Arbeitsstunden pro Woche seien enorm wichtig. Als erstes „will ich alle Akteure miteinander ins Gespräch bringen, Kassenärztliche Vereinigung, das Krankenhaus, die Ärzteschaft und die Verwaltung. Wir müssen miteinander sprechen und nicht übereinander“. Außerdem will sie einen Runden Tisch für die Gocher Ärzteschaft ins Leben rufen zum regelmäßigen Austausch in Fragen der Gesundheitsversorgung.
Fast 50 Jahre Berufserfahrung im Gesundheitswesen
Die 69-Jährige will ihr Netzwerk nutzen, das sie bis April dieses Jahres als Regionaldirektorin des Katholischen Karl Leisner Klinikums im Wilhelm-Anton-Hospital Goch aufbaute. Fast 50 Jahre Berufserfahrung im Gesundheitswesen bringt sie mit. „Ich habe schon immer festgestellt, dass sich junge Ärzte nur schwerlich hier niederlassen. Aber wenn sie einmal hier sind, fühlen sie sich am Niederrhein sehr wohl. Im Flächenkreis ist der Ärztemangel etwas völlig anderes als in einer Großstadt“, fasst sie zusammen.
„Ärzte-Niederlassungen gelingen hier nur aufgrund persönlicher Kontaktaufnahme“, beobachtet Bürgermeister Knickheim. Er verspricht sich viel davon, dass Gabi Theissen die Sprache möglicher Interessenten spricht, fachspezifisch. „Das ist etwas ganz anderes als Verwaltungsdeutsch. Das ist von unschätzbarem Wert.“
Sie ist Ur-Gocherin und war stellvertretende Bürgermeisterin
Sie ist Ur-Gocherin und war 16 Jahre lang stellvertretende Bürgermeisterin. Ulrich Knickrehm nennt sie die „Grand Dame der Gocher Kommunalpolitik“. Neben ihrem Fachjargon kann sie ihre Bekanntheit nutzen.
Erst vor 14 Tagen hatte der Bürgermeister wieder intensive Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Düsseldorf geführt über die Ansiedlung eines kommunalen Medizinischen Versorgungszentrums. Seit 2015 ist es Kommunen möglich, auch Kassenarztsitze zu erwerben. Ulrich Knickrehm: „Wenn es nicht anders geht, werden wir es machen. Wenn das anders geht, werden wir es lassen.“
Fünf Hausärzte und ein Kinderarzt fehlen
Der nächste Schritt zur Lösung in Goch ist nun erst einmal Gabi Theissens Vorsprache. Dabei wolle man aber kein Konkurrent zu den Krankenhäusern, zu Facharzt-MVZs des Klinikums oder den niedergelassenen Ärzten sein, sondern vielmehr deren Arbeit ergänzen und sie entlasten. Fünf Hausärzte und ein Kinderarzt fehlen im gemeinsamen kassenärztlichen Bezirk Weeze-Goch-Uedem. Knickrehm ahnt, es sei nur eine Frage der Zeit, bis ein Kinderarzt sich woanders in der Nähe ansiedele und der Sitz für Goch von der KV abgezogen werde. „Dann müssen wir uns wieder neu darauf bewerben.“
Goch liege eben zwischen den Kliniken Kleve, Geldern, Emmerich und Bocholt, die ebenfalls auf Arzt-Suche sind. Auch dort wird Gabi Theissen Kontakte aufnehmen. „Wir wollen nicht in einem fast leeren Teich viele Angeln auswerfen, sondern eine gemeinsame Strategie verfolgen“, versichert der Gocher Bürgermeister. Das sei auch ganz im Sinne der Krankenhäuser, „denn flächendeckende ambulante Versorgung ist eigentlich nicht deren Aufgabe“, sagt Knickrehm und Theissen ergänzt: „Die Notfallambulanzen sind überlastet.“
Manche wollen keine Wechselschicht und Nachtdienst im Hospital
Die an den Krankenhäusern ausgebildeten Fachärzte wollten möglicherweise nicht im Hospital mit Wechselschicht und Nachtdienst bleiben. Gabi Theissen will auch mit den Klinikleitungen reden, die von einer beruflichen Eigen-Orientierung ihrer Kollegen wissen und auch Interesse daran haben, dass sie in der Region bleiben. Ein MVZ biete jungen Ärzte – und Gabi Theissen betont: besonders auch Ärztinnen mit Familienplanung – flexible Arbeitszeit mit Work-Life-Balance in einem gemeinsamen Praxiszentrum. Auch ältere Hausärzte rund um die Rente könne man vielleicht für die Versorgungszentren gewinnen.
Standort wäre die alte Bücherei am Klosterplatz
Als geeignetes Gebäude bisher ohne Zwischenwände ist in Goch die alte Bücherei, das ehemalige Tertiarinnenkloster am Klosterplatz mitten in der Stadt angedacht. Die Stadt will aber noch keine Praxis einrichten, falls künftige Ärzte die Gestaltung drinnen vielleicht anders wollen. Andererseits kommen auch keine Ärzte, wenn kein Praxisräume vorhanden sind. „Die typische Huhn-Ei-Problematik“, sagt Knickrehm.
Die Stadt habe ja schon die Rahmenbedingungen geschaffen mit kommunaler Förderung zur Errichtung von Praxen, erinnert Gabi Theissen.