Hagen-Wehringhausen. Eine halbe Million Menschen haben bislang in der „Villa Post“ in Hagen-Wehringhausen VHS-Kurse belegt. Ein Besuch des 132 Jahre alten Hauses:
Eine wahnsinnig hohe Zahl: Etwa eine halbe Million Menschen - größtenteils Menschen aus dieser Stadt - haben die Villa Post besucht, seitdem dort die Volkshochschule Hagen (VHS) ansässig ist. „Nun ja, an den Öffnungstagen ist das Haus fast immer bis unters Dach bespielt, und das seit mehr als 25 Jahren“, rechnet Birgit Andrich nach. Als Studienleiterin für Kunst und Kultur kennt sie das stattliche Gebäude seit vielen Jahren und hat Hunderte von Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern dort begrüßt und unterrichtet.
Von Kaufmann Wilhelm Karl Johann Diedrich Post erbaut
„Einige Leute denken, dass der Name des Hauses auf die Deutsche Post zurückgeht, doch das ist nicht so. Die Villa wurde vielmehr von dem Wehringhauser Kaufmann Wilhelm Karl Johann Diedrich Post erbaut. Und im Laufe der Jahrzehnte verfestigte sich dann wohl der Name ,Villa Post‘“, vermutet Birgit Andrich.
„Das ist schon ein besonderes Haus, ganz anders als eine Bildungseinrichtung in einem Neubau. “
Die Hagenerin, die seit etlichen Jahren bei der Stadtverwaltung, zu der auch die VHS gehört, beschäftigt ist, blickt durch den langen Flur mit den zahlreichen Türen und dem uralten Treppenhaus aus dunklem Holz. „Das ist schon ein besonderes Haus, ganz anders als eine Bildungseinrichtung in einem Neubau. Die Villa hat Flair und Charme, das lieben unsere Schüler und Kursteilnehmer genau wie die Dozenten.“
Villa im spätklassizistischen Stil
Apropos Haus: Vor 132 Jahren (1892) wurde die Villa im spätklassizistischen Stil mit Anlehnung an die Renaissance vom oben erwähnten Wilhelm Karl Johann Diedrich Post (1852 – 1896) gebaut. Der Kaufmann verstarb früh - nach seinem Tod lebte seine Frau Alice (geborene Elbers) mit ihren sechs Kindern noch ein paar Jahre in dem herrschaftlichen Gebäude, allerdings wurden Teile des Hauses und des Grundstücks vermietet.
1922 wurde die Villa Post an eine Grundstücksgesellschaft verkauft und 1927 weiter an die Stadt Hagen veräußert. Fünf Jahre später (1932) wurde dort das städtische Christian-Rohlfs-Museum eröffnet, 1935 wurde das Museum in „Haus der Kunst“ und 1941 in „Karl Ernst Osthaus-Museum“ unbenannt. 1937 wurden im Rahmen einer „Säuberungsaktion“ 400 Werke moderner Kunst konfisziert, darunter fast alle Werke von Christian Rohlfs.
Die Sommerserie „Schätze am Wegesrand“
In der großen Sommerserie der Hagener Stadtredaktion erzählen wir die Geschichten von außergewöhnlichen Häusern und Landmarken: Viele haben sie vielleicht schon einmal am Wegesrand entdeckt, wissen aber nicht, was sich dahinter verbirgt. Folgende Teile sind bereits erschienen:
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Holger Flick, VHS-Studienleiter für Politik und Geschichte, kennt sich mit der bewegten Biografie des Hauses gut aus: „Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Villa unterschiedlich genutzt - mal von Landsmannschaften, mal als Gemeindeverwaltungs- und Sparkassenschule, eine Zeitlang befand sich auch eine Gaststätte im Keller. Später wurde der Gebäudekomplex vom Deutschen Roten Kreuz und der Arbeiterwohlfahrt genutzt.“
Flick überlegt kurz: „In den 1970ern war die Cuno-Berufsschule I für zehn Jahre in den Räumen untergebracht, von 1986 bis 1988 wurde die Villa für die Volkszählung genutzt, danach führte die VHS hier Deutschkurse für Spätaussiedler durch.“
Vor 37 Jahren unter Denkmalschutz gestellt
Vor 37 Jahren (1987) wurde das Gebäude an der Wehringhauser Straße 38 unter Denkmalschutz gestellt, „ein bisschen Segen und Fluch zugleich“, lächelt Holger Flick und konkretisiert: „Aufgrund des Denkmalschutzes darf hier niemand so einfach machen, was er möchte. Mal eben mit der Bohrmaschine anrücken, das kann man vergessen.“ Der Studienleiter liefert Beispiele: „Bilder für Ausstellungen dürfen nicht direkt an den Wänden platziert, sondern müssen über eine Bilderleiste angebracht werden. Und wenn ein Bildschirm zu Lehrzwecken aufgehängt werden soll, benötigt man dafür eine Genehmigung.“
„Aufgrund des Denkmalschutzes darf hier niemand so einfach machen, was er möchte. Mal eben mit der Bohrmaschine anrücken, das kann man vergessen“
An den Umbau der Villa erinnert sich Birgit Andrich noch gut: „Vor 30 Jahren - 1994 - beschloss der Rat der Stadt die Restaurierung der Villa Post. Die Sanierung dauerte drei Jahre; das Haus wurde damals für die Belange der VHS umgebaut.“ Seit September 1998 ist die Villa Post offiziell das kommunale Weiterbildungszentrum der Volkshochschule Hagen.
Es scheint, als würden seitdem jede Fläche und jeder Winkel des riesigen Gebäudes genutzt: Im Keller befinden sich Werkräume, eine Keramikwerkstatt mit Brennofen, ein Yogaraum sowie eine Küche für Kochkurse. Das Erdgeschoss beheimatet die Aula, die bestuhlt bis zu 80 Personen fasst, ferner Anmeldung, Cafeteria und zwei große Seminarräume. Im ersten Obergeschoss sind ebenfalls Schulungsräume vorhanden, und das Dachgeschoss mit Empore wurde zum geräumigen Atelier ausgebaut.
„Ja, hier kann man sich schon verlaufen“, lacht Holger Flick und erinnert sich daran, dass vor ein paar Monaten ein Teilnehmer abends nach Kursende wohl noch durchs Haus irrte und schließlich eingeschlossen wurde. „Doch in Zeiten, in denen fast jeder ein Handy besitzt, war das kein Problem, die Telefonkette funktionierte, und der Mann war bald wieder auf freiem Fuß.“
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Etwa 100 Kursteilnehmer täglich
Leiterin der VHS in der Villa Post ist Bianca Sonnenberg; sie ist gleichzeitig auch Leiterin des Fachbereichs Bildung.
Pro Öffnungstag besuchen etwa 100 Kursteilnehmer die Villa Post an der Wehringhauser Straße 38 in Hagen.
Wochentags hat die Bildungseinrichtung von 8.15 bis 22.30 Uhr geöffnet, an Wochenenden nur zu bestimmten Veranstaltungen und Kursen.
Für jene, die sich für das alte Gebäude „Villa Post“ interessieren, werden Führungen durchs Haus und Tage der offenen Tür angeboten.
Den Hochwasser-Sommer vor drei Jahren hat Holger Flick auch noch gut im Gedächtnis: „Bei den Überschwemmungen im Juli 2021 hatten wir großes Glück. Die Ennepe war über die Ufer getreten, die Unterführung in Nähe des Hauptbahnhofs stand unter Wasser, und unsere Außenanlagen wurden zum Sumpfgebiet. Doch unsere Villa war wie eine kleine Insel.“
Apropos Außengelände: Die großen Flächen werden von der VHS zu besonderen Anlässen mitgenutzt. „Unsere 100-Jahr-Feier vor fünf Jahren fand zum Beispiel bei uns im Garten statt“, erläutert Birgit Andrich. Die Studienleiterin schaut durch das Fenster der Cafeteria hinaus ins Grüne und sinniert: „Früher war hier ein richtiger Park mit vielen Sträuchern und schattenspendenden Kastanien. Angrenzend an unsere heutige Cafeteria setzte damals der Wintergarten der Familie Post an. Dort konnte sich die Familie sicherlich herrlich bei ihrer Teestunde verplaudern. Es müssen hier früher schöne Zeiten gewesen sein. Doch heute ist es - wenn auch anders - hier noch immer schön.“