Hagen-Haspe. Um das kleine Stellwerkhaus von 1906 an der Haenelstraße in Hagen kümmern sich die „Friesen Haspe“. Wir erzählen die Geschichte des Mini-Hauses:

Echt kurios. . . Für Außenstehende wirkt es einsam und verlassen, das ist es aber nicht: Das Schrankenwärterhäuschen in Hagen-Haspe ist ordentlich mit Leben gefüllt. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude an der Ecke Kölner Straße/Haenelstraße wird von der Turngemeinschaft Friesen 1860 Haspe gehegt und gepflegt, „und genutzt - für Treffen nach dem Sport und für Vereinssitzungen“, erläutert Günter Stricker. Er war viele Jahre Vorstandsmitglied bzw. 2. Vorsitzender des Vereins und ist mittlerweile Ehrenmitglied bei den „Friesen Haspe“.

Tisch und Kühlschrank reichen

Der 69-Jährige blickt durch den Raum im Obergeschoss des kleinen Häuschens, „groß ist der Raum nicht, ich schätze knapp 30 Quadratmeter, aber für unsere Zwecke reicht es. Wir haben einen langen Tisch und einen Kühlschrank“.

Der Innenraum mit langem Tisch und Kühlschrank wird von den Vereinsmitgliedern regelmäßig genutzt.
Der Innenraum mit langem Tisch und Kühlschrank wird von den Vereinsmitgliedern regelmäßig genutzt. © WP | Michael Kleinrensing

Verbindungskurve wurde errichtet

Rückblick: Früher gab es im Herzen Haspes einen mit einer Schrankenanlage gesicherten Bahnübergang. Besagte Anlage wurde 1906 - zeitgleich mit dem Stellwerk „Hko“ - gebaut. Das Stellwerk (auch Posten 4 genannt) war zugleich auch Schrankenwärterhäuschen, da die Ennepetal-Bahn an dieser Stelle die Kölner Straße kreuzte. Nach der Beseitigung der Gebäudeteile der 1972 stillgelegten Hasper Hütte wurde die Strecke in Hagen-Westerbauer 1984 an die Bergisch-Märkische-Eisenbahn (Wuppertal – Hagen) angebunden. Zwischen dem alten Hasper Bahnhof und der Haenelstraße wurde eine Verbindungskurve zwischen der Bergisch-Märkischen Strecke und der Talbahn errichtet.

Die Schwarz-Weiß-Aufnahme stammt von Willy Lehmacher und ist in den 1950er-Jahren entstanden.
Die Schwarz-Weiß-Aufnahme stammt von Willy Lehmacher und ist in den 1950er-Jahren entstanden. © Stadtarchiv Hagen | Willy Lehmacher

Überlassungsvertrag unterzeichnet

„Wir haben Anfang der 1990er-Jahre mit der Stadt Hagen als Eigentümerin des Schrankenwärterhäuschens einen Überlassungsvertrag ohne zeitliche Begrenzung abgeschlossen. Seitdem kümmern wir uns hier um alles, zahlen im Gegenzug aber lediglich anfallende Nebenkosten“, erläutert Günter Stricker und ergänzt: „Also eine echte Win-win-Situation.“

Ebenfalls eine Aufnahme von Willy Lehmacher, datiert um 1950.
Ebenfalls eine Aufnahme von Willy Lehmacher, datiert um 1950. © Stadtarchiv Hagen | Willy Lehmacher
Pokale und Medaillen dürfen natürlich nicht fehlen.
Pokale und Medaillen dürfen natürlich nicht fehlen. © WP | Michael Kleinrensing

Um den früheren „Posten 4“ zu nutzen, musste er damals erstmal auf Vordermann gebracht werden, sprich, im Erdgeschoss wurden Toiletten und ein Stauraum eingerichtet, und das Obergeschoss wurde mit einer kleinen Küche sowie Mobiliar bestückt. Und natürlich wurden auch Pokale jener, die bei Turnieren oder Turngruppenwettkämpfen gewonnen hatten, dort platziert.

„Zum 100-jährigen Bestehen des Gebäudes - also 2006 - wurde dem Häuschen die Denkmalplakette verliehen, und wir konnten mit finanzieller Unterstützung der Stadt Hagen das Dach sanieren. Es besteht aus echtem Schiefer aus Bayern“, betont Ehrenmitglied Stricker.

Beim Kirmeszug geöffnet

2006 wurde dem Schrankenwärterhäuschen die Denkmalplakette verliehen.
2006 wurde dem Schrankenwärterhäuschen die Denkmalplakette verliehen. © WP | Yvonne Hinz

Einmal im Jahr wird der „Posten 4“ nicht nur von den Friesen selbst angesteuert, sondern von „halb Haspe“: „Beim Hasper Kirmeszug laden wir immer zur ,Tür des offenen Häuschens‘ samt Ausschank ein. Wir bauen ein Zelt auf, stellen Tische und Bänke bereit und sind dadurch ein beliebter Anlaufpunkt beim Kirmeszug“, spricht Günter Stricker aus Erfahrung.

Die Turngemeinschaft Friesen 1860 Haspe hat fast 600 Mitglieder und ist mit Abstand der größte Turnverein in Haspe. „Wir bieten eine Menge an - von Gymnastik über Walken bis hin zu Prellball“, liefert Stricker nur einige Beispiele. Geturnt bzw. Sport getrieben wird größtenteils in den Sporthallen „ums Häuschen herum“. Früher trafen sich die Mitglieder nach dem Sport meist in Hasper Gaststätten, „aber Kneipen sind hier rar geworden. Mittlerweile treffen wir uns für einen kleinen Umtrunk oder für Besprechungen im Vereins-Häuschen, das ist schon praktisch“.

Karl Friedrich Friesen und das Turnen

Karl Friedrich Friesen wurde 1784 in Magdeburg geboren. Angeregt durch die freiheitlichen und patriotischen Strömungen seiner Epoche war er in den folgenden Jahren maßgeblich an der Entwicklung der von Friedrich Ludwig Jahn begründeten Deutschen Turnkunst beteiligt.

1808 richtete Friesen eine Fechtbodengesellschaft ein, eröffnete Turnplätze und Schwimmhallen. 1810 gründete er gemeinsam mit Wilhelm Harnisch und „Turnvater“ Jahn den sogenannten Deutschen Bund – eine geheime Vereinigung, die sich zum Ziel gesetzt hatte, Deutschland gegen die französische Besatzung in Stellung zu bringen.

1814 kam Karl Friedrich Friesen bei einem Einsatz in den Ardennen ums Leben.

Günter Stricker blickt aus dem Fenster. Sein Vereinsfreund Michael Letzner (nicht im Bild) kümmert sich um die Blumenkästen, die im Frühjahr/Sommer mit Geranien bestückt sind.
Günter Stricker blickt aus dem Fenster. Sein Vereinsfreund Michael Letzner (nicht im Bild) kümmert sich um die Blumenkästen, die im Frühjahr/Sommer mit Geranien bestückt sind. © WP | Michael Kleinrensing

Blumenkästen mit Geranien

Jenen, die die Ecke Kölner Straße/Haenelstraße passieren, fallen die farbenfrohen Blumen, die das verschieferte Gebäude in den Frühlings-/Sommermonaten zieren, auf. Meist sind die Blumenkästen mit Geranien bestückt. „Jeden zweiten Tag komm‘ ich hierher, gieße die Blumen und schaue nach dem Rechten“, sagt Michael Letzner.

Die Sommerserie „Schätze am Wegesrand“
In der großen Sommerserie der Hagener Stadtredaktion erzählen wir die Geschichten von außergewöhnlichen Häusern und Landmarken: Viele haben sie vielleicht schon einmal am Wegesrand entdeckt, wissen aber nicht, was sich dahinter verbirgt. Folgende Teile sind bereits erschienen:

  1. Bahnhof Hagen-Dahl: Wohnen, wo die Züge rollen
  2. Pavillon in der Hagener City - das Reisebüro schließt, und dann?
  3. Blau-Weißes Haus am Tücking: Dort wohnt gar kein Schalke-Fan
  4. Leben wie im Märchen: Ein Besuch auf dem Waldhof in Hagen-Tiefendorf
  5. Historisch: Ein Blick in die gelbe Villa in Hohenlimburg
  6. Das unerreichbare Haus: Es wurde bei der Eingemeindung vergessen
  7. Liebe auf den ersten Blick - und neues Leben im Haus der Ruhrkohle
  8. Wie aus Grimms Märchen: Das Haus Ruhreck - und seine Rettung
  9. Winziges Häuschen am Hasper Straßenrand - welche Geschichte steckt dahinter?
  10. Wie eine Millionensumme eine Hagener Fabrik rettet
  11. Ein Besuch in der „Burg“ in Hohenlimburg an der Lenne
  12. Leben im grünen Paradies - neben dem Backhaus in Wehringhausen
  13. Große Vergangenheit verschafft Hasper Kindern eine Zukunft
  14. Fachwerkhaus wird aus Dornröschenschlaf geweckt
  15. Wie eine Burg: Auf den Spuren der roten Cuno-Siedlung
  16. Haus am See: So wohnt eine Familie in Hagen in einem Denkmal
  17. Die Villa mit dem grünen Turm: Nadelstiche zwischen alten Mauern
  18. Von vielen Stellen aus zu sehen: Der Funkturm auf dem Riegerberg
  19. Villa am Goldberg: Hier gibt es keine rechteckigen Zimmer
  20. Die Lust an der Einsamkeit: Familie lebt in Hagen im Forsthaus
  21. Juwel im Grünen: Die Geschichte einer Dahler Villa
  22. Eine Tour zu versteckten Ecken im Hagener Hohenhof
  23. Bordell in Hagen: Eine Peepshow und wie hier alles begann
  24. Die Insel im Hengsteysee: Der Mäuseturm und seine Geschichte
  25. Berchumer möchten vergessene Ruine neu beleben
Viele Hagener und vermutlich jeder Hasper kennen das  historische Bahnwärterhäuschen an der Kölner Straße.
Viele Hagener und vermutlich jeder Hasper kennen das historische Bahnwärterhäuschen an der Kölner Straße. © WP | Michael Kleinrensing

Er ist Vorstandsmitglied und Häuschenwart. „Es sind nicht nur die Blumen, die gepflegt werden wollen. Es müssen auch mal die Fensterscheiben geputzt werden, Toiletten und Keller sauber gehalten werden und Besorgungsfahrten erledigt werden“, unterstreicht der 70-Jährige, der in Breckerfeld wohnt und für den die Tour nach Haspe beinahe zum Alltag gehört.

Das Stellwerk (auch Posten 4 genannt) war früher zugleich auch Schrankenwärterhäuschen.
Das Stellwerk (auch Posten 4 genannt) war früher zugleich auch Schrankenwärterhäuschen. © WP | Michael Kleinrensing

Michael Letzner lacht: „Ja, und es schadet auch nicht, wenn man als Häuschenwart handwerklich geschickt ist. Ich war früher Heizungsbauer und Installateur, und ich hab‘ auch eine Menge Werkzeug“. Wobei das Blumengießen zum Abschluss des Besuchs des Schrankenwärterhäuschens zweifelsohne seine liebste Arbeit ist.