Hohenlimburg. Im Stiftsbereich in Hohenlimburg-Elsey tut sich etwas. Warum eine Familie ein Fachwerkhaus kauft und es komplett saniert.
Es schlummerte nicht, es schlief. Es schlief tief und fest. Bis zu jenem Tag, als quasi ein Prinz daher kam. Seither befindet sich das Fachwerkhaus „Im Stift“ in einer Art Aufwachphase. All das beschreibt Mirjam Kötter, bei der Stadt Hagen zuständig für den Denkmalschutz, so: „Das war ein Glücksfall, dass sich jemand gefunden hat, der sich diesem Fachwerkhäuschen im Dornröschenschlaf gewidmet und sich dieser doch sehr anspruchsvollen Aufgabe auch angenommen hat. Das ist nicht selbstverständlich.
Jon Hilker ist dieser Jemand. Und der wahre Glücksfall ist, dass der Dachdeckermeister vom Fach und qausi Experte für alte Gebäude ist. Ein Experte, der einen Plan für ein ganz besonderes Haus hat: Im Sommer startet zunächst der Zimmermann, der die schadhaften Balken erneuert. Danach wird Jon Hilker größtenteils selbst sanieren. „Das wird ein Langzeitprojekt“, ergänzt Hilker, „man braucht sehr viel Zeit für alles.“
Lange Geschichte
Zeit ist so ein dehnbarer Begriff, wenn um alte Häuser geht. Es gibt rund um das Gebäude eine Historie. Schon der Straßenname „Im Stift” in Elsey erinnert an die besondere Vergangenheit des Hohenlimburger Ortsteils, an die Gründung des Klosters Elsey im Jahre 1223. Das Kloster war sozusagen die Keimzelle von Elsey. Das Stift Elsey wurde durch ein kaiserlich-französisches Dekret im Jahre 1811 aufgehoben. Glücklicherweise gibt es aber noch heute als Denkmäler geschützte, sehenswerte Gebäude aus dieser Zeit.
Da sind die romanische Pfarrkirche und fünf Kurienhäuser der Stiftsdamen, die hier wohnten, sowie der ehemalige Stiftskornboden (heute Küsterhaus). In direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Küchenhof (Gebäude abgerissen im Jahr 1960) vom Stift Elsey findet sich unter der Adresse „Im Stift 21“ auch das 1840 erbaute denkmalgeschütztes Fachwerkhaus, das Hilker gekauft hat. Das zweigeschossige Satteldachtraufenhaus mit Fachwerk, zwei Kaminen und Bruchsteinkeller wurde jedoch erst nach Auflösung des Stifts um 1840 herum gebaut. Die Denkmalliste der Stadt Hagen beschreibt, dass dieses Gebäude die bürgerliche Lebensweise in der ersten Hälfte des 1900 Jahrhunderts sehr gut dokumentiere.
Die Sommerserie „Schätze am Wegesrand“
In der großen Sommerserie der Hagener Stadtredaktion erzählen wir die Geschichten von außergewöhnlichen Häusern und Landmarken: Viele haben sie vielleicht schon einmal am Wegesrand entdeckt, wissen aber nicht, was sich dahinter verbirgt. Folgende Teile sind bereits erschienen:
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Denkmäler sind wichtige Zeitzeugen
Warum sind Denkmäler so wichtig für eine Stadt und für ihre Bürgerinnen und Bürger? „Sie sind etwas, womit sich der Bürger identifiziert und ein Teil der Geschichte der Stadt. Denkmäler sind wichtige Zeitzeugen, sie erinnern uns an bestimmte Bauphasen und bestimmte Abschnitte in unserer Vergangenheit. Denkmäler sind von der Architektur her stadtbildprägend“, erläutert Mirjam Kötter.
Das Fachwerkgefüge und die noch vorhandenen Lehmausfachungen sind noch weitgehend intakt und geben einen Einblick in die Fachwerktechnik und die Baukultur der damaligen Zeit. Auch ist das mit Kopfstreben versteifte Gebäude noch Teil einer weitgehend intakten Siedlungsstruktur, die dort um 1840 entstanden ist.
Ein Zufall besiegelt die Zukunft des Hauses
Familie Hilker hat das fachwerkliche Kleinod bereits vor rund zehn Jahren beim Spazierengehen mit dem Kinderwagen entdeckt. Es war reiner Zufall. „Ach ist das ein schönes Häuschen, mit schönen Fliederbäumen im Garten, dachten wir. Wir haben es gesehen und waren sofort verliebt“, erinnert sich Jon Hilker an seine ersten Eindrücke. Und dann geschah vor über einem Jahr wieder ein besonderer Zufall: Der 44-jährige Dachdeckermeister sah, dass sein Traumhaus verkauft werden sollte.
„Für die Kinder ist das der totale Abenteuerspielplatz.“
Sofort nahm er Kontakt mit dem Verkäufer auf. Jedoch war lange Zeit nicht aktiv am Denkmal gearbeitet worden, das Dach war undicht, bis zum Keller tragende Balken waren verrottet. Die Erhaltung des Denkmals war gefährdet - und eine Instandhaltung oder Aufbereitung kostet natürlich Geld. Ein Fall für den Familienrat mit seiner Frau und den drei Kindern Marlene, Lilia und Ole. Der entschied, das Fachwerkhaus zu kaufen und von Grund auf zu sanieren. „Für die Kinder ist das der totale Abenteuerspielplatz“, freut sich Hilker. Eine eigene Kinderbude hat der Nachwuchs bereits im Garten gebaut.
Bestmeister kennt sich mit alten Gebäuden aus
Jon Hilker ist mit Leib und Seele selbstständiger Handwerker, er war 2016 Bestmeister im Dachdeckerhandwerk bei der Handwerkskammer Dortmund, und kennt sich mit dem Sanieren alter Häuser aus. „Wir werden die Sanierung so nach und nach angehen. Wir haben keinen Zeitdruck und wohnen in der Nähe, langfristiges Ziel ist es, hier selbst einzuziehen. Für mich ist das auch Entspannung, wenn ich da arbeite“, erklärt Hilker. Jetzt wird das im Dornröschenschlaf liegende Denkmal endlich wachgeküsst.
Ohne Gutachten läuft nichts
Zunächst musste ein Gutachten über den gesamten Zustand des Hauses erstellt werden. Hierfür gab es Beratungen der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Hagen. „Das war schon ein guter Kontakt“, erinnert sich Hilker. Im Gutachten werden auch die Sanierungsmaßnahmen festgehalten. Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden müssen bei der Stadt Hagen Genehmigungen für jegliche Baumaßnahmen einholen und unterliegen bestimmten Restriktionen, um den Erhalt des historischen Wertes zu gewährleisten.
Förderung kann fließen
Ein Vorteil für den Hausbesitzer ist, dass Investitionen steuerlich berücksichtigt werden können. Auch können Denkmalfördermittel in Anspruch genommen werden. „Bei der Unteren Denkmalbehörde der bekommt man jederzeit gerne Auskunft über Denkmäler. Eine unserer Hauptaufgaben ist die Beratung von Denkmaleigentümern“, so Mirjam Kötter.
„Ich würde nie einen Neubau kaufen. Alte Häuser haben ihren eigenen Charme, die haben was, das hat ein Neubau nicht. “
Für Jon Hilker ist sein Engagement eine Investition in die Zukunft. „Da werden Werte geschaffen, ich würde nie einen Neubau kaufen. Alte Häuser haben ihren eigenen Charme, die haben was, das hat ein Neubau nicht. Das ist ein anderes Gefühl“, sagt Hilker - und freut sich sichtlich auf die gemeinsame Zukunft der Familie im denkmalgeschützten Fachwerkhaus in Elsey.