Hagen. Jeder kennt ihn, viele aber seine Geschichte nicht: Der Mäuseturm im Hagener Hengsteysee ist eine Art Wahrzeichen. Wir erzählen seine Geschichte.

Er liegt da, mitten im Hengsteysee. Die Sonne scheint durch die Blätter auf den verlassenen Turm und die kleine Insel, die die Natur im Laufe der vergangenen Jahre zurückerobert hat. Efeu-Ranken ziehen sich hoch bis zur Turmspitze. An der Front erinnert nur noch ein kleiner Vorsprung daran, dass genau an dieser Stelle vor vielen, vielen Jahren einmal eine Brücke über das Wasser geführt hat. „Mittlerweile ist die kleine Insel ein Refugium für Wasservögel und Fledermäuse“, sagt Markus Rüdel, Sprecher des Ruhrverbandes.

„Mittlerweile ist die kleine Insel ein Refugium für Wasservögel und Fledermäuse“

Markus Rüdel
über den Mäuseturm und die kleine Insel im Hengsteysee

Jeder, der schon einmal am Hengsteysee gewesen ist, dürfte die Hagener Landmarke kennen. Sie liegt genau an der Grenze zwischen den Städten Hagen, Herdecke und Dortmund. Quasi am Drei-Städte-Eck. Nicht alle aber kennen die Geschichte, die sich hinter dem Mäuseturm verbirgt.

Die Natur hat die kleine Insel und den Turm im Laufe der Jahre zurückerobert.
Die Natur hat die kleine Insel und den Turm im Laufe der Jahre zurückerobert. © WP | Laura Handke

Als es noch einen Adelssitz gab

„Vor gut 600 Jahren gab es mit dem Schloss Niedernhof noch einen Adelssitz am See“, sagt Matthäus Schallenberg, Betriebsstellenleiter Stauseen beim Ruhrverband, der mehrere Talsperren, darunter den Hengsteysee, betreibt. Den Adelssitz gab es lange, bevor es den Hengsteysee überhaupt gab und an dieser Stelle noch die Ruhr in ihrem normalen Flussbett ihrer Wege floss. „Der Hengsteysee wurde erst 1929 nach der Aufstauung in Betrieb genommen, nachdem der Ruhrverband einige Flächen gekauft hatte, um die Wasserqualität der Ruhr zu verbessern.“ Es war der erste von heute fünf Ruhrstauseen.

Die Sommerserie „Schätze am Wegesrand“
In der großen Sommerserie der Hagener Stadtredaktion erzählen wir die Geschichten von außergewöhnlichen Häusern und Landmarken: Viele haben sie vielleicht schon einmal am Wegesrand entdeckt, wissen aber nicht, was sich dahinter verbirgt. Folgende Teile sind bereits erschienen:

  1. Bahnhof Hagen-Dahl: Wohnen, wo die Züge rollen
  2. Pavillon in der Hagener City - das Reisebüro schließt, und dann?
  3. Blau-Weißes Haus am Tücking: Dort wohnt gar kein Schalke-Fan
  4. Leben wie im Märchen: Ein Besuch auf dem Waldhof in Hagen-Tiefendorf
  5. Historisch: Ein Blick in die gelbe Villa in Hohenlimburg
  6. Das unerreichbare Haus: Es wurde bei der Eingemeindung vergessen
  7. Liebe auf den ersten Blick - und neues Leben im Haus der Ruhrkohle
  8. Wie aus Grimms Märchen: Das Haus Ruhreck - und seine Rettung
  9. Winziges Häuschen am Hasper Straßenrand - welche Geschichte steckt dahinter?
  10. Wie eine Millionensumme eine Hagener Fabrik rettet
  11. Ein Besuch in der „Burg“ in Hohenlimburg an der Lenne
  12. Leben im grünen Paradies - neben dem Backhaus in Wehringhausen
  13. Große Vergangenheit verschafft Hasper Kindern eine Zukunft
  14. Fachwerkhaus wird aus Dornröschenschlaf geweckt
  15. Wie eine Burg: Auf den Spuren der roten Cuno-Siedlung
  16. Haus am See: So wohnt eine Familie in Hagen in einem Denkmal
  17. Die Villa mit dem grünen Turm: Nadelstiche zwischen alten Mauern
  18. Von vielen Stellen aus zu sehen: Der Funkturm auf dem Riegerberg
  19. Villa am Goldberg: Hier gibt es keine rechteckigen Zimmer
  20. Die Lust an der Einsamkeit: Familie lebt in Hagen im Forsthaus
  21. Juwel im Grünen: Die Geschichte einer Dahler Villa
  22. Eine Tour zu versteckten Ecken im Hagener Hohenhof
  23. Bordell in Hagen: Eine Peepshow und wie hier alles begann
  24. Die Insel im Hengsteysee: Der Mäuseturm und seine Geschichte
  25. Berchumer möchten vergessene Ruine neu beleben
Historische Aufnahmen zeigen den Mäuseturm, wie er einst einmal aussah: Allerdings war er hier schon nicht mehr mit einer Brücke verbunden.
Historische Aufnahmen zeigen den Mäuseturm, wie er einst einmal aussah: Allerdings war er hier schon nicht mehr mit einer Brücke verbunden. © Ruhrverband | Ruhrverband

Noch lange bevor das passierte, gab es am See das Schloss Niedernhof, das gegen 1857 niederbrannte und nicht wieder aufgebaut wurde. Um das Jahr 1895 erwarb der Hagener Schraubenfabrikant Wilhelm Funcke, der im Volksmund ,Schruwen Wilm‘ genannt wurde, das Gelände des Rittergut Niedernhofen. „Etwa 700 Meter ruhraufwärts, oberhalb des alten Schlosses erbaute er das neue Haus Niedernhof, eine prachtvolle, burgähnliche Villa, welche im Volksmund den Namen ,Funckenburg‘ erhielt“, heißt es dazu in einer historischen Aufarbeitung der Stadt Schwerte. Heute ist es bekannt als Seeschlösschen.

Damals führt eine Privatbrücke zum Mäuseturm und damit zur anderen Ruhrseite.
Damals führt eine Privatbrücke zum Mäuseturm und damit zur anderen Ruhrseite. © Ruhrverband | Ruhrverband

Von der Funckenburg aus führte jedenfalls damals eine kleine Privatbrücke zur anderen Ruhrseite und zu dem kleinen Mäuseturm, der damals noch als Kutschenremise diente. Dort sollen unter anderem bedienstete Kutscher der Familie gelebt haben. „Soweit überliefert, wollte Wilhelm Funke möglichst schnell auf die andere Ruhrseite, um von dort zu seiner Schraubenfabrik am Hagener Bahnhof zu gelangen. Am Mäuseturm angebaut befanden sich unter anderem Stallungen und dahinter noch Weiden“, erklärt Matthäus Schallenberg vom Ruhrverband die Geschichte hinter dem verlassenen Turm.

Das Gebäude verfiel immer mehr und wurde zurückgebaut.
Das Gebäude verfiel immer mehr und wurde zurückgebaut. © Ruhrverband | Ruhrverband

Während über die Jahre weite Teile des Gebäudes rund um den Mäuseturm und die Brücke - die zwischen den zwei „mittelalterlichen“ Burgtürmen den Fluss überspannte - zurückgebaut werden mussten, weil sie nicht mehr verkehrssicher waren, ist der Mäuseturm bis heute noch zu sehen und eine Art Hagener Wahrzeichen.

Der Mäuseturm auf einer Insel im Hengsteysee dient mittlerweile als Refugium für Wasservögel und Fledermäuse.
Der Mäuseturm auf einer Insel im Hengsteysee dient mittlerweile als Refugium für Wasservögel und Fledermäuse. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey
An der Vorderseite des Turms zeugt nur noch ein kleiner Vorsprung davon, dass es hier einmal eine Brücke gegeben hat.
An der Vorderseite des Turms zeugt nur noch ein kleiner Vorsprung davon, dass es hier einmal eine Brücke gegeben hat. © WP | Laura Handke

„Allerdings lassen wir mittlerweile der Natur dort freien Lauf. Im Laufe der Jahre haben sich dort Wasservögel und Fledermäuse angesiedelt. Es ist eine Art Rückzugsort für die Tierwelt geworden“, sagt Sprecher Markus Rüdel. Lediglich für die Verkehrssicherung seien Kollegen noch ,drüben auf der Insel‘, um dort turnusmäßige Kontrollen durchzuführen. Der Ruhrverband bittet im gleichen Zug auch Kanuten oder Bootfahrer darum, von Besuchen der Insel abzusehen und die dort nistenden Tiere nicht zu stören, der Turm sei leer und es gäbe dort nichts zu entdecken.

Zu dessen Namen gibt es übrigens gleich zwei überlieferte Herleitungen: entweder stammt er durch dort lebende Fledermäuse oder aus dem Vergleich zum Wehr- und Wachturm im Rhein bei Bingen. 

Markus Rüdel und Matthäus Schallenberg vom Ruhrverband vor dem Mäuseturm: Sie bitten dringend darum, von Besuchen der Insel abzusehen.
Markus Rüdel und Matthäus Schallenberg vom Ruhrverband vor dem Mäuseturm: Sie bitten dringend darum, von Besuchen der Insel abzusehen. © WP | Laura Handke
Der Mäuseturm am Hengsteysee war früher über eine Privatbrücke mit dem Ufer verbunden.
Der Mäuseturm am Hengsteysee war früher über eine Privatbrücke mit dem Ufer verbunden. © WP | Laura Handke