Hagen. Im Bahnhof Dahl in haben mehrere Familien ein Zuhause gefunden. Was das Leben für Nadine Hülsmann und Christoph Geist besonders macht.
„Da“, sagt sie. „Da ist jetzt ein Zug.“ Wir müssen unser Gespräch unterbrechen. Nicht, weil es plötzlich so laut ist. Sondern damit man im Wohnzimmer bei geschlossenen Fenstern den Zug überhaupt hört. Der Dieselmotor der Regionalbahn 52 brummt. Es geht nach Dortmund. Zwischenstation Dahl. „Man hört fast nichts“, sagt Nadine Hülsmann und guckt aus dem Fenster.
Alle halbe Stunde rollen hier im Süden von Hagen im Durchschnitt die Triebwagen ein. Mal in die eine, mal in die andere Richtung. Vor einem Gebäude, das einst ein so stolzer Bahnhof war, in dem sich noch heute ein Durchgang zu den Gleisen befindet, der an die Ursprünge der Eisenbahn erinnert. In diesem schiefer-verkleideten Bahnhof, in dessen rechten Flügel sich ein klassischer Güterschuppen befindet, leben mittlerweile fünf Parteien.
Hohe Decken und ein besonderer Zuschnitt
Er ist ein Schatz, dieser Bahnhof. Ein grüner Schatz, weil er von verschiedensten Pflanzen so umringt ist, dass sie einen Blick auf das nackte Gebäude kaum mehr zulassen. Und weil das Grün nach und nach den Bahnhof erobert. Ein Schatz aber ist er auch, weil die Wohnungen, die er in sich birgt, dieser Bahnhof, so besondere sind. Hohe Decken, rustikaler Altbau, außergewöhnlicher Zuschnitt. Besonders aber ist auch: Nicht nur wer vor dem Gebäude steht, sieht das viele Grün. Auch wer durch die Fenster hinausblickt, sieht es.
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„Als wir das hier alles zum ersten Mal gesehen haben, waren wir sofort hin und weg“, sagt Nadine Hülsmann. Das erste Mal - das war Ende 2017. Im Januar sind sie, Christoph Geist, und die Kinder hier eingezogen. „Wir haben erst oben unter dem Dach gewohnt, sind dann im Dezember 2023 umgezogen in die größere Wohnung im Obergeschoss. Als wir hier bei der Besichtigung durchgelaufen sind, war uns beiden sofort klar: Zu so etwas können wir nicht nein sagen.“
Verkehrsgünstige Lage
Rund 150 Quadratmeter, die Balkon-Terrasse, auf der so viele Pflanzen gedeihen, die Volme, die in einiger Entfernung so friedlich fließt. Dazu die verkehrsgünstige Lage (der Bau ist ja ein Bahnhof, der noch in Betrieb ist, die Bushaltestelle in der Nähe) und das alles mittendrin im Örtchen Dahl. „Wir sind schnell in der Natur, schnell an der Kita, schnell beim Bäcker“, sagt Christoph Geist, der als Leichtathletik-Trainer in Arnsberg arbeitet, „alles funktioniert hier bequem ohne Auto.“
Der Schatz, der ihr Zuhause ist, hat eine Historie: 1874 wurde die Strecke, an der der Bahnhof liegt, eingleisig eröffnet. Zunächst rollten hier Güterzüge, kurze Zeit später machten die ersten Personenzüge Station. In der Vorstellung lassen kräftige Dampflokomotiven die Fenster vibrieren. Die RB 52 gleitet lautlos ein und aus.
Klassischer Bahnhofsbau
Der Bahnhof selbst wiederum ist ein klassischer Bau. Einer, der typisch ist für eine Epoche, in der die Eisenbahn eine Welt eroberte und revolutionierte. Diese Revolution ergriff auch das Volmetal. Zunächst den Bereich bis Dahl, dann auch Priorei und Rummenohl.
Dieser Bau ist eben kein typisches Wohnhaus. Zumindest nicht im Jahr 2024, in dem moderne Neubauten nach ökologischen Standards wachsen. Er wurde aber ein Wohnhaus, weil Ende der 90er-Jahre ein Privatmann das Gebäude erstand. In diesem Haus wohnen nicht nur einfach Menschen. Es scheint ein Gebäude, das selbst lebt, das eine eigene Seele hat.
Viele kleine Details
Er glänzt jetzt auf eine eigene Art, dieser Schatz. Nicht, weil er von außen oder innen komplett durchrenoviert wäre. „Man merkt das Besondere an den vielen kleinen Details“, sagt Nadine Hülsmann nicht nur mit Blick auf die eigenen vier Wände, in denen die Leidenschaft für das schöne, für das besondere Wohnen spürbar wird. „Das Gebäude hat einfach einen ganz besonderen Charme. Und im Sinne der Kinder wollten wir raus aus der Innenstadt.“
Um 5 Uhr morgens rollt unter dem Wohnzimmer die erste Volmetalbahn ein. Um 23 Uhr fährt der letzte Zug. „Wenn er mal nicht kommt, vermissen wir da schon fast etwas“, sagt Christoph Geist. Und wenn sie mal wieder reinwollen, in die Innenstadt, dann steigen sie einfach ein in den Zug.
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Güterzüge lassen Scheiben vibrieren
Der Durchgang zu den Gleisen unterhalb der Wohnung wirkt, als begebe man sich auf eine Zeitreise ins Jahr 1874. Wir müssen unser Gespräch noch einmal kurz unterbrechen, damit man im Wohnzimmer bei geschlossenen Fenstern den nächsten Zug überhaupt hört. Nur die wenigen Güterzüge lassen die Fenster vibrieren. Wie die erste Dampflok im Jahr 1874, die im Bahnhof Dahl einfuhr.