Hagen. Thomas Graefenstein kämpft für die Rettung von Haus Ruhreck, ein historisches Juwel in Hagen, das dringend saniert werden muss.
Es ist keine Burg und es ist auch kein Schloss. Irgendetwas dazwischen. Ein Feudalsitz vielleicht, denn der Erbauer, der Hagener Waggonfabrikant Caspar Diedrich Killing, lebte hier im 19. Jahrhundert mit Hausdienern, Kutscher und Gärtner.
Aber egal, wie man das Gebäude immer nennt, es gehört zu den geheimnisvollsten, verblüffendsten und extraordinärsten Immobilien in Hagen. Haus Ruhreck mit seinen Türmen und Zinnen, dem beigebraunen Mauerwerk und dem hoch aufragenden Hauptturm sieht gerade so aus wie der Schauplatz eines Märchens der Gebrüder Grimm. Noch dazu liegt es im Zentrum eines neun Hektar umfassenden, rätselhaften Waldes, in dem wohl die wenigsten Hagener bisher einen Spaziergang unternommen haben. Man muss kein Romantiker sein, um zu erkennen, dass ein Zauber über diesem Haus schwebt.
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Dringende Sanierung notwendig
Doch das Erbe ist in Gefahr. 1878 errichtet, hat die Feuchtigkeit dem Haus arg zugesetzt. Die Nässe ist aufgestiegen in den Fundamentsäulen und hat die Sandsteine an manchen Stellen regelrecht zerstört. Ein Ehepaar ist neulich ausgezogen aus seiner Wohnung, weil die klamme, feuchte Umgebung nicht mehr zuträglich war. „Es handelt sich um massive Mängel. Das gesamte Haus muss trocken gelegt werden“, sagt Dr. Thomas Graefenstein (69): „Es sind viele Investitionen notwendig. Und viele Gutachten.“ Ein Berg von Arbeit, der einen Berg von Geld verschlingen wird.
Graefenstein will es trotzdem angehen. Vor eineinhalb Jahren hat der Unternehmer aus Dortmund, der eine Firma für Robotertechnik gegründet und geleitet hat, Haus Ruhreck von einer Erbengemeinschaft erworben. Mit 16 Erben, entfernte Nachkommen von Killings Ehefrau, in deren Besitz das Gebäude lokaler Überlieferung zufolge nach der Scheidung überging, musste er sich einig werden.
Die Sommerserie „Schätze am Wegesrand“
In der großen Sommerserie der Hagener Stadtredaktion erzählen wir die Geschichten von außergewöhnlichen Häusern und Landmarken: Viele haben sie vielleicht schon einmal am Wegesrand entdeckt, wissen aber nicht, was sich dahinter verbirgt. Folgende Teile sind bereits erschienen:
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Ein Rettungsprojekt mit Haut und Haar
Graefenstein will Haus Ruhreck vor dem Ruin retten, er hat sich diesem Rettungsprojekt mit Haut und Haar verschrieben. Es ist, wenn schon keine Lebens-, so doch eine Mammutaufgabe. „Aus meiner Firma will ich mich nach und nach zurückziehen“, beschreibt er seine Motivation: „Um dann mein Wissen und meine Begeisterung für Technik in dieses Haus einzubringen.“
Später will Graefenstein mit seiner Frau eine Wohnung des Hauses beziehen, selbstredend ohne Dienerschaft. Platz genug ist da, geschätzte 700 Quadratmeter. Derzeit wohnen zwei Parteien in dem Gebäude, darunter der Maler Andreas Weische, zu dessen Wohnung der runde Treppenturm gehört, durch den 116 Wendelstufen zur Aussichtsplattform führen. Hier könnte sich ein einziger Ritter, lebten wir noch im Mittelalter, verschanzen und den Aufgang gegen ein ganzes Heer verteidigen. Als hätte König Ludwig II. von Bayern, der Schlossherr von Neuschwanstein, beim Bau die Hände im Spiel gehabt. Andreas Weische weiß, in welch märchenhaftem Ambiente er lebt: „Es ist eine andere Welt, man lebt hier wie entführt.“
„Es ist eine andere Welt, man lebt hier wie entführt.“
Aber Haus Ruhreck ist kein Märchenhaus, erst recht kein Museumsstück, auch kein Renditeobjekt, es ist ein Wohnhaus, dessen Existenz von der schnöden Realität bedroht wird. Thomas Graefenstein geht bei der Renovierung behutsam vor, wo immer es möglich ist, restauriert er statt zu erneuern, um die einzigartige Ausstrahlung dieses Baus zu bewahren.
25.000 Euro Heizkosten pro Jahr
Die Sandsteinstufen der Freitreppe auf der Südseite, die der Frost gesprengt und wie einen Blätterteig gefältelt hat, lässt er Schicht für Schicht wieder mit einem Spezialkleber verbinden. Am schmiedeeisernen Tor, das die Zufahrt schmückt, entfernt eine Fachfirma die Bleimennige, um sie durch ein ungiftiges Rostschutzmittel zu ersetzen. Einen vollständig mit herbei gewehtem Fluglaub verstopften Kaminzug hat Graefenstein reinigen lassen, ein neuer Kamin verheißt bereits behagliche Winterabende mit einem guten Buch und einem Glas Rotwein. „Vielleicht sitze ich hier tatsächlich einmal und gucke in den Wald, aber erstmal sehe ich nur die ganze Arbeit, die noch vor mir liegt.“
„Vielleicht sitze ich hier tatsächlich einmal und gucke in den Wald, aber erstmal sehe ich nur die ganze Arbeit, die noch vor mir liegt.“
Im Keller fand der neue Hausherr mehrere verschlossene Türen, hinter denen sich natürlich klandestine Überbleibsel früherer Bewohner erhoffen ließen. Doch als er sie mithilfe nachgemachter Schlüssel endlich öffnen konnte, war da nur Müll, Müll und abermals Müll. Eine der nächsten Aufgaben wird es sein, die einfach verglasten Fenster zu ersetzen, und dann muss natürlich der uralte Ölbrenner ausgetauscht werden, allein 25.000 Euro an Heizkosten verschlingt die Immobilie jedes Jahr.
Und wie jeder Hausbesitzer möchte Thomas Graefenstein in Zukunft privat und unbehelligt von plötzlich auftauchenden Besuchern in seinen eigenen vier Wänden bleiben, auch Trinkgelage auf dem riesigen Grundstück sind natürlich unerwünscht. Wer mag, der kann in dem schattenhaften Waldstück spazieren gehen, aber bitte keinen Abfall hinterlassen.
Die Burg selber steht auf einem Privatgrundstück. Hier ist der Zugang nicht erlaubt. Dies schließt auch die zugehörigen Wege rund um die Burg mit ein. Der neue Burgherr freut sich aber über den Besuch von Anwohnern, ehemaligen Mietern oder historisch interessierten Hagenern, die diesbezüglich gerne über das Sekretariat der Firma roTeg AG (kontakt@roteg.de) Kontakt aufnehmen können.
Trotz all der profanen Probleme wird Haus Ruhreck wohl nie seine mystische Atmosphäre verlieren. Es spuke im Gemäuer, behauptet Maler Weische. Auch der Hausgeist wird sich glücklich schätzen, wenn er wieder in stilvollem Ambiente durch die alte Unternehmervilla nachtwandeln kann.