Hagen. Der Hohenhof gehört zu den bekanntesten Villen in Hagen. Versteckte Ecken eines Hauses, das seiner Zeit voraus war und für Debatten sorgte:
Man könnte meinen, dass die berühmtesten Häuser in Hagen auch in zentraler Lage liegen, vom Trubel des Alltags täglich umrundet. Doch beim Hohenhof ist das nicht der Fall. Eines der architekturgeschichtlich bedeutendsten Bauten in Europa liegt versteckt in einem Waldstück zwischen Hagener Zentrum und Hassley. An einer Seitenstraße mit dem Namen „Stirnband“, die die meisten Leute wohl eher an ein Modeaccessoire für den Kopf denken lässt. Doch dieser wenig klangvolle Name wird dem Schatz nicht gerecht, der dort schlummert. Diese Geschichte ist der Versuch, einem seit vier Jahrzehnten für die Öffentlichkeit zugänglichen Baudenkmal ein paar versteckte Geheimnisse zu entlocken.
Wohnhaus aus einem Guss
Wer vor der Pforte einen Hinweis auf den Herren dieses Hauses sucht, der muss auf die Fenstergitter schauen. Verschlungen im Stahl liegen die Einzelbuchstaben „K-E-O“, Initialen von Karl-Ernst Osthaus. Ein vermögender Bankierssohn, der zeitlebens zum Sammler und Kunstpionier avancierte. In dem Wohnhaus seiner Familie, das er zu Kaisers Zeiten bauen ließ, ist jedes Zimmer, jedes Möbelstück, jedes Gemälde aufeinander abgestimmt. Ein Wohnhaus aus einem Guss, sozusagen.
Hunde-Mosaike bewachen Eingang
Wer über die Schwelle eintritt, der kann leicht die Hunde übersehen. Zahlreiche kleine Mosaike im Fußboden, deren Muster an Hundegesichter erinnern sollen. „Diese Tradition stammt aus dem römischen Häuserbau“ weiß Birgit Schulte, langjährige stellvertretende Leiterin des Osthaus-Museums, einzuordnen. In der Antike hatten viele Wohnhäuser von Römern an der Türschwelle ähnliche Mosaike von Hunden.
Die Sommerserie „Schätze am Wegesrand“
In der großen Sommerserie der Hagener Stadtredaktion erzählen wir die Geschichten von außergewöhnlichen Häusern und Landmarken: Viele haben sie vielleicht schon einmal am Wegesrand entdeckt, wissen aber nicht, was sich dahinter verbirgt. Folgende Teile sind bereits erschienen:
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„Carve Canem“ - „Hüte dich vor dem Hund“- lautete die lateinische Warnung, die sich bis heute in abgewandelter Form auf so manchem Schild am Gartenzaun wiederfindet. Die Hunde-Mosaike im Hohenhof hat der belgische Künstler-Architekt Henry van de Velde gestaltet, so wie alles andere in dieser Villa. Sie gilt als eines der letzten verbliebenen Gesamtkunstwerke aus der Kunstepoche des Jugendstils.
Hausarbeit erleichtern
Fallen dem Besucher die vielen Gemälde, kunstvollen Wandmosaike und Statuen schnell ins Auge, bedarf es eines genauen Blickes, um die kleinen Finessen zu entdecken, die die Hausarbeit in dieser Villa erleichtern sollten. Der Übergang vom Fußboden in die aufgehenden Wände ist zum Beispiel mit Hohlkehlen gestaltet. Sogar der Steinboden in der Halle ist gebogen geschliffen, um Eckkanten zu vermeiden. „So konnte man die Räume gut sauber halten“, erläutert Schulte. „Es gab keine Ecken, in denen sich Schmutz ablagert.“
„Karl Ernst Osthaus wollte effektive Lösungen haben und am Zahn der Zeit leben. Als typisch moderner Mensch wollte er sich die Erkenntnisse der Technik zunutze machen.“
Anschluss für Sauger
Ein paar Schritte weiter fällt ein Saug-Anschluss auf, der auf Kniehöhe in die Wand eingelassen ist. Die Leitung führte zu einer Vakuum-Anlage, die per Drehstrommotor mit 1,5 Pferdestärken (PS) angetrieben wurde. An den Anschluss konnte das Hausmädchen einen Saugschlauch anschrauben, um so die Böden zu saugen.
In mehreren Zimmern des Wohnhauses waren einst solche Saug-Anschlüsse in den Wänden. Wenn man so will, die ersten technischen Gehversuche, die später zum Staubsauger führen sollten. „Karl Ernst Osthaus wollte effektive Lösungen haben und am Zahn der Zeit leben“, sagt Katja Knicker, stellvertretende Leiterin des Osthaus-Museums. „Als typisch moderner Mensch wollte er sich die Erkenntnisse der Technik zunutze machen.“
Elektrisches Licht
So gab es im Keller einen weiteren Drehstrommotor, der eine Waschmaschine in Bewegung setzte. Auch der Vorläufer eines Telefons stand in einem Seitenraum des Foyers. Elektrisches Licht erhellte die Räume, wie es zu damaliger Zeit noch selten war. „Damals waren Gaslampen in den Wohnhäusern noch verbreitet und weil Gaslicht immer rußte, strich man die Wände lieber dunkler, damit der Ruß nicht so auffiel“, sagt Birgit Schulte. Da der Hohenhof elektrisches Licht hatte, konnten es sich die Familie Osthaus auch erlauben, die Räume hell zu streichen.
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Badezimmer als Neuheit
Ungewöhnlich für die Zeit war auch ein Raum, der sich in der ersten Etage des Hohenhofes befindet: das Badezimmer. Während damals ein Waschtisch mit Krug im Schlafzimmer üblich war, hatte ein eigenes Zimmer für die Körperpflege schon Seltenheitswert. Birgit Schulte und Katja Knicker führen in den kleinen Raum, zwischen Doppelwaschbecken und einem leeren Fleck, wo zu Osthaus Zeiten eine Badewanne mit Brause und „Shampoonier-Apparat“ stand.
„Hätte ich mir anders eingerichtet“
So neu die Idee eines Badezimmers damals war, so sehr regte es die Fantasie der Zeitgenossen an. Ehemann und Ehefrau in einem Badezimmer, kann das funktionieren? Der Waschraum der Eheleute Osthaus war Gesprächsthema in der Avantgarde. Katja Knicker holt einen Brief hervor, den der deutsche Schriftsteller Max von Münchhausen an seine Schwester schrieb, nachdem der die Pläne für das Badezimmer der Villa Osthaus gesehen hat: „Hätte ich mir an Herrn Osthausens Stelle anders eingerichtet“, schreibt Münchhausen.
„Ich frage mich, was das geben soll, wenn Herr und Frau Osthaus sich in diesem Raume zur gleichen Stunde waschen? Zunächst werden sie in einer, für ihre westfälischen Hinterteile schmerzhaften Weise, rückwärts dabei aneinander buffen. Dann werden sie sich beplantschen. Spritzer werden Frau Osthaus auf Herrn Osthaus breiten rücken kommen und ihn kalt und peinlich überraschen und Seifenschaum wird Herrn Osthaus in Frau Osthaus Haar fliegen an ihre Achillesferse, denn Frauen haben die Achillesferse auf dem Kopfe. Es wird das Ehepaar Osthaus entzweien, dieser gemeinsame Waschraum.“
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Signierte Schiefertafeln
Der Rundgang endet auf dem Dachboden des Hohenhofes, wo einst die nasse Wäsche der Familie Osthaus auf den Holzdielen zum Trocknen auslag. Heute sind die Holzdielen leer und neue Relikte sind eingezogen, lange nach der Familie Osthaus. Gemeint sind ein paar Schiefertafeln, genagelt untereinander an einen Holzbalken, der das Dach stützt. Einzelne Namen mit Datum stehen auf den Tafeln und auf einer ist ein Liebesschwur eingraviert, von „Thomas“ an seine „Verena“.
Birgit Schulte kennt die Herkunft der Schiefertafeln nicht, versucht sich an einer Deutung. Das Haus sei mit Schiefer gedeckt und Firmen hätten häufig die Schindeln ausgebessert. „Vielleicht haben sich Handwerker hier verewigt? Vielleicht war einer der Dachdecker verliebt? Aber das ist alles nur Theorie.“