Hagen. Die Hausnummer 104 steht zum Verkauf. Doch hinter dem Gebäude verbirgt sich mehr als nur ein Haus an einer der gefragtesten Straßen der Stadt.

Nicht schlimm, wenn man nicht sofort weiß, was Bergischer Barock ist. Nicht jeder hat die architekturhistorische Kenne, sowas zu erkennen. Deshalb fährt man vielleicht auch etwas unachtsam, an einem besonderen Haus an der Fleyer Straße vorbei, das ein Maklerbüro gerade für 798.000 Euro verkaufen möchte. Arbeitstitel: Spelling-Villa. Der Mann, der das verlassene Haus an der Fleyer Straße erdachte, hat auch die wunderschöne Klosterkirche St. Elisabeth an der Scharnhorststraße erschaffen. Die Geschichte der verlassenen Villa beginnt 1919 mit einem Streit.

Die St. Elisabeth-Kirche im Klosterviertel in Hagen. Erbaut von Architekt Georg Spelling.
Die St. Elisabeth-Kirche im Klosterviertel in Hagen. Erbaut von Architekt Georg Spelling. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Makler-Exposés neigen ja oftmals dazu, zu dick auftragen. Da wird das Gewöhnliche blumig, so manche Bruchbude zum Domizil. Das ist in diesem Fall etwas realistischer formuliert. Die Villa liege an einer der „gefragtesten Straßen der Stadt“, was sich im Auge des Betrachters liegt. Tatsächlich ist die Bausubstanz an der Fleyer Straße ein Blickfang. Viele Altbauten säumen die alleeartige Straße. Hier an diesem Haus, so die Makler weiter, komme es zur Symbiose zwischen „Tradition und Moderne“. Das klingt tatsächlich erstmal wie aus dem Makler-Sprachbaukasten - ist aber wahr.

Zeitsprung: Es ist 1919. Der Grundstücksbesitzer Heinrich Kunze bricht einen Streit vom Zaun. Er hat das Grundstück nämliche ohne baupolizeiliche Genehmigung errichten lassen. Geldstrafe damals: 15 Mark. Er legt Beschwerde ein, die Strafe wird auf 3 Mark ermäßigt. Fünf Jahre später will Kunze bauen. Er reicht durch den Architekt Spelling ein Baugesuch für ein Einfamilienhaus ein. Kosten damals: 35.000 Mark. Die Hagener Firma „Romberg & Hüls“ legt mit Erdarbeiten los.

Baumeister der großen Kirchen

Portal der Klosterkirche St. Elisabeth an der Scharnhorstraße.
Portal der Klosterkirche St. Elisabeth an der Scharnhorstraße. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing

Georg Spelling ist nicht irgendein Architekt. Der Kölner ist zu jener Zeit Kirchenbaumeister, errichtet zahlreiche Gotteshäuser und Basiliken im Bergischen Land, im Ruhrgebiet und auch in Hagen. Darunter eine der schönsten Kirchen der Stadt: die Klosterkirche.

Wie der Meister angesichts der Kathedralen einen so kleinen Auftrag wie den der Villa an der Fleyer Straße annimmt, ist nicht überliefert. Aber er tut es. Und er entwirft sie - und damit spannen wir den Bogen zum Anfang - im Stile des bergischen Barocks. Die Denkmal-Akte im Hagener Rathaus ist dünn zu diesem Gebäude. Dort steht nur: „Kleines Einfamilienhaus in eigenwilliger Wiederaufnahme des bergischen Barocks. Niedriges, verputztes Erdgeschoss und verschiefertes Walmdach. Rechts angeordneter, geschweifter Giebel über drei vorgelegten Steinpfeilern. Fenster mit weiß gestrichenen, hölzernen, geschweiften Gewänden. Im Erdgeschoss rechts veränderte Fenster. Zurückgesetzt in Garten in Zeile ähnlicher Bebauung wirkungsvoll gelegen.“

Der Bergische Dreiklang

Die Villa an der Fleyer Straße wurde 1924 erbaut.
Die Villa an der Fleyer Straße wurde 1924 erbaut. © Westfalenpost | Mike Fiebig

Baumeister und Handwerker wandten diesen Stil auf bürgerliche Profan- und Sakralbauten sowie Möbel dieses Raums an, indem sie traditionelle Baukonstruktionen und Baumaterialien, insbesondere das mit Schiefer verkleidete Fachwerkhaus, in die neuen Formen übertrugen, wobei der Bergische Dreiklang, der typische Farbkanon der Regionalarchitektur, beibehalten wurde. Den „Bergischen Dreiklang“ werden Ausflügler in der Region sicher schon mal wahrgenommen haben: schwarze Fachwerkbalken, weiße Gefache, strahlend weiße Fenster- und Türrahmen und grüne Türen und Holzschlagläden. Für Feinschmecker: Bergisch Grün, RAL 6005.

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Im Inneren der 180 Quadratmeter großen Villa setzt sich dieser Stil fort. Die Zeit scheint mit dem bergischen Barock stehen geblieben. Mitten an der Fleyer Straße. Selbst als 1944 eine Bombe den Dachstuhl des Gebäudes traf, nahm ihm das nicht seine Strahlkraft. 1945 war der Schaden schon wieder behoben. 1989 wurde das Haus in die Denkmalliste aufgenommen.