Kuhlerkamp. Die roten Häuser stechen im Vorbeifahren ins Auge, aber sie haben auch eine besondere Geschichte. Ein Besuch in der Cuno-Siedlung in Hagen.

Auf den Höhen vom Kuhlerkamp jenseits der Ennepe thront die denkmalgeschützte rote Cuno-Siedlung mit einem burgähnlichen Charakter zwischen Albrecht- und Leopoldstraße am Wegesrand. Von hier oben schweift der Blick weit über das Hagener Stadtzentrum und auf den grünen Stadtwald. Vier streng sachlich gehaltene und geometrisch strukturierte Baukörper liegen gestaffelt in Hanglage. Natursteinmauern und Grünflächen durchziehen den gesamten Bereich der Siedlung und dienen auch den jetzigen Mietern als gern genutzte Aufenthaltsräume und Spielplätze.

Der Eingang zur Cuno-Siedlung: Sie steht unter Denkmalschutz und hat aus Sicht von Außenstehenden durchaus einen burgähnlichen Charakter.
Der Eingang zur Cuno-Siedlung: Sie steht unter Denkmalschutz und hat aus Sicht von Außenstehenden durchaus einen burgähnlichen Charakter. © Winfried Hoppmann | Winfried Hoppmann

Dunkelroter Backstein und blutroter Putz prägen die äußere Gestaltung der Gebäuderiegel, die vielleicht für Außenstehende aus heutiger Sicht nicht einmal mehr besonders wirken, durchaus aber eine echte Geschichte erzählen zu haben.

Architektonisches Highlight

Die Cuno-Siedlung ist ein architektonisches Highlight, sie gilt mit als einer der bedeutendsten Gebäudekomplexe der 1920er-Jahre in ganz Südwestfalen. Prägend sind expressionistische und funktionalistische Stilelemente. Gebaut wurde die Siedlung von 1926 bis 1928. Es war die Zeit der Weimarer Republik, die die öffentliche Fürsorge und den Wohnungsbau erheblich ausweitete. Es herrschte akute Wohnungsnot, gerade bei den Arbeiterfamilien. Ansteckende Krankheiten wie Tuberkulose grassierten durch schlechte Hygiene und enge Wohnverhältnisse.

In der historischen Siedlung leben bis heute Menschen, die gerne die Grünzüge nutzen.
In der historischen Siedlung leben bis heute Menschen, die gerne die Grünzüge nutzen. © Winfried Hoppmann | Winfried Hoppmann

Neuen und bezahlbaren Wohnraum schaffen

Aus diesem Grund wollte die Stadt Hagen damals neuen und auch bezahlbaren Wohnraum schaffen. Unter der Verantwortung und kommunalen Aufsicht von Stadtbaurat Ewald Figge wurde auf dem Kuhlerkamp die Cuno-Siedlung, benannt nach Willi Cuno (1860-1951), dem damaligen Oberbürgermeister der Stadt (1901 bis 1927), gebaut. Die Gebäude mit 121 Wohnungen wiesen einige Besonderheiten zur damaligen Zeit auf. Im Stil des „Neuen Bauens“ geplant, sollte die Arbeitersiedlung auch eine künstlerisch-gestalterische Qualität aufweisen.

„Gebaut wurde die Wohnanlage vor dem Hintergrund, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“

Alexander Krawczyk
Geschäftsführer der Hagener Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft

Brause- und Wannebäder

In einer Zeit, als noch in Zinkbadewannen im Hof oder in der Küche gebadet wurde, gab es in der Siedlung Gemeinschaftseinrichtungen wie eine Wäscherei sowie eine Badeanstalt mit Brause- und Wannenbädern. Ein weiteres Highlight: Der serielle Einbau der sogenannten „Frankfurter Küche“, die von der Architektin Grete Schütte-Lihotzky gerade erst entwickelt worden war. Dieser erste „Urtyp“ einer modernen Einbauküche war durch eine Glaswand vom Wohnraum getrennt und dadurch zugleich platzsparend und kostengünstig.  

Tierreliefs von Hans Dorn finden sich noch heute an den alten Gemäuern.
Tierreliefs von Hans Dorn finden sich noch heute an den alten Gemäuern. © Winfried Hoppmann | Winfried Hoppmann
Die Plastik „Flötenspieler“ stammt von Karel Nistrath.
Die Plastik „Flötenspieler“ stammt von Karel Nistrath. © Winfried Hoppmann | Winfried Hoppmann

Skulpturen und Reliefs schmücken die Gebäude

Die funktionalen, sachlich gehaltenen Gebäude der zwei- bis viergeschossigen Wohnanlage werden durch individuelle Fassadendetails aufgelockert. An Hausecken und Toren finden sich Skulpturen des Hagener Künstlers Karel Niestrath, neben Eingängen und Einfahrten Reliefs von Hans Dorn. Sicherlich konnten sich damals die Kinder besser die Tierreliefs an den Hauseingängen als Hausnummern merken. Imposante Bogendurchgänge prägen zudem die Haupteingänge der Siedlung. 

Chiara Rubino und Alexander Krawczyk von der ha.ge.we in der Cunosiedlung in Hagen.
Chiara Rubino und Alexander Krawczyk von der ha.ge.we in der Cunosiedlung in Hagen. © Hoppmann | Winfried Hoppmann

Die Verwaltung der fertiggestellten Cuno-Siedlung übernahm die Hagener Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft, die bereits im Jahre 1919 als kommunales Unternehmen gegründet wurde. „Seit 1982 ist die HGW auch Eigentümerin“, erzählt Geschäftsführer Alexander Krawczyk. „Gebaut wurde die Wohnanlage vor dem Hintergrund, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“ Um Kosten zu sparen, wurden Normbauteile wie z.B. Fenster und Türen verwendet. Allerdings sei dieses Ziel nicht erreicht worden, und so habe die Stadt Hagen den Bau subventioniert und Mietbeihilfen gewährt, um die Mieten bezahlbar zu machen.

Grünzüge prägen die alte Cuno-Siedlung in Hagen. Benannt ist sie nach dem früheren Oberbürgermeister.
Grünzüge prägen die alte Cuno-Siedlung in Hagen. Benannt ist sie nach dem früheren Oberbürgermeister. © Winfried Hoppmann | Winfried Hoppmann
Die Cunosiedlung um das Jahr 1928 (Archivbild)
Die Cunosiedlung um das Jahr 1928 (Archivbild) © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing

Eine Liebe zur Siedlung, die verbindet

Welche Menschen wohnen heute in der historischen Siedlung? Walter und Monika Böning haben sprichwörtlich eine lebenslange Verbindung mit dem roten Gebäudekomplex. Monika Böning wurde dort geboren, und der 17-jährige Walter Böning zog mit seinen Eltern ins Nachbarhaus. „Meine Frau war zwölf Jahre und wohnte in Nummer 37, ich war 17 Jahre alt und bin mit meinen Eltern in Nummer 38 gezogen. Seitdem habe ich sie nicht mehr losgelassen, wir sind seit 1963 verheiratet“, erinnert sich Walter Böning gern an die Anfangszeiten am Kuhlerkamp. „Auch unser erster Sohn ist hier geboren“.

Das Quartier und die Siedlung gefielen dem Ehepaar so gut, dass sie nach einigen Umzügen seit 50 Jahren wieder zufriedene Mieter sind. „Wir gucken direkt auf Hagen und dorthin, wo wir in der Cuno-Siedlung früher gewohnt haben, und wollen hier nicht mehr weg“, ergänzt Walter Böning.

„Die Mieterstruktur ist jetzt durchmischt, ein ganz normales Quartier. Wir bekommen von dort sehr wenig Beschwerden. 20 Prozent der Mietverhältnisse dauern sogar länger als zehn Jahre“, sagt Krawczyk. „Auch von der Altersstruktur her haben wir eine sehr gute Durchmischung. Mehrere Generationen wohnen hier gern zusammen.“

Luftbild von der denkmalgeschützten Cuno Siedlung am Kuhlerkamp
Luftbild von der denkmalgeschützten Cuno Siedlung am Kuhlerkamp © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Klimagerechte Renovierung schwierig

Ein fast hundert Jahre altes Gebäude verändert sich mit der Zeit. Es muss renoviert und der Zeit angepasst werden. So erhielten die Wohnungen Badezimmer und auch die Fenster wurden denkmalgerecht erneuert. Nun stehen aber ganz neue Herausforderungen an durch das Ziel, bis 2045 auch im Gebäudebereich klimaneutral zu werden. So fordert es das Bundesklimaschutzgesetz.

„Die Renovierung ist unter energetischen Gesichtspunkten schwierig, die Gebäudehülle kommt aus Denkmalschutzgründen nicht in Betracht.“

Alexander Krawczyk
HGW-Geschäftsführer

„Die Renovierung ist unter energetischen Gesichtspunkten schwierig, die Gebäudehülle kommt aus Denkmalschutzgründen nicht in Betracht. Wir machen uns aber jetzt schon auf den Weg und warten nicht“, sagt Krawczyk. Ein externes Ingenieurbüro plane gerade eine neue Wärmeversorgung der Gebäude durch ein zentrales Blockheizkraftwerk. Der hierbei erzeugte Strom soll verbrauchernah in die Gebäudestruktur eingespeist werden.