Mülheim. Vor dem Stopp an Mülheims neuem Flüchtlingsquartier machte sich Josefine Paul ein Bild von der ZUE, der Einrichtung, die Anwohner verärgert.
Um Platz zu schaffen für die Aufnahme von Geflüchteten, entsteht auf dem Areal der ehemaligen Stadtgärtnerei neben dem Hauptfriedhof unter Federführung des MWB ein neues Quartier, in dem ab Sommer 2025 insgesamt 135 Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung stehen sollen. Jetzt wurde der Grundstein für das Neubauprojekt gelegt - im Beisein von NRW-Integrationsministerin Josefine Paul. Zuvor hatte die Ministerin einige hundert Meter weiter östlich die umstrittene Landeseinrichtung ZUE besucht. Einen Austausch über ihre Kritikpunkte vermissten Anwohner weiterhin.
Begriffe der Superlative fallen an diesem Nachmittag so einige: wegweisend, symbolträchtig, vorbildhaft. Mit diesen Worten umschreiben Oberbürgermeister Marc Buchholz und NRW-Integrationsministerin Josefine Paul unisono das Neubauprojekt an der Zeppelinstraße, wo auf rund 13.000 Quadratmetern elf Wohnblöcke mit insgesamt 135 Wohnungen sowie einem Quartierspavillon entstehen. Rund 500 geflüchtete Menschen sollen hier ein - temporäres - Zuhause finden. Sollte künftig weniger Wohnraum für Geflüchtete benötigt werden, werden die Wohneinheiten durch versetzbare Wände großzügiger gestaltet, um sie als MWB-Wohnungen auf den Markt zu geben, als Sozialwohnungen für jedermann. Das ist noch Zukunftsmusik, doch mit der Grundsteinlegung ist das Morgen eingeläutet. Und damit auch das Ende der umstrittenen ZUE?
MWB-Chef Esser über neues Flüchtlingsquartier: „Keine High-End-Architektur, aber wertig und langlebig“
Nach einer Rekordzeit von 18 Monaten will die Wohnungsbaugenossenschaft Mülheimer Wohnungsbau (MWB) als Bauherrin den Schlüssel übergeben können. Bei der Grundsteinlegung beteuerte der MWB-Vorstandsvorsitzende Frank Esser: „Wir werden im Sommer 2025 liefern.“ Vorgefertigte Bauelemente in Holzrahmenbauweise machten das Tempo möglich, gleichzeitig sei Nachhaltigkeit eingepreist: Gebaut werden bei dem 32-Millionen-Projekt, bei dem 27 Millionen Euro als Fördermittel vom Land kommen, klimaneutrale Null-Energie-Häuser samt Fotovoltaikanlagen und Dachbegrünung mit insgesamt fast 7800 Quadratmetern Wohnfläche. „Das hier ist keine High-End-Architektur, aber wertig und langlebig“, verdeutlichte MWB-Chef Esser, der an die Grundidee einer Wohnungsbaugenossenschaft erinnerte und der AfD zugleich einen deutlichen Seitenhieb mitgab: „Wir tun etwas für die Schwachen in unserer Gesellschaft, in der kein Platz für Arschlöcher ist.“
Für ein respektvolles und soziales Miteinander vor Ort appellierte auch NRW-Integrationsministerin Josefine Paul: „Das Neubauprojekt an der Zeppelinstraße trägt zum Gelingen von Integration bei. Das gilt für die kommunale Unterbringung in besonderem Maße, aber auch Landesunterbringungseinrichtungen liegen immer in Kommunen. Deshalb ist die enge Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen so wichtig.“ Mit Blick auf die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Raadt, die in der Anwohnerschaft für viel Unmut sorgt, betonte die Ministerin nach ihrem Besuch in den Räumlichkeiten, dass diese Lösung nur temporär sei und als Brücke für den neuen Standort diene.
Wenn das neue Mülheimer Flüchtlingsquartier fertig ist, soll die ZUE geschlossen werden
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Denn sobald das neue Flüchtlingsquartier bezugsfertig ist, soll die ZUE im alten Bürogebäude von T-Systems geschlossen werden. Dort war es sehr zum Ärger der Anwohner etwa aus der benachbarten Siedlung an der Theodor-Wüllenkemper-Straße seit Inbetriebnahme Mitte Juni 2023 zu rund 190 Blaulicht-Einsätzen gekommen, darunter zu mehr als 30 Brandfehlalarmen. Künftig sei es wichtig, einen guten Übergang von der ZUE zu der neuen Einrichtung nahe dem Hauptfriedhof zu gestalten, betonte die Ministerin - Organisationen wie das kommunale Integrationsmanagement müssten einbezogen werden.
Mindestens genauso interessant sind an diesem Nachmittag die Worte, die nicht gesprochen werden. Denn die wenigen Anwohner, die der ausdrücklichen Einladung von MWB zur Grundsteinlegung gefolgt waren, wollten sich nicht öffentlich äußern. Eine ZUE-Anwohnerin sagte auf Nachfrage der Reporterin dieser Redaktion: „Ich bin hier, um mit der Politik zu sprechen, nicht mit der Presse.“ Ein anderer Raadter, der nicht namentlich genannt werden möchte, zeigte sich enttäuscht vom Besuch der Ministerin. Die Sorgen der betreffenden Familien würden in seinen Augen nicht ernst genug genommen, das Ministerium beantworte noch nicht einmal die Mails der Anwohner mit ihren Klagen über die Vorkommnisse seit Inbetriebnahme der ZUE.
NRW-Integrationsministerin Paul lobt Angebote innerhalb der Mülheimer ZUE
Gleichwohl betonte die Ministerin, dass „das gegenseitige Zuhören, aber auch die Entwicklung gemeinsamer Lösungen die zentralen Merkmale einer geteilten Verantwortung sind, wie wir sie in der Migrationspolitik haben“. Josefine Paul lobte nach ihrem Besuch in der umstrittenen ZUE, dass den Bewohnern dort Angebote gemacht würden, um ihren Tag zu strukturieren. Zudem sei der Sicherheitsdienst aufgestockt worden und jederzeit erreichbar. „Wir müssen vorausschauend denken: Es sind nicht nur diejenigen, die Schutz suchen, sondern auch diejenigen, die Kompetenzen und Potenziale mitbringen und die zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft beitragen können.“
Die verärgerten ZUE-Anwohner scheint das nicht vollends zu befrieden. Ein Anwohner schlägt den Bogen von der Situation in Mülheim-Raadt hinaus in die Bundespolitik und mahnte im Vorfeld des Besuchs per Mail ans Ministerium: „Tragen Sie dazu bei, dass die Probleme im Land nicht größer werden. Die Minderheiten mit wahnhaften Vorstellungen dürfen sich nicht durchsetzen. Beziehen Sie die Gesellschaft und Betroffene von Einrichtungen wie die ZUE mit in die Planungen ein. Wer Probleme vorher anspricht und versucht, diese frühzeitig anzugehen, kann auf Mitarbeit und Verständnis hoffen. Nur so können wir ein offenes Land bleiben, die Gesellschaft, die wir brauchen.“
Der MWB zumindest zeigt sich solidarisch und weltoffen: Unübersehbar hängt am Bauzaun ein großes Plakat mit der Aufschrift: „Wir sind gegen Rassismus.“
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