Essen. . Bis heute bietet Katernberg das typische Bild einer Bergbau-Gemeinde im Ruhrgebiet, was aber längst kein Makel mehr ist. Folge 33 der Stadtteil-Serie.
Zu den Rätseln der Essener Stadtgeschichte gehört, wie Katernberg es geschafft hat, Zollverein in der öffentlichen Wahrnehmung quasi einzugemeinden. Das Weltkulturerbe mitsamt seiner Paradestücke, dem Schacht 12 und der Kokerei, liegt definitiv in Stoppenberg, nur einige nicht ganz so spektakuläre Anteile der industriellen Kulturlandschaft, etwa der Schacht 3/7/10 mit dem Phänomenia-Erfahrungsfeld stehen auf Katernberger Gemarkung. Seltsam aber: Selbst Essener tippen oft auf Katernberg, wenn sie an Zollverein denken. Und wer in der Internet-Suchmaschine Google „Zollverein“ und „Katernberg“ eingibt, kriegt ein Drittel mehr Treffer als bei „Zollverein“ und „Stoppenberg“.
Wie kommt’s? „Katernberg war immer stark mit Zollverein verbunden, schon weil die meisten Zollvereiner hier wohnten“, sagt Werner Dieker, der es wissen muss. Der 83-jährige frühere SPD-Ratspolitiker war zu seiner aktiven Zeit so etwas wie „Mister Katernberg“: immer präsent, bekannt wie ein bunter Hund und darauf bedacht, für sein „Kaddernberch“ und die Menschen dort viel zu erreichen. Dieker ist das sozusagen in die Wiege gelegt worden. Geboren und aufgewachsen ist er in der Kolonie Hegemannshof, eine der besterhaltenen, dabei aber nicht sonderlich herausgeputzten Bergarbeitersiedlungen des Ruhrgebiets. So klassisch ist diese strenge Reihung von „Vierspänner“-Backsteinhäusern an der Meerbruchstraße, dass man hier noch heute mit nur wenigen Retuschen einen historischen Bergarbeiterfilm aus der Zeit um 1900 drehen könnte. (Zur Fotostrecke "Das ist Essen-Katernberg".)
Das ist Essen-Katernberg
Bergmannsdom ist eine der schönsten Kirchen der Stadt
Mit Idylle hat es aber nur bedingt zu tun, wenn – wie im Fall Dieker – Eltern und sieben Kinder auf 58 Quadratmetern klar kommen müssen. „Ich hab jahrelang mit meinem Bruder in einem Bett gepennt“, erzählt Dieker. Opa und Vater waren schon „auf’m Pütt“, auch Werner Dieker hat dann als Hauer auf Zollverein seine ersten 15 Arbeitsjahre unter Tage verbracht, bevor er bei der Firma Goldschmidt im Recyclingbetrieb anheuerte. Über die Betriebsratsarbeit kam er schließlich in die Kommunalpolitik – für Sozialdemokraten gerade im Essener Norden damals ein typischer Weg. Obwohl er sich schon lange aus dem Rat verabschiedet hat, wird Dieker im Stadtteil von Bürgern noch oft angesprochen. Knorrige Kümmerer wie er sind eben auch in der SPD mittlerweile eine Rarität.
Eine enge Bindung hat Werner Dieker zu einer in Essen weithin unbekannten Kirche, die aber zu den schönsten der Stadt zählt: dem Bergmannsdom am Katernberger Markt. „Hier bin ich getauft, konfirmiert und getraut worden“, sagt er. Das mächtige evangelische Gotteshaus, fertiggestellt 1901, vermittelt mit seiner original erhaltenen Stahlsäulenhalle und der schönen Holzdecke ein selten stimmiges Raumgefühl. Immerhin 1400 Menschen finden hier maximal Platz. Dass die im Krieg unzerstörte Kirche vorbildlich restauriert wurde, ist auch Werner Dieker zu verdanken, der im Laufe der Zeit mehr als eine Million Euro an Spenden, Stiftungsgeldern und Sponsoringleistungen einwarb.
Triple Z auf Zollverein-Schachtgelände 4/5/11
Mitgegründet hat Dieker auch die „Katernberg-Konferenz“, die nach dem Ende des Bergbaus den Stadtteil vor dem ökonomischen Absaufen zu bewahren versuchte. Das Gründerzentrum Triple Z auf dem Zollverein-Schachtgelände 4/5/11 hart an der Grenze zu Gelsenkirchen ist das wohl nachhaltigste Ergebnis dieser Bemühungen. Seit 1996 ist Dieker hier Aufsichtsratsvorsitzender, und wer nicht bei Drei auf dem Baum ist, ist ganz schnell Aktionär. Die nötigen Papiere hat er immer am Mann. Dieker ist auf diese Pioniertat sehr stolz. Drüben in Stoppenberg, auf dem Gelände des Weltkulturerbes, hätten sie sowas wohl auch ganz gern.
Apropos Stoppenberg: Mittlerweile ist der langjährige „König von Katernberg“ der Liebe wegen Stoppenberger geworden. „Aber schreib dat bloß nich!“, meint er augenzwinkernd. Tut mir leid, lieber Herr Dieker, muss sein.
Das Stadtteilwappen: Das Wappen von Heraldiker Kurt Schweder hatte nie offiziellen Charakter. Es zeigt einen schwarzen Berg vor goldenem Hintergrund, der Kohle symbolisieren soll, darin ein Fachwerkhaus, das an die agrarische Vergangenheit erinnert. Auf dem Berg steht ein schwarzer Kater. Bei der Bedeutung des Namens scheiden sich die Geister. Beim Namensbruder aus Wuppertal wird der Ursprung „Katharinenberg“ vermutet. Wieder andere glauben, Katternberg stamme vom althochdeutschen Wort „Chota“ ab, was als Kate, kleine Hütte oder kleines Haus zu übersetzen ist.
Essener Stadtteilwappen und ihre Bedeutung
Gründerzentrum Triple Z: Bis in die 1960er Jahre hinein lebte Katernberg fast ausschließlich vom Bergbau. So wundert es nicht, dass das wohl erfolgreichste Projekt des Strukturwandels in Gebäuden entstand, die die Zeche Zollverein zurückließ. Unter dem Dach des Gründerzentrums „Triple Z“ sind nach Angaben seines Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Dieker immerhin mittlerweile 600 Arbeitsplätze entstanden. Neben klassischen Handwerksfirmen und kleineren Produktionsbetrieben haben sich auch Dienstleister aus den Branchen IT, Kommunikation, Design und Gesundheit angesiedelt.
Katernberg und „Kaddernberch“: Es gibt Essen-Katernberg und Wuppertal-Katernberg, und die werden manchmal verwechselt. Als die Katernberger aus Essen 1950 auf ihrem Marktplatz den 800. Geburtstag ihres Heimatortes feierten, war das etwas voreilig. Die entsprechende Urkunde bezog sich auf das andere Katernberg. Erst ein auf das Jahr 1220 datierter Hinweis in der Vogtei-Rolle des Grafen Friedrich von Isenberg-Altena gilt als erste Erwähnung des heutigen Essener Stadtteils. Gut geeignet zur Unterscheidung ist übrigens das breite Ruhrdeutsch von Werner Dieker: Da heißt es „Kaddernberch“. Is klar, oder?
Amtliche Statistik zum Stadtteil Katernberg:
Katernberg in Zahlen
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Historische Luftbilder: Die Essener Stadtteile 1926 von oben
Es ist ein wahrer Fotoschatz, den das Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster hütet und jetzt erstmals vollständig einem Medium zur Verfügung stellt. Essen im Jahre 1926 – das sind 735 Schrägluftbilder, die das gesamte Stadtgebiet abdecken. Wir zeigen 722 der 735 Aufnahmen: Unsere ThingLink-Karte mit den Flugrouten von damals führt zu 24 Bilderbildergalerien. Zu jedem Flug gibt es eine Fotostrecke. Die Galerie "Essen von oben im Jahr 1926" zeigt eine Auswahl von Aufnahmen aus dem gesamten Stadtgebiet.