Bottrop. Fünf Jahre nach dem Bergbauende zahlt die RAG Millionensummen für Bergschäden. Sie behält das Grubenwasser im Auge, andere Firmen das Grubengas.
Fünf Jahre nach der letzten Schicht auf dem Bergwerk Prosper-Haniel: Was ist übrig geblieben vom Bergbau in Bottrop außer den riesigen Bergbauflächen, die in den nächsten Jahren neu genutzt werden sollen? Es werden immer noch Bergschäden gemeldet und bezahlt. Kommen neue Bergschäden dazu durch den Anstieg des Grubenwassers? Und was macht der Anstieg mit dem mächtigen Grubengasfeld Jupiter unter Kirchhellen? Ein Stand der Dinge fünf Jahre danach.
Mit dem Grubenwasser unternimmt die RAG eines der größten physikalischen Experimente in ganz Deutschland. Vor dem Verfüllen der Bottroper Schächte an Franz Haniel, Prosper II sowie der Schächte Prosper 9 und 10 in Grafenwald und Kirchhellen hat die RAG im mittleren Ruhrgebiet die gewaltigen Tauchpumpen abgestellt, die bis zum Ende des Bergbaus den Kumpeln bis hinunter zu einer Teufe von 1340 Metern auf der 7. Sohle unter Schacht 10 am Alten Postweg im Wortsinn das Wasser vom Hals gehalten haben.
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Seitdem steigt das Grubenwasser. Unter der Kirchheller Heide hat es in den letzten fünf Jahren ziemlich genau 300 Meter Höhe gewonnen und ist damit auf einem guten Weg. Um eine sehr komplizierte Geschichte möglichst einfach zu erzählen: In einer Tiefe von um die 630 Meter und irgendwann ab 2030 sollen die Grubenwässer sich in den miteinander verbundenen Grubengewölben vereinen zur neuen „Wasserprovinz Mitte“. Und dann sollen die Grubenwässer von Carolinenglück (Bochum), Zollverein, Amalie (beides Essen) und Prosper-Haniel unterirdisch über den Schacht Hünxe zum Standort Lohberg fließen, dort hochgepumpt und in den Rhein eingeleitet werden.
RAG hat Flächen gesichert für Aufbereitung des Grubenwassers
Das ist der Plan A, und bisher sieht es gut aus, sagt Christof Beike, Sprecher der RAG: „Mit Abschaltung der Wasserhaltungsstandorte an der Emscher steigt das Grubenwasser derzeit planmäßig an. Dieser Anstieg wird lückenlos im Rahmen des Monitorings von uns überwacht. Derzeit haben wir keine Erkenntnisse, dass der Anstieg und spätere Übertritt in Richtung Rhein am Standort Lohberg nicht stattfinden wird.“
Und wenn nicht? Dann werden auf der Zeche Zollverein die Tauchpumpen wieder angeworfen, das Grubenwasser wird hochgepumpt und über eine Wasserleitung nach Bottrop gepumpt. Dort wird es durch mächtige Rohre wieder ins Grubengewölbe geschickt, die die RAG im Jahr 2020 für diesen Zweck vor der Verfüllung des Schrägschachtes eingebaut hatte. Für eine eventuell nötige Aufbereitung des Grubenwassers hat sich die RAG vorsorglich Flächen gesichert, die vorerst nicht im Megaprojekt „Freiheit Emscher“ anders genutzt werden können.
Umstrittene Frage: Neue Bergschäden durch Grubenwasseranstieg
Wird der Anstieg des Grubenwassers erneute Bergschäden auslösen? Ja, befürchten Vereinigungen von Bergbaugeschädigten. Nein, sagt RAG-Sprecher Beike: „Im Zuge des gutachterlich begleiteten Verfahren des Grubenwasseranstiegs im Ruhrgebiet werden Hebungsprozesse von maximal wenigen Zentimetern erwartet. Aufgrund des zu erwartenden geringen Ausmaßes und einer sehr großräumigen Verteilung gehen wir von keinen auftretenden Bergschäden aus.“ Und wenn doch? „Sollte es wider Erwarten doch zu Schäden kommen, werden diese selbstverständlich durch die RAG reguliert werden.“
Das ist ein Stichwort. Die Kostenübernahme für Bergschäden ist auch fünf Jahre nach Bergbauende ein großer Kostenfaktor. Bottroper Zahlen gibt es nicht, bedauert Beike: „Die Aufwendungen der RAG für Bergschäden insgesamt betrugen im Geschäftsjahr 2022 rund 84,9 Millionen Euro. Die Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor. Insgesamt wurden im Jahr 2022 rund 15.600 Schäden gemeldet.“ Und da unter Kirchhellen die letzte Steinkohle Deutschlands gefördert wurde, liegt die Vermutung nahe: Ein guter Teil der Schäden ist dort entstanden.
![In diesen Blockheizkraftwerken an der Fernewaldstraße verwertete die Steag Grubengas aus Grafenwald als Fernwärme. In diesen Blockheizkraftwerken an der Fernewaldstraße verwertete die Steag Grubengas aus Grafenwald als Fernwärme.](https://img.sparknews.funkemedien.de/240851448/240851448_1703062344_v16_9_1200.jpeg)
Grubengas aus Bottrop-Kirchhellen wird gefördert
Das Grubenwasser wird auf Sicht auch etwas machen mit dem Grubengas Methan, das aus den Kohlenflözen unter Kirchhellen ausgast. Zwei Tochterunternehmen von Steag New Energy, ein Geschäftsfeld des Essener Iqoni-Konzerns, haben Lizenzen für die Gasabsaugung aus dem Feld Prosper. Über Jahre haben sie unter anderem am Vossundern Grubengas abgesaugt und an der Fernewaldstraße in Blockheizkraftwerken ins Fernwärmenetz eingespeist. Derzeit ist Steag New Energy nicht aktiv in Sachen Grubengas in Kirchhellen, sagt Sprecher Daniel Mühlenfeld. „Mittelfristig bleibt das aber ein interessantes Geschäftsfeld. Wir prüfen gerade, Grubengas mit Erdgas anzureichern.“
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Auf Sicht wird das ansteigende Grubenwasser verhindern, dass sich neues Grubengas bildet. Trotzdem kann sich das Verwerten von Grubengas auch Jahrzehnte nach dem Ende des Bergbaus lohnen, wie RAG und Iqoni zum Beispiel im Saarland vormachen. Natürlich rechnet sich das nicht ohne Subventionen. Da haben die Konzerne gerade eine wichtige Hürde genommen: Grubengas aus Kirchhellen wird auch mit der Fortschreibung des „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) 2023 gefördert.
Nun ist Grubengas nun wirklich keine erneuerbare Energie. Aber der Gesetzgeber folgt der Argumentation: Wenn Methan abgesaugt wird, sei das ein Beitrag zum Klimaschutz. Würde das Gas in die Atmosphäre gelangen, wäre es bis zu 25 mal klimaschädlicher als Kohlendioxid.